Kleve. Christoph Gebhardt verkauft in seinem Klever Laden „Très chig“ nicht nur Kleidung aus zweiter Hand. Das ist die Idee dahinter.
Zwei Kundinnen stöbern, begutachten, plaudern... und stöbern dann ganz gemütlich weiter. Im Laden „Très chig“ gibt‘s aber auch einfach so viel zu gucken! Die bunte Auswahl reicht von geblümten Röcken über karierte Sakkos bis hin zu flauschigen Pullis. Was jedoch niemand auf den ersten Blick erkennt: Alles ist aus zweiter Hand! Christoph Gebhardt lächelt. „Die Secondhandläden in Großstädten sind oft bis zur Decke vollgestopft“, sagt er, „aber in einer Kleinstadt wie Kleve würde das nicht funktionieren.“ Deshalb hat er sich ein etwas anderes Konzept überlegt...
Aber wieso überhaupt Secondhand? Darüber muss der 32-Jährige nicht lange nachdenken. „In der Fast Fashion wird so viel weggeschmissen“, antwortet er. Das weiß er selbst nur allzu gut, immerhin hat er nach seiner Ausbildung insgesamt zehn Jahre bei verschiedenen Modeketten gearbeitet. Aktuell ist er noch als „Store Designer“ in einem großen Haus angestellt, doch auch damit soll bald Schluss ein. „Ab März bin ich dann nur noch hier“, verrät er. Denn genau das, einen eigenen Laden für nachhaltige Mode zu führen, hat er sich schon sehr, sehr lange gewünscht.
Mitten in der Klever Innenstadt
Insgesamt drei Jahre hat Christoph Gebhardt geplant, gerechnet, gewerkelt. Und dann, im Oktober 2023, war es endlich so weit! Er konnte mitten in der Innenstadt, in einer Nebenstraße, sein Geschäft „Très chig“ eröffnen. Nun braucht es für einen Secondhandladen aber auch... Secondhandkleidung. „Ich habe erstmal bei einem Großhändler eingekauft“, erklärt er. Tatsächlich ist ein solches Konzept in anderen Ländern wie Frankreich, Spanien oder in den Niederlanden weit verbreitet. „Man kann sich alles sogar über Videocall aussuchen und bekommt dadurch auch seltenere Vintage-Sachen.“
Darunter fällt der Gucci-Pulli oder das Ralph Lauren-Hemd... Denn, das ist dem 32-Jährigen wichtig: „Ich will weg von dem muffigen Image des Secondhandladens und keine 0815-Produkte anbieten.“ Deshalb biegen sich bei ihm keine Kleiderstangen durch, ein Einzelstück hängt ordentlich neben dem anderen. „Ich habe nicht nach Geschlecht sortiert“, sagt er, während er von der Abteilung „Sweater“ zu „Sakkos“ läuft, „sondern nach dem Schnitt.“ Klar, das ist für manche vielleicht etwas ungewohnt, „aber wenn ich es einmal erklärt habe, finden sie sich beim zweiten Besuch schon zurecht.“
Secondhand statt Fast Fashion
Tatsächlich kommen viele wieder oder empfehlen ihn weiter. „Nach und nach kaufen wieder mehr Menschen in Secondhandläden ein“, weiß Christoph Gebhardt. Studien zeigen sogar, dass sich der Secondhand-Sektor bis 2028 verdoppeln und damit den Fast Fashion-Markt überholen könnte. „Deutschland hinkt noch etwas hinterher“, sagt er. „Wenn Holländer in den Laden kommen, dann sind sie immer direkt begeistert.“ Und damit immer mehr Menschen auf den Geschmack kommen, steht er nun hier... ohne eigentlich je wirklich zu stehen. Denn zu tun gibt‘s immer irgendetwas.
Mittlerweile verkauft der 32-Jährige auf Kommission auch Kleidungsstücke von Kundinnen und Kunden. Das bedeutet jedoch... „viel Aufwand“, sagt er, „mit all der Buchhaltung.“ Deshalb muss er noch schauen, ob sich der Verkauf auf Dauer rentiert. Eine andere Idee dagegen kommt richtig gut an. Dazu führt er nun zur Stange vor einer Wand, die vollgeklebt ist mit Bücherseiten. „Im Keller hatte ich noch alte Bücher“, erklärt er. Ja, auch Dekoration kann nachhaltig sein! „Ich versuche einfach, so wenig wie möglich zu verschwenden.“ Aber wenn nun etwas kaputt ist? Im Pulli ein Loch, auf der Jacke ein Fleck ist?
Selbstgemachtes im Conceptstore
Christoph Gebhardt zieht einen Kapuzenpulli mit blau-weißem Batikmuster hervor. „Darauf war vorher irgendwas, das nicht mehr wegging“, erzählt er. Oder hier, er zeigt auf eine Jeansjacke mit bunten Sternen, „da waren Löcher drin.“ Zugegeben, die Hose mit Muster aus Sicherheitsnadeln ist etwas speziell, „aber die gehört auch zur Festivalkollektion.“ Übrigens, wer seine Klamotten nun ebenfalls aufgepimpt haben möchte, kann sie ihm einfach vorbeibringen. Gegen ein kleines Entgeld verpasst er dann jedem Teil eine besondere Note.
Der Laden „Très chig“ in Kleve
Aktuell hat „Très chig“, Gasthausstraße 19 in Kleve, donnerstags und freitags von 11 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Ab März können Interessierte den Laden dienstags bis freitags von 11 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 18 Uhr besuchen. Studierende können sich besonders freuen, denn sie erhalten zehn Prozent Rabatt.
Drei Prozent seines Umsatzes spendet Christoph Gebhardt an den Klever Tiergarten. Und auch sonst ist ihm gesellschaftliches Engagement wichtig: Seit Kurzem druckt er auf seine Kassenbons „FCK AfD! Kein Platz für Rassismus, Homophobie, Sexismus und jede andere Form von Diskriminierung. Mit deinem Einkauf setzt du ein Zeichen gegen Rechts.“ Daraufhin hat er bereits eine Morddrohung erhalten, doch das schreckt ihn nicht ab. „Ich mache weiter!“
Der Klever ist kreativ, keine Frage, das zeigt sich auch im hinteren Bereich. Dort gibt‘s Bilder, die er selbst gemalt hat, Makramee, das er selbst geknüpft hat, Postkarten, die er selbst designt hat. „Die Kuscheltiere“, er zeigt auf Giraffe & Co., „hat meine Schwester gehäkelt.“ Und dort drüben, die Körnerkissen und Schlüsselanhänger, „die hat meine Mama genäht.“ Dazu kommen Vasen, Kerzen, Schalen... Denn, auch das war ihm schnell klar, „wenn ich nur Kleidung verkaufen würde, würde es nicht so gut laufen.“ Ja, die Mischung aus Secondhandladen und Conceptstore macht‘s. Das finden auch die beiden Kundinnen, die nach ausgiebigem Stöbern nun endlich etwas gefunden haben. Deshalb muss er jetzt auch mal eben schnell zur Kasse!