Düsseldorf. Bei den Aktionstagen „Landtag macht Schule“ erleben Schüler aus ganz NRW die Demokratie. Welche politischen Themen die Jugendlichen beschäftigen.

Sie haben es auf die Regierungsbank im Düsseldorfer Landtag geschafft. Und das ganz ohne vorherige Parteiarbeit oder Wahlkämpfe – mit gerade einmal 15 Lebensjahren. Yaser Mouhammad, Klassensprecher der 9b der Maria-Montessoris-Gesamtschule aus der Landeshauptstadt, hat mit seiner Mitschülerin Kaili Lin dort Platz genommen, wo normalerweise die höchsten Repräsentanten des demokratischen Nordrhein-Westfalens zu finden sind. Kaili hat sich den Stuhl von Ministerpräsident Hendrik Wüst gesichert, Yaser den direkt daneben liegenden „Arbeitsplatz“ der stellvertretenden Ministerpräsidentin Mona Neubaur.

Aufregung, Kameras: Yaser kann sich Politik-Karriere vorstellen

„Das ist schon ganz schön aufregend, da vorne zu sitzen. Ich glaube, das ist eher nichts für mich“, meint Kaili im Anschluss. Yaser dagegen, der sogar mit einem Redebeitrag zum Plenum sprach, kann sich durchaus vorstellen, eine Karriere in der Politik zu verfolgen. „Natürlich war ich nervös, zumal ja auch Kameras auf mich gerichtet waren. Aber für Themen einstehen und darüber zu sprechen, das mache ich gerne.“

Kaili und Yaser sind zwei von insgesamt 800 Jugendlichen, die nun der Einladung von „Landtag macht Schule“ gefolgt sind, um Demokratie live in Aktion zu erleben. Diese Aktionstage finden seit dem Jahr 2018 statt und sollen Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse einen Einblick in die Arbeitsweise des Landesparlaments bieten. Und sie auch dazu animieren, über aktuelle Themen zu diskutieren.

Nahost, Klima, Correctiv-Recherchen: Schüler reden über Politik

Denn Themen, welche die Jugendlichen beschäftigen, gibt es viele, wie Anja Funke berichtet. „Es wird über den Nahost-Konflikt gesprochen, über den Klimawandel und die Proteste von Fridays for Future“, führt die Lehrerin für Deutsch und Gesellschaftslehre an der Maria-Montessori-Gesamtschule an.

Es wird über den Nahost-Konflikt gesprochen, über den Klimawandel und die Proteste von Fridays for Future.
Anja Funke - Lehrerin an der Maria-Montessori-Gesamtschule Düsseldorf

Zuletzt hatten die Schülerinnen und Schüler nach den Correctiv-Enthüllungen über ein Treffen von AfD- und CDU-Mitgliedern und den dort geäußerten Abschiebeplänen Redebedarf. „Das hat uns natürlich besonders betroffen. Wir haben viele Kinder mit Zuwanderungsgeschichte“, ergänzt Funke.

„In unserer Schule legen wir Wert darauf, die Kinder und Jugendlichen demokratisch einzubeziehen“, hat Anja Funke einen Erklärungsansatz, warum Yaser und Kaili sofort die Gelegenheit ergriffen haben, die Regierungsbank zu besetzen. So gebe es in jeder Klasse einen Klassenrat. „Dort wird über Dinge wie etwa Ausflugsziele gesprochen, oder wenn es Probleme gibt.“ Schülerin Alma ergänzt: „Zuletzt haben wir entschieden, was wir unserer Lehrerin zum Geburtstag schenken wollen.“

Schüler beschließen: Schulbeginn wird auf 8.30 Uhr gelegt

Für die gesamte Maria-Montessori-Gesamtschule gibt es eine Schülervertretung. „In der SV haben wir zusammen über die Handynutzung an unserer Schule gesprochen“, berichtet Alma. Dort wurde auch der Beschluss getroffen, den Schulbeginn auf 8.30 Uhr zu legen. „Ich als Lehrerin fand das auch gut“, wirft Anja Funke lächelnd ein.

16 Seiten „Was ist was“ über Demokratie

Der Kinder- und Jugendbuchverlag Tessloff hat eine Broschüre der Reihe „Was ist was“ über das Thema Demokratie veröffentlicht. Auf 16 Seiten gibt es umfangreiche Informationen über Mitbestimmung, Meinungsfreiheit und Grundrechte. Die Broschüre steht online kostenlos zum Download auf der Seite des Verlags (tessloff.com) bereit. Auch die gedruckte Version in Verpackungseinheiten von je 30 Stück kann direkt beim Verlag bestellt werden.

Neben den klassischen Unterrichtsmaterialien greift Funke gerne auf Veröffentlichungen und Angebote der Bundeszentrale für politische Bildung zurück. „Da gibt es richtig viele und gute Publikationen.“ Hin und wieder spielen auch Zeitungsberichte eine Rolle. Eine hohe „Einschaltquote“ haben aber die Kindernachrichten des ZDF. „Wir schauen dann zusammen die aktuelle ‚logo!‘-Sendung.“

Gespräche über TikTok und verschiedene Sichtweisen

Viele Informationen, auch und gerade politischer oder gesellschaftlicher Art, erhalten die Schülerinnen und Schüler über soziale Netzwerke. „Ich glaube, so ziemlich alle sind bei TikTok und Instagram.“ Die verkürzte Darstellung aus zum Teil fragwürdigen Quellen von komplexen Themen, wie etwa dem Nahost-Konflikt, sieht Anja Funke durchaus mit Sorge. „Ich merke schon, dass die Jugendlichen viele Nachrichten über TikTok beziehen. Sie folgen dort Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen.“ In den Gesprächen in der Klasse versucht Funke die Informationen einzuordnen.

Zur Abstimmung bereit: Die Schülerinnen und Schüler der Maria-Montessori-Gesamtschule machten von ihrem Stimmrecht gebrauch.
Zur Abstimmung bereit: Die Schülerinnen und Schüler der Maria-Montessori-Gesamtschule machten von ihrem Stimmrecht gebrauch. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Einige Fragen hatten die Schülerinnen und Schüler mit in den Landtag gebracht, denn sie trafen auch auf Berufs-Politikerinnen und -Politiker, etwa den Landtagsvizepräsidenten Rainer Schmeltzer (SPD). Leon liegt ein Thema besonders am Herzen. „Ich würde gerne über Schulinfrastruktur sprechen. Denn unsere Toiletten sind in wirklich keinem guten Zustand.“

Alma interessiert, wie der Tagesablauf von Abgeordneten aussieht. „Ist das so, wie bei anderen Jobs auch?“ Sie fragt sich auch, wie es ist, über eine gewisse Gestaltungsmacht zu verfügen. Denn Alma ist wissbegierig bei gesellschaftlichen und politischen Themen. „Ich war auch schon auf einer Demo gegen rechts.“

Schülerin Romy überzeugte mit einem Redebeitrag.
Schülerin Romy überzeugte mit einem Redebeitrag. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Bei einer simulierten Plenarsitzung, die Teil des Aktionstages ist, wurde über eine fiktive Änderung des Schulgesetzes von den Jugendlichen gesprochen. „Sollten an Karneval alle Schüler verkleidet in die Schule kommen müssen?“, lautete der Vorschlag. Romy plädierte in ihrer Rede dafür, dass dies zumindest für die Hochburgen Köln, Düsseldorf und Aachen eine gute Idee sein. Am Aschermittwoch gab es dafür von den Jugendlichen – scheinbar Karnevalsmuffel – aber deutliche Ablehnung per Handzeichen. Echte Demokratie eben.