Kempen. Lena Gerst hat in Kempen den Laden „Konsekvent“ eröffnet. Den Mut dazu hatte sie jedoch erst nach einem einschneidenden Erlebnis.
Lena Gerst wuselt gerade noch herum, rückt hier die Karten zurecht und stellt dort die Döschen zurück, denn zuletzt war in ihrem Laden „Konsekvent“ wieder „richtig viel los“, erklärt sie. Darüber freut sie sich natürlich, immerhin bedeutet das: Es war gut, dass sie den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hat, und noch besser, dass sie einen Laden für Nachhaltigkeit eröffnet hat. Dabei wäre es fast ganz anders gekommen...
Die 32-Jährige hat Hotel- und Nachhaltigkeitsmanagement studiert, später als Nachhaltigkeitsmanagerin gearbeitet. Das hat ihr Spaß gemacht, ja schon, sagt sie, „aber dann bin ich ziemlich krank geworden“. Ein Jahr lang war sie raus und kehrte auch danach nicht in ihren Job zurück. Plötzlich, und sehr schmerzhaft, war ihr bewusst geworden, wie schnell alles vorbei sein kann. „Ich wollte etwas Neues wagen!“, erklärt sie. „Und vielleicht hätte ich mich sonst nie getraut.“
Ihre Idee? Ein Conceptstore! Nun eröffnen immer mehr solcher Läden, in denen es nur handverlesene Produkte gibt. Aber, das fügt sie direkt hinzu: „Ein Konzept wie meines gab es noch nicht.“ Das kann sie so sagen, weil sie selbst immer danach gesucht hat... Spätestens seit ihrer Erkrankung achtet sie noch mehr auf Inhaltsstoffe, Nachhaltigkeit, Arbeits- und Produktionsbedingungen. Und klar, es gibt bereits Produkte, die den Anforderungen gerecht werden. „Aber die habe ich mir dann meist im Internet bestellt.“
Rundumpaket im Kempener Conceptstore
Nicht gerade nachhaltig! Dadurch aber kannte Lena Gerst zumindest schon viele Dinge, die sie in ihrem eigenen Laden anbieten könnte. Und so schrieb sich ihr Businessplan fast wie von selbst, als ein Geschäft mitten in der Kempener Innenstadt frei wurde. „Wenn ich mich traue, dann nur hier“, war ihr sofort klar, „weil es hier so viele inhabergeführte Läden gibt.“ Alle anderen in ihrem Umfeld waren dagegen eher skeptisch: „Du willst dich selbstständig machen? Und dann auch noch damit?“
Ja, das wollte sie! Nur ihr Mann war von ihrem Plan überzeugt... und die Vermieter, die ihr eine Zusage gaben. Und so begann sie mit dem Recherchieren, Planen, Rechnen, Einkaufen, Einrichten – bis sie im März 2022 endlich ihren Laden „Konsekvent“ eröffnen konnte. Aber was unterscheidet ihren Conceptstore denn nun von all den anderen? „Mein Anspruch ist, dass es hier ein Rundumpaket gibt“, antwortet sie.
Wer ein Geschenk für die Freundin sucht, wird ebenso fündig wie jemand, der einen Pulli aus Biobaumwolle benötigt. Oder eine Jacke, die mal ein Sari war... Lena Gerst zieht einen Kleiderbügel hervor. „Alle Klamotten sind aus Naturmaterialien oder aus recycelten Produkten“, erklärt sie. Von jeder Firma, mit der sie zusammenarbeitet, holt sie alle, wirklich alle Zertifizierungen ein. „Die halten mich wahrscheinlich schon für bekloppt“, sagt sie und lacht. Aber egal, Hauptsache, alles entspricht ihren Anforderungen.
Socken aus Meeresmüll
Nun haben solche Kleidungsstücke meist auch ihren Preis, oder? Die 32-Jährige nickt und streicht über den Rock im Leopardenmuster, den sie gerade selbst trägt. „Der ist etwas teurer“, sagt sie, „aber ich will für jeden etwas Erschwingliches anbieten.“ Der grüne Pulli beispielsweise ist von „Mazine“, einer Marke aus Mülheim, die „Müll zu Kleidern, und nicht Kleider für den Müll“ machen, wie sie selbst auf ihrer Homepage schreiben. „Das ist eher ein Einsteigerpreis.“
Ein Dauerbrenner sind aber die Socken aus Fischernetzen und Meeresmüll oder die Sneaker aus Ananasfasern und Kork. Und auch die Pflegeprodukte auf dem Tisch, der mitten im Laden steht, kommen gut an... „Haben Sie noch Duschschaum?“, fragt ein Kunde, der soeben zur Tür hereingekommen ist. Moment, da muss die Chefin mal eben im Lager nachschauen... „Bergamotte und Aloe Vera sind leider aus“, sagt sie dann. Kein Problem, dann kommt er die Tage nochmal wieder!
Den Duschschaum in Pulverform gibt‘s eben nicht im Drogeriemarkt. Ebenso wenig wie Parfüm in der Dose. Lena Gerst öffnet schnell ein Pröbchen, „das ist im Prinzip wie Lippenbalm, den man sich auf den Hals tupfen kann“, erklärt sie, „und ganz ohne Aluminium oder Alkohol.“ Viele Produkte erfordern vielleicht eine Anleitung, so wie auch die Zahnputztabletten. „Man zerkaut eine Tablette im Mund und kann sich dann ganz normal die Zähne putzen.“ Ohne Mikroplastik oder Konservierungsstoffe.
Tabletten zum Zähneputzen
Die Zahnputztabletten nutzt die 32-Jährige selbst, ebenso wie das feste Shampoo. Und ja, sie weiß, dass vielen Produkten noch das „Öko-Image“ anhängt. Aber genau mit solchen Vorurteilen möchte sie aufräumen. Nachhaltigkeit kann auch schön und hip sein! Deshalb gibt‘s in ihrem Laden außerdem Ohrringe, Haarklammern, Bücher, Keramiken, Blöcke, Kerzen... kurz: „Nippes“, wie sie es selbst zusammenfasst.
Doch obwohl all die schönen Dinge nach strengen Vorgaben produziert wurden, bleiben sie eben auch einzelne Güter in einer sowieso schon zu viel verbrauchenden Gesellschaft. Widersprechen sich Konsum und Nachhaltigkeit denn nicht grundsätzlich? „Die Frage stelle ich mir selbst auch immer wieder“, gibt sie zu. Und klar, „Konsum ist nicht nachhaltig“, sagt sie weiter, „aber im Endeffekt konsumieren wir trotzdem und dann möchte ich wenigstens eine Alternative aufzeigen, wie man es nachhaltiger machen kann.“
Konsekvent in Kempen
Der Conceptsore „Konsekvent“ auf der Ellenstraße 37 in Kempen ist montags bis freitags zwischen 10 und 18.30 Uhr sowie samstags zwischen 10 und 15 Uhr geöffnet.
Lena Gerst stellt ihre Produkte auch auf iher Homepage vor: www.konsekvent-kempen.de
Deshalb legt Lena Gerst gern auch mal eine Jacke zurück, wenn sich eine Kundin noch unsicher ist. „Das bringt ja nix, da verzichte ich lieber auf den Gewinn.“ Oder aber sie gibt Tipps für den Alltag, wie jeder etwas tun kann. „Man muss ja nicht gleich im Unverpacktladen einkaufen, sondern kann erstmal im Supermarkt die unverpackten Tomaten mitnehmen.“ Denn, davon ist sie überzeugt: „Die kleinen Schritte machen den großen Unterschied!“
Mutiger Schritt in die Selbstständigkeit
Wobei es bei ihr persönlich dann doch eher ein großer oder zumindest ein mutiger Schritt war, der alles verändert hat. Bereut hat sie ihn zumindest nie, das kann sie aus tiefster Überzeugung sagen: „Der Laden hat mein Leben gerettet.“ Gut, das klingt jetzt vielleicht etwas dramatisch, muss sie lachend zugeben. „Aber ich wäre sonst auf jeden Fall nicht so glücklich!“ Und deshalb wuselt sie gleich auch noch gern weiter zwischen den Regalen und Tischen herum.