Dormagen. Das Museum Zons zeigt in der Ausstellung „Second Life“, wie Upcycling in der Kunst funktioniert – mit vielen Ideen für zuhause.
Die Vitrine ist vollgestopft mit Kaffeefilterpackungen, Cornflakestüten, Schokoladenpapier, Pizzakartons und so vielem mehr. Das stimmt nachdenklich, allerdings nicht nur die Besucherinnen und Besucher... Karina Hahn und Verena Rangol haben die Ausstellung „Second Life“ im Kreismuseum Zons kuratiert und bei dem Titel liegt das Thema ja quasi auf der Hand – oder eben der Müll im Museum. Doch vor einer Eröffnung ist es oft stressig, in diesem Fall auch, die Werke mussten noch an die Wand und die Vitrine war auch noch leer! „Wir haben dann unser Team aufgefordert, ihren Müll von Zuhause mitzubringen“, erzählt Karina Hahn. Kein Problem! In kurzer, viel zu kurzer Zeit hatten sie genug Abfall zusammen. „Das bringt einen schon ins Grübeln.“ Doch es zeigt auch: Wir alle schmeißen zu viel weg, wir alle müssen etwas ändern! Und vielleicht kann ja die Kunst einige Impulse geben?
„Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass die Besucherinnen und Besucher hier rausgehen und etwas mitnehmen“, sagt Karina Hahn. Und ja, „das ist ein hoher Anspruch“, das weiß sie selbst. Doch davon haben sich die Kuratorinnen nicht abschrecken lassen, ganz im Gegenteil. Sie haben recherchiert und recherchiert... und konnten kaum aufhören, denn: „In den letzten Jahren sind es immer mehr geworden, die sich mit Upcycling beschäftigen.“ Einer, der von Beginn an dabei war, ist der Kölner Künstler HA Schult. Seine „Trash People“ standen bereits in Paris, Moskau, auf der Chinesischen Mauer... und nun eben auch in der Dormagener Ausstellung. Direkt am Eingang, vor einer hohen Wand aus orangefarbenen Kanistern, mahnt die lebensgroße Figur aus zusammengepressten Dosen: „Wir produzieren Müll und wir werden zu Müll.“
Kunst aus dem Ahrtal
Aber so muss es ja nicht bleiben! Die anderen Kunstwerke zumindest zeigen, wie sich Müll in etwas Neues, Praktisches oder auch einfach nur Faszinierendes verwandeln lässt. Petra Kanke beispielsweise haucht gebrauchten Kaffeefiltern ein zweites Leben ein. Wie das geht? Nunja... „Wir kennen doch alle das Basteln mit Ballons“, antwortet Karina Hahn. Nur nimmt die Künstlerin keine Abdrücke von Ballons, sondern von Schuhen oder Helmen. Und statt Zeitungspapier benutzt sie eben Kaffeefilter. Das Ergebnis sind seltsam anmutende Hüllen, die säuberlich drapiert auf weißen Podesten stehen. Aber Pumps lassen sich ja nicht, wie Ballons, mit einer Nadel zum Platzen bringen? „Deshalb haben die Formen unten keine Sohle“, verrät die Kuratorin. Rätsel gelöst! Viel praktischer sind aber sowieso die beklebten Milchtüten, die zu schicken Vasen werden. Keine Sorge, „die sind auch dicht!“
Funktionalität beweisen auch die Möbelstücke des „Flutwohnzimmers“. Also theoretisch, praktisch heißt es dann doch: „Bitte nicht berühren!“ Paul Busch ist ausgebildeter Metallbauer, der bereits als Jugendlicher eigene Objekte aus ausrangierten Materialien schuf. Doch dann passierte 2021 die Flutkatastrophe in seiner Heimat, dem Ahrtal. Während der Aufräumarbeiten kam ihm die Idee: Statt all die angeschwemmten Dinge wegzuschmeißen, könnte er daraus doch neue Objekte bauen! Mehrere Feuerwehrschläuche werden zum Stuhl, eine Schlauchtrommel wird zum Tisch und ein Aluminiumlüfter zur Leuchte... „Das hier darf man aber anfassen“, sagt Verena Rangol und deutet auf einen weißen Knopf, „einfach drauf drücken.“ Die „Artmaschine 3“ setzt sich in Betrieb, bringt Lochbleche in Bewegung, „fast wie ein Kaleidoskop“. Ja, manchmal darf Kunst auch einfach nur Spaß machen.
Zweite Chance für Brautkleider
So, wie die kunterbunten Ketten aus zahlreichen Eislöffeln, die Monika Bergrath nicht nur herstellt, sondern auch selbst trägt. Wem der Schmuck jedoch zu auffällig ist, könnte auch Ketten aus Champagnerkorken, Kaffeekapseln oder Zeitungspapier wählen... Spätestens jetzt kommen sie langsam: die Ideen, was sich mit dem eigenen Müll noch so alles anstellen lässt. Teebeutel beispielsweise, die hat doch nun wirklich jeder! Daraus lassen sich ganz wunderbar Dekosterne basteln, nach Mette Pederson, oder aber ein wahrlich expressives Kunstwerk kreieren, wie Judith Mundwiller es mit „Teatime4U“ vorgemacht hat. Und vielleicht hat ja auch noch die ein oder andere ihr Brautkleid im Kleiderschrank hängen? Martha Meyer-Lipke und Laura Hesse retten ebensolche. „Sie bringen dadurch Nachhaltigkeit eine in eine Branche, die null nachhaltig ist“, erklärt Verena Rangol.
„Second Life“ im Kreismuseum Zons
Die Ausstellung „Second Life. Upcycling Kunst und Kunsthandwerk“ läuft noch bis zum 20. Mai im Kreismuseum Zons, Schloßstraße 1 in Dormagen. Geöffnet ist dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 11 bis 18 Uhr. Im Museumsshop sind übrigens einige Objekte auch käuflich erhältlich. Weitere Infos: www.kreismuseumzons.de
Das Museum bietet im Rahmen der Ausstellung verschiedene Führungen an, beispielsweise am Dienstag, 27. Februar, um 14.30 Uhr oder am Dienstag, 19. März, um 14.30 Uhr. Der Eintritt mit Führung kostet fünf Euro, ermäßigt drei Euro. Am Samstag, 9. März, können Interessierte von 11 bis 15.30 Uhr zudem in einem kostenfreien Workshop aus alten Kalenderblättern neue Kunstwerke falten.
Wie das aussehen kann, zeigt ein Kleid, das tatsächlich schon so einiges erlebt hat. Die Oma hat es entworfen, die Mutter hat es getragen und die Tochter hat es umschneidern lassen. Statt lang und altbacken, ist es nun kurz und modern. Tatsächlich, Upcycling kennt keine Grenzen, selbst alte Grabkreuze können zu besonderen Erinnerungsstücken werden, wie Sonja Kreutzer und Stephanie Hermes zeigen. Oder soll es doch lieber ein Armband aus Küchenschwämmen sein? So viele Ideen, so viele Impulse... Aus wem jetzt die Kreativität förmlich sprudelt, sollte noch einen kleinen Schlenker zur interaktiven Station der Ausstellung machen. Hier liegen Becher, Verpackungen, Zeitschriften... kurz: Müll, oder doch: Kunst?