An Rhein und Ruhr. Es braucht Anreize, um das Ehrenamt attraktiver zu machen, finden viele. Engagierte aus Dinslaken fordern Unterstützung – nicht nur durch Geld.

Ein kleines Kreuz auf der Steuererklärung für einen höheren Freibetrag oder ein paar Rentenpunkte würden für Tobias Püttmann, genannt „Pütti“, vieles einfacher machen. Nicht, als würde er sein Ehrenamt beim SuS 09 Dinslaken für Geld machen. „Aber dann wäre es vielleicht einfacher, generell mehr Leute für das Ehrenamt zu begeistern.“

Seit zehn Jahren ist er nun Geschäftsführer des Spiel- und Sportvereins, und das parallel zu seinem Hauptjob als Brandinspektor der Thyssenkrupp-Werkfeuerwehr. Das bedeutet vor allem einen Haufen Arbeit: „Mal machst du zwei Stunden in der Woche, dann gibt es wieder Wochen, in denen es ratzfatz zehn sind.“ Und er findet, dafür brauche es auch mehr Anerkennung.

Mehrheit fordert staatliche Anreize fürs Ehrenamt

Damit spricht er für eine Mehrheit der Deutschen, die sich staatliche Anreize wünscht, um das Ehrenamt attraktiver zu machen. Knapp drei Viertel der Befragten einer Forsa-Erhebung meinen, der Staat solle Engagement durch Vergünstigungen unterstützen.

Über die Hälfte spricht sich für zusätzliche Punkte bei der Rentenversicherung oder ein kostenloses Nahverkehrsticket aus. Knapp die Hälfte würde sich über Steuererleichterungen freuen. 71 Prozent fordern zudem, Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter mit dem Ehrenamt mehr unterstützen, zum Beispiel durch Freistellungen oder flexible Arbeitszeiten.

Dinslaken: Was ehrenamtliche Arbeit bewegen kann

Gemeinsam mit Tobias Püttmann hat auch Dennis Strewginski, den fast alle im Verein nur „Mutsch“ nennen, vor vielen Jahren beim SuS 09 Dinslaken angefangen, bei dem etwa 120 Ehrenamtliche tätig sind. Wann das genau war, wissen die beiden schon gar nicht mehr. Sie kennen nur noch das Warum: „Wir kommen beide aus einem Haushalt, in dem schon die Eltern Ehrenamt gelebt haben, wir haben das quasi mit der Babypulle aufgesogen“, sagt Püttmann.

Durch ihre Arbeit hat sich beim Dinslakener Verein viel getan. Die Bezirkssportanlage wurde für 4,6 Millionen Euro saniert – auch dank vieler und langer Gespräche des Vorstandsteams mit der Stadt. 600.000 Euro flossen aus der Vereinskasse. Auch das Vereinsheim, die „Blaue Lagune“, haben „Pütti“ und „Mutsch“ mit einem 15-köpfigen Team neu aufgebaut. Den Betrieb übernimmt der Verein selbst.

So viel Arbeit kann Ehrenamt bedeuten

Der Aufwand für das Ehrenamt gehe teils stark auseinander. Zwei Stunden pro Woche sind für Geschäftsführer Tobias Püttmann das Minimum. Doch dann gibt es Ereignisse, die besonders aufwendig sind, zum Beispiel, als Rot-Weiss Essen Ende August in der ersten Runde des Niederrheinpokals in Dinslaken gastierte. „Das ist im Nachhinein fantastisch gelaufen, aber die Organisation war eine echte Herausforderung“, meint er.

Dennis Strewginski ist als Abteilungsleiter der Fußball-Senioren aktuell sehr eingespannt. „Der Winter ist die entscheidende Phase für die Kaderplanung, da kannst du nicht früh genug anfangen. Für mich ist bis Mitte/Ende Februar viel zu tun, aber dann ist auch erst einmal Ruhephase“, erklärt er.

Ehrenamt: Spaß ist oberstes Gebot

Manche im Verein müssen auch mal einen Posten abgeben, wenn die Arbeit zu viel wird. Das ging zum Beispiel Felix Schütte so, der mit 15 als Fußball-Jugendtrainer bei 09 angefangen hat und bis vor Kurzem die Geschäftsführung der SuS 09 GmbH innehatte, die sich um die „Blaue Lagune“ kümmert.

Wir finden eigentlich immer Leute, die sich begeistern. Sonst würden wir es auch nicht machen. Das oberste Gebot ist, dass du Freude und Spaß dran hast.
Tobias Püttmann - Geschäftsführer beim SuS 09 Dinslaken

Nach seinem Studium ist er ab Februar als Rechtsanwalt tätig. Daher möchte er sich auf seine Trainertätigkeit konzentrieren, die rund 15 Stunden wöchentlich in Anspruch nehme, wie er sagt. Wenn es die Zeit zulässt, ist Schütte außerdem in der dritten Mannschaft selbst am Ball.

Trotz der vielen Arbeit finde der Verein „eigentlich immer Leute, die sich begeistern“, sagt Tobias Püttmann. „Sonst würden wir es auch nicht machen.“ Spaß am Ehrenamt sei das oberste Gebot.

Anerkennung fürs Ehrenamt: Was Engagierte fordern

Bei der Anerkennung sieht er aber noch Verbesserungsbedarf. Der Geschäftsführer schlägt nicht nur Steuererleichterungen für Engagierte vor, sondern zieht auch Kommunen in die Pflicht: „Wenn Ehrenamtler sich Zeit nehmen, um Vereine zu entwickeln trotz schwieriger Haushaltslage, dann kann man das auch anders supporten.“

Staatliche Anreize fürs Ehrenamt fände auch Karla Heine „großartig“. Sie ist Beraterin bei der Ehrenamtsagentur Essen, bei der aktuell 4000 Engagierte registriert sind. Neben Pauschalen würden sich viele aber auch darüber freuen, „dass man sich wirklich in aller Form für solche Arbeiten mal bedankt“.

Wir versuchen, Studierende in die Schulen zu bekommen, die sich zum Beispiel um Nachmittagsbetreuung oder Hausaufgabenhilfe kümmern. Wenn das attraktiver werden würde, vielleicht auch durch einen kleinen Obolus, wäre das toll.
Karla Heine - Beraterin der Ehrenamtsagentur Essen

Die Ehrenamtsagentur habe beispielsweise schon Freikarten für Kinos verteilt oder eine Aktion für Ehrenamtliche zusammen mit der Aktion Mensch in der Grugahalle organisiert. Aufwendungen sollten zurückerstattet werden, findet sie.

Vorteile durch Ehrenamt: „Ich bin dankbarer geworden“

Den größten Bedarf sieht Heine im Bereich Schule. „Das marode Schulsystem ist eine Katastrophe. Wir fangen da sehr viel auf, mit Mitmach-AGs und eigenen Programmen.“ Die Agentur versuche, dass sich Studierende in Schulen engagieren, indem sie sich um Nachmittagsbetreuung oder Hausaufgabenhilfe kümmern. „Wenn das attraktiver werden würde, vielleicht auch durch einen kleinen Obolus, wäre das toll.“

Aber auch ohne Geld habe das Ehrenamt viele Vorteile, erklärt Heine: „Ich bin dankbarer geworden, wie ich leben darf, und ich habe unfassbar viele Vorurteile abbauen können.“ Das findet auch Tobias Püttmann vom SuS 09 Dinslaken: „Es gibt, trotz des ganzen Palavers drumherum, so viele Momente, in denen ich denke: Das gibt dir was zurück. Ich wäre nicht ich, wenn ich mich hier nicht engagieren könnte.“

Ehrenamt: In welchen Bereichen sich Menschen aus NRW engagieren

Viele Menschen aus NRW engagieren sich ehrenamtlich. 2019 war mehr als jeder Dritte in einem Ehrenamt aktiv.

Die meisten NRWler engagieren sich mit fast zwölf Prozent für Sport und Bewegung, am zweithäufigsten im sozialen Bereich (acht Prozent), dicht gefolgt vom Bereich Schule oder Kindergarten (rund 8 Prozent). Darauf folgt mit rund sieben Prozent der kirchliche oder religiöse Bereich.

Bei der Altersstruktur liegt der größte Anteil der Ehrenamtlichen mit jeweils 41 Prozent bei 14 bis 19 sowie 30 bis 49 Jahren. Rund 66.500 Engagierte besitzen die Ehrenamtskarte NRW und rund 2.250 die Jubiläums-Ehrenamtskarte NRW.