An Rhein und Ruhr. Rechter Rand der CDU will Abspaltung. Die Landesvorsitzende der Werteunion erklärt, warum die Partei keine Heimat mehr ist.

Das neue Jahr beginnt einem Rumoren im konservativen Politikspektrum. Der frühere Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen hat angekündigt, die bislang bei der CDU verortete Werteunion, deren Vorsitzender er ist, in eine Partei umzuwandeln.

„Wir haben keine andere Wahl. Wir dringen mit unseren Positionen nicht durch bei der CDU, obwohl wir christdemokratische Grundwerte vertreten“, sagt Simone Baum, die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Werteunion. In der CDU reagiert man gelassen auf die Ankündigung.

Die Werteunion ist vor sechs Jahren als Sammelbecken stramm konservativer Unions-Mitglieder gegründet worden, die mit dem Kurs der damaligen Merkel-Regierung unzufrieden waren und einen Links-Rutsch ihrer Partei beklagten. Insbesondere die Migrationspolitik stand im Zentrum ihrer Kritik.

Eine offizielle Parteigliederung war die Werteunion nie. In der CDU wurde sie mit Argwohn beäugt, weil sich ihre Mitglieder sich immer wieder offen für Kooperationen mit der AfD zeigten, aber auch, weil ihre Kritik an der eigenen Partei als zu krawallig und fundamental empfunden wurde.

Gegen Maaßen läuft Parteiausschlussverfahren

Gegen Maaßen läuft bereits seit einem Jahr ein Parteiausschlussverfahren. Begründet wird es damit, dass der frühere Verfassungsschutzpräsident gegen die Grundsätze und Ordnung der CDU verstoße und immer wieder „Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen nutze“. Mit der Parteineugründung kommt Maaßen also einem möglichen schmachvollen Rausschmiss aus der CDU zuvor.

„Das Grundziel der Werteunion war es, die CDU zu einer Politik der Vernunft zu bewegen. Das hat nicht geklappt“, klagt die Landesvorsitzende Baum. Parteigliederungen wie die Klima-Union oder die LSU, die Interessenvereinigung homosexueller Parteimitglieder, würden hofiert. „Uns grenzt man aus.“

Besonders enttäuscht sind sie von Merz: „Eiskalt abserviert“

Besonders enttäuscht sind die Werteunions-Mitglieder von Friedrich Merz, von dem sie sich eine konservative Wende erhofft hatten. Man habe dazu beigetragen, dass der Sauerländer Parteivorsitzender werde. „Danach hat er uns eiskalt abserviert“, ärgert sich die Landesvorsitzende.

Baum, aufgewachsen in der DDR, jetzt im Oberbergischen Kreis beheimatet, ist seit den neunziger Jahren CDU-Mitglied und hat sich im Arbeitnehmerflügel der Partei sowie der Frauen-Union engagiert, erzählt sie. Mit der heutigen CDU fremdelt sie seit geraumer Zeit. „Es täte mir weh, die Partei zu verlassen. Aber ich bin nicht zufrieden damit, was die Partei politisch macht und welche Leute an der Spitze sind.“ Sie beteuert: „Wir vertreten klassische CDU-Positionen“.

Programmatisch bedienen sich Baum und Gefährten eines konservativen wie populistischen Werkzeugkastens: Mehr Härte in der Migrationspolitik, Wiedereinführung der Wehrpflicht und eines alternativen Sozialdienstes, Stärkung von Familien, Ablehnung der „Frühsexualisierung von Kindern und Jugendlichen“, Rückkehr zur Kernenergie, eine „bezahlbare Energiepolitik“.

Es sind Forderungen, die nahezu deckungsgleich mit denen des „Bündnis Deutschland“ sind, einer Partei, die im November 2022 gegründet wurde und die sich ebenfalls als Sammelbecken konservativer Kräfte links von der AfD versteht. Dort hatte man gehofft, die Werteunion absorbieren zu können und ist entsprechend „nicht glücklich“ über die Pläne der Werteunion, räumt Markus Scheer ein, der Initiator vom „Bündnis Deutschland“. Strategisch sei die Neugründung der falsche Weg. „Da standen wohl die Egos im Vordergrund.“

Ich halte nichts von der Brandmauer. Nach links ist sie schon lange eingerissen worden
Simone Baum - Landesvorsitzende der Werteunion

Nach rechts gibt Baum offen. „Ich halte nichts von der Brandmauer. Nach links ist sie schon lange eingerissen worden.“ In der AfD gebe es „vernünftige und moderate Leute“ wie den NRW-Landesvorsitzenden Martin Vincentz. Überhaupt sei es „nicht verwunderlich, dass sich Teile der Bevölkerung radikalisieren“, wenn „nur Politik für Minderheiten gemacht“ werde. Vereinzelt habe man bereits AfD-Leute als außerordentliche Mitglieder in die Werteunion aufgenommen.

Sympathien hat Baum auch für die früherer Linken-Politikern Sahra Wagenknecht, die jetzt mit einem eigenen Bündnis zu Wahlen antreten will. Die ehemalige Spitzenkandidatin der Linkspartei mache „punktuell sehr gute Aussagen, etwa zur Migrations- oder Wirtschaftspolitik“.

Angeblich schneller Zuwachs an Mitgliedern

Von den Mitgliedern in ihrem Landesverband, erhalte sie „überwiegend positive Rückmeldungen“ zu den Parteigründungsplänen, betont Baum. Nach der Bekanntgabe der Pläne sei die Zahl der Mitglieder von rund 900 auf über 1000 gestiegen. „Der Westen wacht langsam auf. Die Leute wollen eine vernünftige Politik für Deutschland.“

In der CDU lösen die ambitionierten Pläne wenig Unruhe aus. Offiziell wollte sich aus der Partei am Sonntag niemand äußern, aber die Werteunion sei ohnehin nie ein Teil der CDU gewesen, heißt es. Die neue Partei könne allenfalls zulasten der AfD gehen.