Kalkar-Appeldorn. Können Sie sich vorstellen, ein Fünf-Gang-Menü im Wald serviert zu bekommen? Oder destilliertes Heu zu essen? „Regiotables“ macht das.
Christian Krüger ist mehrfach ausgezeichneter Sternekoch - und Erfinder des „Regiotable“. Das heißt: Gekocht wird auf hohem Niveau - und alles, wirklich alles, was auf den Tisch kommt, ist niederrheinisch. Können Sie sich vorstellen, ein Fünf-Gang-Menü im Wald serviert zu bekommen? Oder in einem Kuhstall? Oder destilliertes Heu zu essen? Wer sich von Christian Krüger bekochen lässt, sollte darauf vorbereitet sein. Zwar erfindet der Küchenmeister das Rad nicht neu, kocht dafür aber himmlisch Leckeres mit allem, was die Region hergibt.
Gourmet-Reise durch Gärten, Ställe und Felder
Gemeinsam mit Ehefrau Swetlana hat er den „Regiotable“ ins Leben gerufen und möchte mit diesem ungewöhnlichen Angebot den Niederrhein als kulinarisches Highlight in Szene setzen. Im zu Ende gehenden Jahr haben die beiden ihre Küchenkunst auf acht Biohöfen überall am Niederrhein präsentiert – in einer Art mobilem Restaurant auf Zeit – und jeweils 20 Gäste zu einer Gourmet-Reise durch Gärten, Ställe, Wiesen und Felder eingeladen. Vom Apéritif bis zum Dessert ist alles, was auf den Tisch kommt, garantiert hier gewachsen, gezogen und geerntet worden.
Kaviar aus Senfkörnern
Das Konzept geht 2024 in die nächste Runde. „Ich gehe auf die Höfe und koche mit dem, was mir die Region bietet“, erklärt Christian Krüger seine Idee. Und er geht noch weiter: Alles, aber wirklich alles, was auf den Regiotable kommt, ist sozusagen made am Niederrhein. Sei es das Geschirr – das in Kalkar getöpfert wurde – oder der Kaviar. Weil es hier bei uns nun mal keine See gibt, stellt Krüger ihn eben aus Senfkörnern genauso selber her wie die Butter. „Ich habe hier niemanden gefunden, der sie vor Ort herstellt“, sagt er dazu.
Er verfolgt seinen Plan mit großer Konsequenz. So wird auch nicht mit Strom oder Gas, sondern auf Feuerbasis im Sterne-Bereich gekocht – und gegessen dort, wo man damit eigentlich nicht rechnet, von wo aber alles stammt, dass Krüger für seine Gerichte braucht. Immer steht ein Thema über der jeweiligen Veranstaltung. So ging es beim Essen auf dem Schauhof in Willich um fermentiertes Brot, das Krüger ins Menü hat einfließen lassen. Im Kalkarer Landhaus Beckmann wurde auf veganer Grundlage gekocht.
Es gilt das Gebot der Nachhaltigkeit
Die Herstellung seiner Lebensmittel folgt dem Gebot der Nachhaltigkeit, auch wenn der 43-Jährige den Begriff inzwischen für „doch sehr strapaziert“ hält. „Ich bevorzuge für das, was ich mache eher den Ausdruck Kreativität“, sagt Krüger. Davon scheint er jede Menge zu besitzen. Alles hier ist selbst gemacht und zu Ende gedacht.
Basis für das, was bei Krügers auf den Tisch kommt, ist ein Mix aus Eingemachtem, Fermentiertem und Frischem. Einfach alles wird verarbeitet und aufgewertet in seiner „Sterne-Resteküche“, in der es gar keine Reste gibt. Denn der Koch nutzt selbstverständlich den kompletten Blumenkohl, nicht nur die Röschen. Eine Zwiebelschale könne man wunderbar crunchen oder sie als Dessert verwenden, findet Krüger. Würfelchen aus Topinambur werden wie Pommes frittiert, ihre gekochten und getrockneten Schalen schmecken wie Kartoffelchips. Das Öl eingelegter Kerne von selbst geernteten Aprikosen oder Zwetschgen duftet am Ende nach aus Mandeln gemachtem Amaretto. Eine Sojasoße setzt er auf Basis von Kichererbsen an.
Chips aus Topinambur
Vor zweieinhalb Jahren ist er mit seiner Familie nach Kalkar-Appeldorn gezogen, hat einen Hof aus dem 19. Jahrhundert von Grund auf saniert. Hier ist seitdem auch die eigene Demeter-Imkerei zu Hause. Klingt überraschend, für Krüger aber sind die Produkte der Bienen für ihn eine Lösung zur Vermeidung von Plastikmüll: Er nutzt das weiche Wachs, um Fleisch „hindurchzuziehen“. „So können wir es über Nacht garen“, erklärt er die nächste ungewöhnliche Idee. Dass er auch den Honig seiner Bienen für seine Vorstellung vom Kochen nutzt, erklärt sich quasi von selbst.
Für das vegetarisches Weihnachtsmenü hat er sich schon für die Vorspeise etwas Besonderes einfallen lassen: Nach und nach landen eine Creme aus Topinambur und Zwiebelcreme auf dem Teller.
Quittengelee mit Sonnenblumenkernen
Es folgt Quittengelee mit Sonnenblumenkernen, eine Vinaigrette aus Ziegenmilch vom drei Kilometer entfernten Nachbarhof. Dass die kleinen Buchenpilze und die frischen Wildkräuter gerade erst geerntet wurden – geschenkt. Als dann noch der Senfkaviar angerichtet ist, begleitet von hübsch dekorierten Würfeln und Chips aus Topinambur mit etwas Kräuteröl, steht einer Kostprobe nichts mehr im Weg. „So könnte auch der erste Gang aussehen, den es bei Regiotable zu essen gibt“, so Krüger. „Folgen könnten zum Beispiel Pilze oder Hühnerstall, also Stroh und Heu destilliert und in eine Creme gesetzt.“
Wer an einem der Regiotables Platz nehmen möchte, kann sich unter regiotable.de informieren und anmelden. Christian und Swetlana Krüger bitten ab Januar wieder an den unterschiedlichsten Orten am Niederrhein zu Tisch.