Kevelaer. Das Krippenspiel ist weit über Kevelaer hinaus bekannt. Nicht nur wegen Esel Hermann, der schon für so manche Überraschung gesorgt hat.

Um 12.57 Uhr schaut die erste Besucherin schon neugierig durchs Tor, aber nein, etwas Geduld braucht sie noch. Dann aber, drei Minuten später, darf sie endlich den Kinderwagen ins Forum Pax Christi, oder besser, in die Weihnachtswunderwelt schieben. Gemütliche Holzhütten wechseln sich mit prächtigen Tannenbäumen ab, überall hängen funkelnde Lichterketten und mittendrin steht eine lebensgroße Krippe. Bei einem solchen Anblick kommt doch besinnliche Adventsstimmung auf! Zumindest, bis ein lautes „Iaah, Iaah“ ertönt. Karl Timmermann lacht. „Ja, das gehört eben dazu“, sagt er. „Und Esel Hermann ist schon seit zig Jahren dabei.“ Genauer gesagt, seit die lebendige Krippe noch lebendiger wurde.

Der Krippenmarkt ist ein Publikumsmagnet, das weiß der Kevelaerer nur allzu gut, und auch die Krippe war schon immer ein Hingucker. Doch als er, „um 2008 rum“, in Andernach ein Krippenspiel sah, „mit Darstellern in aufwendigen Kostümen“, dachte er sich: „Das wäre doch auch was für Kevelaer!“ Voller Enthusiasmus trug er seine Idee im Priesterhaus, dem Sitz der Wallfahrtsleitung, vor und erhielt als Antwort ein... „Nein.“ Die Sorge: Der Krippenmarkt könnte zu kommerziell werden. So ganz ließ ihn die Vorstellung von einem musikalischen Krippenspiel mit echten Menschen aber nicht los, deshalb probierte er es später, beim Nachfolger des „Kirchenfürsten“, wie er ihn nennt, einfach noch einmal. Und tatsächlich, dieses Mal erhielt er die Erlaubnis.

Überraschung in der Krippe

Sofort fuhr Karl Timmermann ins Studio, die Lieder hatte der Sänger und Komponist schon im Kopf, um innerhalb weniger Stunden alles aufzunehmen. Dann, im Jahr 2009, war es so weit. An die Premiere kann er sich noch gut erinnern, natürlich, „schon bei den Proben haben alle Leute versucht, etwas zu erhaschen“, sagt er. Und der Auftritt des Theatervereins 4c? „War sagenhaft!“ Mittlerweile sind auch die Messdiener St. Marien mit dabei und, erstmals in diesem Jahr, die Lebenshilfe Gelderland. Die Proben waren deshalb etwas kniffliger als sonst, „wir mussten gucken, wie Josef im Rollstuhl zur Krippe kommt“, erzählt er. Aber am Ende haben sie eine Lösung gefunden, so wie immer, schließlich geht‘s bei einem lebendigen Krippenspiel... nunja, lebendig zu.

Noch stehen Puppen in der Kevelaerer Krippe, doch bald schlüpfen Menschen in die Rollen von Maria, Josef & Co.
Noch stehen Puppen in der Kevelaerer Krippe, doch bald schlüpfen Menschen in die Rollen von Maria, Josef & Co. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

„Hermann hat mal das, was dort vorne liegt“, Karl Timmermann zeigt auf einen Haufen im Stroh, „in die Krippe gelegt.“ Das große Geschäft hat Maria, Josef & Co. aber nicht aus dem Konzept gebracht, „sie haben eiskalt weitergespielt.“ Nur neulich, da hat sich jemand aus Versehen bei den Proben in den Mist gesetzt... Aber alles kein Problem, dann muss der Umhang eben in die Reinigung. Die anderen Kostüme hängen dagegen schon sauber und gebügelt im Altarraum, zu dem er natürlich einen Schlüssel hat. „Hier“, er hält eine Blechdose hoch, „das ist Myrrhe! Und das sind Weihrauch und Gold.“ Die Dosen können sich die drei Könige dann kurz vor der Vorführung schnappen, ebenso wie ihre Kronen.

Über Kevelaer hinaus bekannt

Das lebendige Krippenspiel im überdachten Forum Pax Christi in Kevelaer ist seit Jahren ein Publikumsmagnet.
Das lebendige Krippenspiel im überdachten Forum Pax Christi in Kevelaer ist seit Jahren ein Publikumsmagnet. © Krippenspiel

Und dort drüben, auf dem Tisch, liegen die weißen Engelsflügel! Dazu kann Karl Timmermann auch direkt etwas erzählen, denn ja, in den 14 Jahren ist schon so einiges passiert. „Als mal ein Engel krankheitsbedingt ausgefallen ist, wurde ein Kind aus dem Publikum gefragt, ob es spontan einspringen will.“ Das ist keine allzu schwere Aufgabe, die Freude bei dem Kind – „und der Mutter“, fügt er hinzu – war aber riesig. Denn, auch das kann er nun sagen, „die Leute reisen von überall an, um das Krippenspiel zu sehen.“ Aus den Niederlanden, dem Ruhrgebiet oder auch aus Süddeutschland. Erst vergangene Woche hat ihm eine Besucherin verraten: „Ich komme jedes Jahr und erst wenn ich das Krippenspiel gesehen habe, kann ich Weihnachten feiern.“

Krippenspiel in Kevelaer

Die ehrenamtlichen Schauspielerinnen und Schauspieler der Messdiener St. Marien und des Theatervereins 4c e. V. wechseln sich beim Krippenspiel im überdachten Forum Pax Christi ab.

Aufführungen finden samstags und sonntags jeweils von 15.45 bis 16.15 Uhr sowie von 16.30 bis 17 Uhr statt. Die Lebenshilfe Gelderland gestaltet das Krippenspiel immer mittwochs von 15 bis 15.30 Uhr.

Der letzte Termin für das Krippenspiel ist am Mittwoch, 20. Dezember. Der Kevelaerer Krippenmarkt ist ebenfalls bis zum 20. Dezember von montags bis freitags, 13 bis 18 Uhr, sowie samstags und sonntags von 11 bis 19 Uhr geöffnet.

Am Sonntag, 10. Dezember, stehen mit „Zauberhaftes Kevelaer“ zahlreiche Auftritte rund um Magie, Zauberei und Fantasie an. Außerdem tritt ab 18.45 Uhr der Musiker Gerrit Quade auf dem Kapellenplatz auf.

Bevor bei Karl Timmermann jedoch Weihnachtsstimmung aufkommt, muss er erst noch einige Male die Weihnachtsgeschichte vortragen. Denn genau das ist seine Aufgabe beim Krippenspiel. „Es herrscht immer eine ganz ruhige Atmosphäre“, erzählt er. „Die Leute können dadurch intensiv über die Weihnachtsgeschichte nachdenken.“ Vor allem, wenn zwischendurch immer wieder seine Lieder erklingen, von „Rheinische Weihnacht“ über „Mein Zauberstern“ bis hin zu „Stille Nacht“. „Das ist besinnliche Musik, sodass auch die Tiere entspannt bleiben.“ Damit geht‘s nun noch einmal zurück zur Krippe, wo die Schafe im Stall schlummern und die Esel langsam zum Zaun trotten. „Morgen bin ich wieder bei euch“, ruft er ihm zu. Hermanns Antwort: „Iaah.“