Monheim. Kitas an Rhein und Ruhr stecken in der Krise. Es kommt zu Schließungen und Überlastung. Die Awo will nun ein neues Arbeitszeitmodell testen.
Es ist leer auf den Gängen der Kita Grünauer Straße in Monheim – an einem Dienstagmittag mehr als ungewöhnlich. „Wasserschaden“, erklärt Kita-Leiterin Mareike Rosenow-Büch, bevor dann auch schon das Telefon wieder klingelt. An Tagen wie heute sei die Kommunikation mit den Eltern besonders wichtig. Aber wenigstens ist der Grund für die Schließung kein Personalmangel. Um den soll es aber an diesem Tag auch gehen, wenn die Arbeiterwohlfahrt (Awo) als Träger der Kita ihr neues Modellprojekt gegen die Kita-Krise vorstellt. Mit der Einführung einer Vier-Tage-Woche will die Awo neue Arbeitskräfte in den Beruf locken.
Kita-Leiterin in Monheim: „Es brennt in der Branche an allen Ecken und Enden.“
So ist die Lage an der Kita im eher wohlhabenden Monheim dramatisch. „Aktuell ist eine unserer Gruppen geschlossen, erklärt Jennifer Miehe-Gruhn, die sich mit Rosenow-Büch die Leitung der Kita an der Grünauer Straße teilt. „Es brennt in der Branche an allen Ecken und Enden“, betont auch Rosenow-Büch. Grund dafür: Personalmangel. Eigentlich könne man 110 Kinder betreuen, aktuell seien es nur 78. Nur so könne man weiterhin die Betreuungszeiten von 7 bis 16 Uhr an Wochentagen sicherstellen und selbst das sei nicht immer möglich – gerade jetzt im Herbst wo die Zahl der Krankheitsfälle steigt.
„Es ist ja nicht so, dass es immer weniger Fachkräfte gibt“, kommt Andrea Krolzig, Abteilungsleiterin Kitas beim Awo-Bezirksverband Niederrhein, direkt zum Kern des Problems, „aber der Bedarf ist in einem Maße gestiegen, der nicht mehr erfüllt werden kann.“ Der Rechtsanspruch für Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren, hatte sein Übriges getan, um die Lage zu verschärfen. Dazu kämen mehr Aufgaben und höhere Ansprüche, denen sich Fachkräfte zusätzlich stellen müssten.
„Wir haben gemerkt, wir müssen alte Konzepte in unserer Arbeit neu denken“, so Krolzig. So auch die Arbeitszeit. „Früher wäre es undenkbar gewesen, dass eine Kita-Leitung in Teilzeitbeschäftigung arbeitet. Heute haben wir Einrichtungen, wo es mehr Teilzeiter gibt als Leute in Vollzeitbeschäftigung.“ Positive Ergebnisse bei der Einführung einer Vier-Tage-Woche in anderen Branchen hätte dann den Ausschlag gegeben, das Ganze dann auch in zwei Kitas in Monheim zu testen – neben der Kita Grünauer Straße ist auch die Tagesstätte Kunterbunt dabei.
Hilft Vier-Tage-Woche in der Kita-Krise? Ergebnis ist noch offen
„Das Ganze ist ein Test, bei dem wir noch nicht wissen können, was das Ergebnis sein wird“, erklärt Jürgen Otto, Vorstand des Awo-Bezirksverbandes Niederrhein. „Wir glauben aber, dass es viele Menschen gibt, die aus verschiedensten Gründen nicht an fünf Tagen die Woche arbeiten können. Manche pflegen zum Beispiel Angehörige“, sagt er. Ihnen wolle man den Einstieg in den Beruf erleichtern. Gleichzeitig wolle man aber auch den den aktuell beschäftigten etwas bieten. Zusatzkosten entständen für den Träger durch das neue Modell nicht.
Die beiden Kita-Leiterinnen arbeiten auch beide bereits in einem Vier-Tages-Modell. Was das für den Arbeitsalltag bedeutet? „Mehr Kommunikation, mehr Planung und Absprachen“, so Rosenow-Büch. Aber dafür einen Tag mehr frei. „Wir haben beide jeweils drei Kinder“, fügt sie an und lacht. Miehe-Gruhn ergänzt: „Man hat die Möglichkeit für mehr Freizeit, für Sport. Aber auch einfach für den Zahnarzttermin, den man nicht vor oder nach die Arbeit legen muss.“ Bei bisherigen Gesprächen sei aber auch deutlich geworden, dass nicht alle der aktuellen Mitarbeiter auf das neue Modell umsteigen wollen. „Viele der Betreuer sind seit Jahren hier, da spürt man die Verantwortung und will als Ansprechpartner vor Ort sein“, so Miehe-Gruhn. Aber gerade jüngere Kollegen hätten Interesse gezeigt.
Modell für Vier-Tage-Woche in Kita: Selbe Stunden, weniger Tage
Wie genau die Lösung an der Kita in Monheim also aussehen? „Die Mitarbeiter arbeiten weiterhin ihre volle Stundenanzahl“, stellt Jürgen Otto klar, „die wird sich dann allerdings auf vier Tage verteilen.“ Die Awo, führt er weiter aus, wolle den Mitarbeitern keinen Verdienstausfall aufgrund geringerer Arbeitszeiten zumuten. Man denke auch nicht, dass dies gewünscht sei. „Wir glauben die Flexibilität ist attraktiv gerade für jüngere Arbeitnehmer und ältere Mitarbeiter freuen sich über den zusätzlichen Tag, um sich erholen zu können“, so Otto. Denn gerade die Dauerbelastung könne zu einem ungesunden Teufelskreis werden.
Von Seite der Eltern wird die Idee positiv aufgenommen. So sagt die Sprecherin des Elternbeirates der Kita Iman Habibi: „Ich persönlich finde es eine gute Idee, dass neue Wege ausprobiert werden, um dringend benötigte Fachkräfte zu gewinnen.“ Die Erfahrungen, die sie bisher mit ihrer Tochter in der Kita gemacht hätte, seien bisher durchweg positiv gewesen, jedoch merke man die große Arbeitsbelastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Fachkräfte-Mangel in Kitas: Neue Stellenangebote mit Vier-Tage-Woche
Kita-Leiterin Rosenow-Büch beruhigt auch in Bezug auf die Befürchtung, dass durch die Neuregelung feste Ansprechpartner fehlen könnten. „Für alle Kinder gibt es eine Bezugsperson“, betont sie. Außerdem sei die Kita allgemein sehr offen organisiert, sodass die Kinder zwischen den verschiedenen „Bildungsräumen“ wechseln könnten.
Wird die Vier-Tage-Woche also die Kita-Krise bekämpfen? Die Verantwortlich sind positiv gestimmt, bleiben aber realistisch. „Natürlich ist das neue Modell nicht die Lösung für alles, aber eben ein Baustein, auf den wir setzen wollen“, erklärt Jürgen Otto. Daher soll, wenn ab November neue Stellen ausgeschrieben werden, auch gezielt damit geworben werden, damit das Pilotprojekt im nächsten Jahr gut anlaufen kann. „Was dann Ende 2024 rauskommt, werden wir dann sehen.“