Duisburg. „Die Schallplatte“ in Duisburg ist der älteste Plattenladen Deutschlands. Wie es dazu kam und was der „Plattenpapst“ damit zu tun hat.
Noch ist es dunkel, noch ist es leise in der „Schallplatte“. Wobei, nicht ganz… Aus dem kleinen Nebenraum erklingen zwei Stimmen, die angeregt diskutieren. „Wir sind hier am Malochen“, erklärt kurz darauf Wolfgang Hoffmeister, der eigentlich nur „Wolf“ genannt wird. Er, mit auffälligem Cowboyhut, ist der Chef. Und neben ihm, mit langen Haaren, steht sein Mitarbeiter Rolf Kowalski, auch bekannt als „der Plattenpapst“. Zusammen sind sie ein gutes Team, sagen sie selbst, und das müssen sie auch sein – im ältesten Plattenladen Deutschlands.
Doch nun geht’s schnell rüber, zum Hauptraum. Licht an, Musik ab. Was läuft? „Forever Changes von Love“, antwortet Rolf. „Das ist eine sehr schöne psychedelische Platte.“ Und damit perfekt für ein Gespräch über die Liebe zur Musik, die Faszination für Vinyl und die Anfänge eines Kultgeschäfts… „Herr Haunzwickl hat 1954 den Laden auf dem Sonnenwall eröffnet“, erzählt Wolf. Genauer gesagt am 11. September 1954, wie ein Plakat dort drüben, er zeigt nach hinten, verrät. Und hier vorne, gegenüber der Kasse, hängt ein Bild des Gründers, direkt über einem Portrait seines Nachfolgers.
Bis zu 10.000 Platten
„Herr Seehöfer hatte als Laufbursche angefangen und sich dann zur Koryphäe entwickelt“, weiß Wolf. Wenn die Leute mit einem bestimmten Lied im Kopf vorbeikamen, ohne allerdings Titel oder Band zu kennen, „dann konnte er anhand ihres Summens jeden Song erkennen“. In den 1970ern übernahm er die „Schallplatte“ und stellte eines Tages, vor gut 15 Jahren, Rolf ein. „Ich bin leidenschaftlicher Sammler“, betont dieser. Los ging’s mit 14 Jahren, jetzt ist er 58 – „da kann man sich vorstellen, wie es bei mir zuhause aussieht“, sagt er und lacht. „Ähnlich wie hier.“
Und das soll schon etwas heißen. Bis zu 10.000 Platten stapeln sich in dem schlauchförmigen und alles andere als großen Laden, der erst seit drei Jahren am Pulverweg zu finden ist. Der Grund: „Nach dem Tod von Reiner Seehöfer hat Thomas Fenn ihn weitergeführt, der ihn dann irgendwann aufgeben wollte“, erzählt Wolf. Nun wohnt er selbst seit 45 Jahren in einem Haus, in dem sich auch ein Ladenlokal befindet. Vieles gab’s hier schon, vom Antiquariat über Secondhand bis hin zu Ausstellungen, wieso also nicht auch einen Plattenladen?
Beratung vom Plattenpapst
Die Übernahme konnte jedoch nur unter zwei Voraussetzungen klappen. Da wäre zum einen die alte Telefonnummer, die Wolf übernehmen konnte. Denn ja, viele Kundinnen und Kunden rufen immer noch an, um nach den Neuerscheinungen ihrer Lieblingsband zu fragen. Und da wäre zum anderen, nicht zu unterschätzen, Rolf, der auch weiterhin im Laden arbeiten sollte. „Ohne ihn würde das nicht laufen“, ist sich sein Chef sicher. Denn klar, Platten gibt’s auch in den großen Elektrofachgeschäften, „aber da bekommste keine Beratung!“ Und vor allem nicht vom Plattenpapst.
Er kennt sie alle, zumindest fast, kann zu so ziemlich jedem Album etwas sagen und, auch das kommt vor, rät manchmal sogar vom Kauf ab. Weil eine andere Platte doch viel besser ist! „Die meisten wissen aber genau, was sie wollen“, sagt er. Das finden sie dann sofort im Laden oder aber Rolf kümmert sich drum. „Was man nicht kriegt, besorge ich“, lautet sein Motto. „Wir wollen hier ja jeden zufrieden stellen.“ Deshalb kann er auch, wie schon sein Mentor damals, ein gesummtes Lied sofort erkennen und lässt sich selbst von einem „Bob Deilon“ nicht abschrecken – sondern zieht schnell eine Platte von Bob Dylan hervor.
Weltweiter Verkauf übers Internet
Aber wer geht denn überhaupt heutzutage noch in einen Plattenladen? Die ältere Generation, klar, „aber wir haben auch ein blutjunges Publikum“, sagt Wolf. Manchmal kommen 16-Jährige vorbei, die Papas Plattenspieler mal ausprobieren möchten. „Meistens suchen sie sich dann die Klassiker aus den 1970ern raus.“ Santana, Pink Floyd, The Doors… Letztere ist übrigens die absolute Lieblingsband des Plattenpapstes, auch wenn er keine spezielle Lieblingsplatte hat. „Die mag ich von vorne bis hinten – das Psychedelische genauso wie das Bluesige und selbst das Orechstrale.“ Da spricht der Kenner.
Doch so gern die beiden im Laden mit ihren Kundinnen und Kunden plaudern, um anschließend aus einem der vollen Regale die passende Platte zu finden, wissen sie auch: „Ohne das Internet geht’s nicht.“ Über Discogs, „dem ebay für Schallplatten“, verkaufen sie Platten bis nach Amerika, Südkorea, Australien… Die Teuerste? „The Man Who Sold the World“ von David Bowie. „Im Laden wollte die niemand für 100 Euro haben“, erzählt Wolf, „über Discogs ging sie dann weg für 950 Euro.“ Weil das „Round Cover“ eine echte Rarität war.
Musik genießen – nur mit Vinyl
Doch auch deutlich Günstigeres ist in der „Schallplatte“ zu finden… Im Hauptraum geht’s ab zehn Euro los, wobei der Schwerpunkt hier vor allem auf Heavy Metal, Krautrock, Rockpop und Jazz liegt. Drüben, im Nebenraum, starten die Preise schon ab drei Euro, dafür gibt’s dann eher die Klassiker wie von Elton John, Johnny Cash oder den Beatles. „Und bald starten wir mit einer neuen Aktion", verrät Wolf, „dann verkaufen wir vieles für einen Euro.“ Bei den Vorbereitungen sind sich die beiden jedoch nicht immer ganz einig, welche Platte denn nun wirklich auf den Ein-Euro-Stapel gehört…
Und bevor sie weiter diskutieren, natürlich immer gut gelaunt – anders geht’s auch nicht, wenn Musik von „Love“ läuft –, noch eine letzte Frage: Wieso ist die Schallplatte immer noch ein Hit? „Der Sound ist ein anderer“, sagt Wolf. „Wenn man Musik wirklich genießen möchte, dann hört man Vinyl.“ Also werden die Leute auch in Zukunft noch Platten hören? Da brauchen die beiden, der Chef und der Papst, keine Sekunde zu überlegen: „Ja!“
>>> Die Schallplatte in Duisburg
Die Schallplatte feiert bald Geburtstag! Im nächsten Jahr wird der älteste Plattenladen Deutschlands, zu finden am Pulverweg 33 in der Duisburger Innenstadt, 70 Jahre alt.
Neben Schallplatten und CDs – als Neu- und Gebrauchtware – gibt’s auch Nadeln für Plattenspieler sowie Reinigungs- und Pflegeprodukte rund um Vinyl.
Geöffnet ist mittwochs bis freitags von 12.30 bis 18 Uhr sowie samstags von 11.30 bis 15 Uhr. Kontakt: 0203/22633 oder per E-Mail an schallplatte@mail.de. Infos: www.schallplatte.org