Aus den Niederlanden. Am 22. November gibt es Neuwahlen in den Niederlanden. Die Parteien machen sich bereit. Wer ins Rennen um die Regierungsspitze in Den Haag geht.
Das Nachbarland von NRW steht vor einem politischen Neuanfang: Nachdem die Regierung von Premier Mark Rutte im Juli im Streit über die Migrationspolitik zerbrochen ist und Rutte seinen Rücktritt ankündigte, mussten sich die meisten Parteien ganz unerwartet neu sortieren und für die vorgezogenen Wahlen am 22. November schnellstmöglich in den Wahlkampfmodus umschalten.
Bei vielen Parteien stehen die Spitzenkandidatinnen und Kandidaten bereits fest, darunter auch jene der gescheiterten aktuellen Regierung. Sie gehen allesamt mit „neuen“ Gesichtern ins Rennen, die nicht nur der Ministerriege entstammen. Auch die Opposition ist in großen Teilen startklar. Eine Übersicht des Spitzenpersonals:
Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD): Dilan Yeşilgöz-Zegerius
„Ich bin bereit, unser Land noch stärker und widerstandsfähiger zu machen“, sagt Justizministerin Dilan Yeşilgöz-Zegerius zu ihrer Position als neue Parteichefin und Spitzenkandidatin der größten Regierungspartei VVD. Die Tochter eines türkisch-kurdischen Menschenrechtsaktivisten, die als Kind mit ihrer Familie in den Niederlanden Asyl erhalten hatte und einst politisch links aktiv war, war für die zunehmend härtere Asylpolitik verantwortlich.
Die 46-Jährige sorgte ferner mit der Stellungnahme für Aufsehen, dass sie eine Koalition mit Geert Wilders’ rechtspopulistischer PVV nicht ablehnen würde. Das Land hatte noch keine Frau als Regierungschefin oder Politiker mit Migrationshintergrund an der Spitze. Das könnte sich bei entsprechenden Ergebnissen im November ändern.
Democraten 66 (D66): Rob Jetten
Unter dem Motto „Zeit für eine neue Generation“ geht Klima- und Energieminister Rob Jetten für die zweitstärkste Parlamentsfraktion und Koalitionspartnerin, die linksliberale D66, im November an den Start. Aufgewachsen in Nordbrabant, ging es für Jetten nach dem Studium in Nimwegen über den niederländischen Eisenbahn-Infrastrukturbetreiber „Pro Rail“ in die Politik.
Jetten verfolgt bei den Themen Klima- und Stickstoffkrise einen vergleichsweise schnellen und strengen Kurs – sagte aber auch zuletzt gegenüber niederländischen Medien, dass es nicht richtig sei, Menschen mit „Predigten“ über die Klimakrise „Angst einzujagen“. Stattdessen plädiert er fürs Handeln und gute Lösungsansätze. Dabei spricht er sich auch für Kernenergie aus.
Christen-Democratisch Appèl (CDA): Henri Bontenbal
Auch die niederländischen Christdemokraten hoffen mit einem neuen Gesicht auf Aufwind: Henri Bontenbal ist Spitzenkandidat des CDA, die Teil der gescheiterten Regierungskoalition ist. Er steht eigenen Angaben zufolge für eine „anständige Niederlande“ und eine „realistisches Klima- und Energiepolitik“, die bezahlbar sein müsse. „Durch meinen eigenen Hintergrund verstehe ich vielleicht besser, wie sich die Politik für Menschen mit einem geringem Einkommen auswirkt“, so Bontenbal, der mit sieben Geschwistern aufwuchs.
Christen Unie (CU): Mirjam Bikker
Die ebenfalls christlichdemokratische Koalitionspartnerin CU setzt bei den Neuwahlen auf Mirjam Bikker. Die schließt im Vergleich zu Dilan Yeşilgöz-Zegerius eine Koalition mit rechten Parteien kategorisch aus. Ob ihre Partei eine erneute Regierungsbeteiligung anstrebe, ließ die Juristin aus Gouda bislang offen.
Partij voor de Vrijheid (PVV): Geert Wilders
Spitzenkandidat der rechtspopulistischen PVV bleibt deren Vorsitzender Geert Wilders aus Venlo. Die PVV ist aktuell drittstärkste Kraft im Parlament in Den Haag. Wilders sprach in den sozialen Medien angesichts Yeşilgöz-Zegerius’ Offenheit für eine Zusammenarbeit von einer „guten Nachricht“.
Premier Rutte selbst war 2010 mit der Unterstützung von Wilders Fraktion erstmals Regierungschef geworden. Ob sich Wilders nun an einer Koalition beteiligen kann, müssen die Wahlergebnisse im November und folgenden Verhandlungen zeigen.
Nieuw Sociaal Contract: Pieter Omtzigt
Keine drei Monate vor der vorgezogenen Parlamentswahl wirbelt der populäre Konservative Pieter Omtzigt aus Enschede den Wahlkampf mit der Gründung seiner Partei „Nieuw Sociaal Contract“, zu Deutsch „Neuer Gesellschaftsvertrag“, auf. Bis 2021 war er Mitglied des CDA.
Eine Umfrage hatte Ende Juli ergeben, dass er die Neuwahlen mit einer eigenen Partei gewinnen könnte. Der Ökonom hatte sich einen Ruf als integrer Politiker erworben. Er trug zur Aufdeckung eines Skandals um Kinderbeihilfen bei, der Anfang 2021 zum Rücktritt der Regierung Rutte geführt hatte.
BoerBurgerBeweging (BBB): Mona Keijzer
Hatte BBB-Frontfrau Caroline van der Plas ihre Partei bei den Provinzwahlen im März zu einem fulminanten Sieg geführt, so lehnte sie eine Spitzenkandidatur für die Neuwahlen im November schon ab. Diesen Posten übernimmt nun Mona Keijzer,, bekannte ehemalige CDA-Politikerin aus Nordholland.
Die vormalige Staatssekretärin für Wirtschaft und Klima wechselte in diesem Jahr zur BBB. Die Partei hofft, den Wahlerfolg im März nun auch im November wiederholen zu können. Die BBB gilt als Protestpartei, die zuletzt vor allem die Unzufriedenheit rund um strengere Stickstoff- und Klimaregeln und der Rutte-Regierung punkten konnte.
Partij van de Arbeid (PvdA) und GroenLinks: Frans Timmermans
Mit einem erstmals gemeinsamen linken Bündnis und dem ehemalige Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, rechnen sich die niederländischen Grünen und Sozialdemokrat:innen gute Chancen bei den Neuwahlen aus.
Timmermans hatte angekündigt, die Kommission verlassen zu wollen und in seine Heimat zurückzukehren. Der bekannte Sozialdemokrat war seit fast zehn Jahren in Brüssel und zuvor Außenminister seines Heimatlandes. Die gemeinsame linke Liste setzt auf seine Bekanntheit – um es bestenfalls aus der Opposition zu schaffen.
Socialistische Partij (SP): Lilian Marijnissen
Lilian Marijnissen bleibt Spitzenkandidatin der niederländischen Linken. Ihre Oppositionspartei fokussiert sich auf Themen wie Lohngerechtigkeit, Wohnungsnot und den Pflegenotstand. Marijnissen, für die sich die Politik „vor allem auf der Straße“ abspiele, arbeitete zuvor für die größte Gewerkschaft der Niederlande. (mit dpa)