Am Niederrhein. Die Hyperinflation im Jahr 1923 haben auch die Menschen am Niederrhein zu spüren bekommen. Eine Übergangswährung sollte schnell Abhilfe schaffen.
Der Erste Weltkrieg endete aus deutscher Sicht 1918 bekanntlich mit einer Niederlage. Zwar gab es kaum Zerstörungen im Lande, aber mit Kapitulation und Revolution war eine gesellschaftliche Veränderung vom Kaiserreich zur Republik einhergegangen, mit der die bisherigen Eliten mindestens fremdelten, sie meistens sogar offen bekämpften. Auch die Umstellung von einer verknappten Kriegs- auf eine konsumorientierte Friedenswirtschaft war nicht einfach zu bewerkstelligen und erschwerte zusätzlich die Ausgangslage der neuen Demokratie.
Viele hatten während des Waffengangs Kriegsanleihen gezeichnet und waren damit eine Wette auf den Sieg und anschließende reichliche Ausschüttung durch Reparationszahlungen eingegangen. Jetzt mussten sie aber erschrocken feststellen, dass sie ein Verlustgeschäft gemacht hatten. Statt Reparationen zu erhalten, musste Deutschland nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags selbst Wiedergutmachung leisten. Auf 132 Milliarden Goldmark belief sich die Summe, die unter den genannten Umständen kaum aufzubringen war.
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Die Vermehrung der Geldmenge durch den Druck zusätzlicher Banknoten war keine brauchbare Lösung, da der Wert des Geldes entsprechend sank. Die eigentlich an der Goldmark orientierte Papiermark verlor zunehmend an Wert und Vertrauen. Das Verhältnis zur Leitwährung des Dollars veranschaulicht den anfänglich langsamen, dann rasend schnellen Verfall: Vor dem Krieg lag der Wechselkurs für einen US-Dollar bei etwa 4,20 Mark, im Januar 1920 bei etwas über 42 Mark und im Januar 1923 bereits bei fast 50.000 Mark.
Niederländische Gulden waren am Niederrhein ein anerkanntes Zahlungsmittel
Am Niederrhein gab es noch eine weitere Ersatzwährung, die durch den Verfall der Mark Bedeutung erhielt: Die Nähe zur niederländischen Grenze ließ den Gulden zu einem anerkannten Zahlungsmittel werden. Da in den Niederlanden recht viele Deutsche Arbeit fanden und sich dort niederließen, um anschließend Geld nach Hause zu schicken, waren auch beträchtliche Mengen Gulden im Umlauf. Anfang 1923 hatten belgische und französische Truppen Teile des Niederrheins und des Ruhrgebiets besetzt, um ausstehende Lieferungen von Kohle und Holz zu erwirken.
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Die Reichsregierung rief zum passiven Widerstand in den besetzten Gebieten auf, um gegen dieses Vorgehen massiv zu protestieren und eine weitere Erhöhung der Liefermengen zu verhindern. Diese Konfrontation beschleunigte die Inflation und führte zu einem immer schnelleren Verfall des Geldes. Sobald die Menschen Geld erhalten hatten, waren sie bestrebt, Bargeld sofort in Sachwerte umzusetzen.
Niemand konnte sicher sein, ob das Geld in den nächsten Wochen, Tagen oder gar Stunden noch seinen Gegenwert hatte. Oder es wurde gleich getauscht – hauptsächlich in Naturalien und Lebensmitteln. Je schneller das Geld wertlos wurde, desto höher wurden die Beträge auf den Geldscheinen. Und da die offiziellen Stellen mit einer kontinuierlichen Versorgung an Zahlungsmitteln vollständig überfordert waren, kam das sogenannte Notgeld in Umlauf.
Landkreise, Städte und Unternehmen konnten mit Genehmigung des Reichsfinanzministeriums nun eigenes Geld drucken – man schätzt, dass über 130 Fremdfirmen allein hierfür im Einsatz waren. Den weiteren Preisverfall konnte diese Maßnahme aber nicht aufhalten. Im Gegenteil: Der immer umfangreicher werdenden Geldmenge standen weder Sachwerte in entsprechender Größenordnung noch ausreichende Konsummöglichkeiten gegenüber. Besonders im Sommer und Herbst 1923 schien es daher kein Halten mehr zu geben.
Im Juni kostete ein Kilo Kartoffeln etwa 5000 Mark, im November unfassbare 90 Milliarden. Der Dollar notierte nun schon bei 4,2 Billionen Mark. Gleichzeitig wurde fieberhaft an einer Stabilisierung der Währung gearbeitet. Wegen der außenpolitisch weiterhin brisanten Situation war an eine Beschaffung von ausländischem Kapital nicht zu denken. Die Deckung musste also durch die Belastung inländischer Sachwerte erreicht werden.
Einführung der Rentenmark ab November 1923
Schließlich wurde mit der Einführung der sogenannten Rentenmark ab dem 15. November 1923 ein erfolgreicher Weg zur Konsolidierung eingeschlagen. Die Träger der Rentenbank aus Wirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie verpfändeten einen Teil ihres Besitzes als Grundschuld und hafteten so mit einem Teil ihres Vermögens für die neue Währung. Dies erzeugte das notwendige Vertrauen für das frische Zahlungsmittel.
Gleichzeitig wurden eine Korrektur des Kurses im Verhältnis 1 Billion Mark zu 1 Rentenmark durchgeführt und insbesondere die staatliche Refinanzierung mithilfe der Notenpresse beendet. Damit wurde der Fall der Mark ins Bodenlose endgültig aufgehalten.
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