Aus der Grenzregion. Der Aus für der niederländischen Premier Rutte beschäftigt auch Politik und Wirtschaft in NRW. Ausblick trotz möglichem Rechtsruck optimistisch.
Die politischen Geschehnisse der vergangenen Tage haben nicht nur die Niederlande erschüttert. Der Zerfall der Regierungskoalition in Den Haag und der überraschend angekündigte Rückzug von Ministerpräsident Mark Rutte lassen Politik und Wirtschaft NRW als direkten Nachbarn natürlich nicht kalt.
Immerhin sind Deutschland und die Niederlande international aufeinander angewiesen, die Zusammenarbeit insbesondere zwischen Düsseldorf und Den Haag eng. „Ministerpräsident Mark Rutte steht wie kein Zweiter für die guten und vertrauensvollen Beziehungen“, so NRW-Europaminister Nathanael Liminski (CDU). „Ihm war die gute Zusammenarbeit zwischen Nachbarländern stets ein Herzensanliegen, sowohl über die Grenze hinweg als auch entlang der Grenze.“
Auswirkung auf deutsch-niederländische Zusammenarbeit
Der NRW-Minister hatte noch zwei Tage vor dem überraschenden Aus der Regierung in Den Haag zusammen mit Premier Rutte das Freiheitsmuseum in der niederländischen Grenzstadt Groesbeek eröffnet, das den Zweiten Weltkrieg grenzüberschreitend thematisiert.
„Mark Rutte hat entscheidend dazu beigetragen, dass wir unsere Zusammenarbeit so auf- und ausbauen konnten, dass sie heute anderen Grenzregionen als vorbildlich gilt“, so Liminski. Auch in der größten Not der Pandemie die Grenzen offen und damit das Vertrauen aufrecht zu erhalten, sei ohne Ruttes Einsatz kaum vorstellbar gewesen. „Ich werde seine pragmatische, aufgeschlossene und unkomplizierte Art vermissen.“
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Vergangenen Oktober war Liminski mit Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) noch beim niederländischen Premier auf Antrittsbesuch in Den Haag gewesen. Wer oder was auf Mark Rutte und seine rechtsliberale Regierung folgt, ist unklar. Unsicherheiten gibt es auch bei der Frage, welche Themen im Nachbarland bis zur Neuwahl im November noch umgesetzt werden können, was bis nach der Neuwahl warten muss – und was möglicherweise durch eine neue Regierung doch anderes als geplant angegangen wird.
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Für die Deutsch-Niederländischen Handelskammer ist das aber kein Grund zu großer Sorge. „Nach der ersten kurzen Schockstarre über den Bruch der Regierungskoalition und der Rücktrittsankündigung ist inzwischen in den Niederlanden wieder der Alltag eingekehrt“, sagt Hartmut Rosowski, Leiter der DNHK-Repräsentanz in Düsseldorf.
„Bis zu den Neuwahlen arbeitet die Regierung kommissarisch weiter. Die Wirtschaft in den Niederlanden hat den ausdrücklichen Wunsch ausgesprochen, dass wichtige auf den Weg gebrachte Gesetze in den nächsten Monaten noch durch das Parlament verabschiedet werden.“ Dazu gehöre unter anderem der Umbau der Energieinfrastruktur wie der Auf- und Ausbau von Wasserstoffleitungen zählt, den Deutschland „sicherlich aufmerksam“ verfolge.
Rechtsruck bei den Neuwahlen befürchtet
Einerseits ist vor den Neuwahlen noch alles offen – andererseits zeigt der Blick auf die politische Stimmung im Land auch, dass es in den Niederlanden eine weitere Verschiebung nach rechts geben könnte. Vor zwei Wochen lagen einer Umfrage zufolge die populistische Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) mit Ruttes VVD fast gleichauf. Bereits aus den Regionalwahlen im März ging die BBB in allen Provinzen als klare Siegerin hervor.
Natürlich muss sich dieser Trend nicht in den Parlamentswahlen im Herbst fortsetzen, Rutte wird nicht wieder antreten. „Das Wählerverhalten ist volatil und darum ist es schwer einzuschätzen, aus welchen Parteien sich die neue Regierung zusammensetzen wird“, heißt es seitens der DNHK. „Fest steht jedenfalls schon jetzt: Der politische Betrieb in Den Haag wird anders aussehen – nicht nur was die Regierungsbildung betrifft, sondern auch ganz wortwörtlich.“ Denn der Großteil der Parteien ziehe mit neuem Spitzenpersonal in den Wahlkampf.
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Das bezeichnet Hartmut Rosowski als Chance: „Frische Köpfe bedeuten frische Ideen – und das können frische Impulse für die deutsch-niederländischen Handelsbeziehungen sein.“ Das Nachbarland sei traditionell eine starke Wirtschaftsnation, weshalb man sich bei der DNHK sicher wähnt: „Auch wenn die nächste Regierung anders aussieht als in den vergangenen 13 Jahren unter Ministerpräsident Rutte, werden sich die Beziehungen nicht eintrüben.“
Auswirkung für die Grenzregion erwartet?
Sjaak Kamps von der Euregio Rhein-Waal in Kleve bemerkt aktuell ebenfalls keine großen Auswirkungen des Umbruchs in Den Haag für die Grenzregion. Es gebe keine drängenden Fragen, denen durch Neuwahlen ein Aufschub droht.
„Wir sind zwar noch weiter dran, was die Besteuerung von Grenzpendlern im Homeoffice anbelangt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das ein kontroverses Thema ist. Da werden die Verhandlungen weitergehen.“ Ob eine mögliche Regierungsbeteiligung der BBB für die Grenzregion zwangsläufig nachteilig wäre, denkt Kamps nicht. Belastbare Erfahrungswerte mit der neuen BBB-Koalition in Gelderland gebe es für die Euregio noch nicht.
NRW-Europaminister: Beziehungen weiterpflegen
„Innenpolitisch dürfte eine mögliche Koalition mit der BBB Konsequenzen für die Agrarpolitik in den Niederlanden haben, und insbesondere für die Stickstoff-Debatte“, so auch Hartmut Rosowski. „In Bezug auf die Handelsbeziehungen sich die DNHK keine Sorgen.“
Auch der NRW-Europaminister äußert sich trotz aller aktuellen Unsicherheiten im Nachbarland optimistisch: „Natürlich werden wir die guten Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden weiter auf allen Ebenen pflegen.“
Die Niederlande hätten „eine große liberale und demokratische Tradition“, führt Liminski aus. „Daher bin ich zuversichtlich, dass wir auch mit der geschäftsführenden Regierung in den kommenden Wochen und Monaten und darüber hinaus weiterhin gut zusammenarbeiten werden.“