Den Haag/Düsseldorf. Lernen ohne Ablenkung: Die niederländische Regierung plant, ab 2024 Handys aus den Klassenzimmern zu verbannen. So reagiert NRW auf das Vorhaben.

Die niederländische Regierung will vom kommenden Jahr an keine Handys mehr im Unterricht erlauben. Dieses Vorhaben stellte das Schulministerium des Nachbarlandes nun vor. „Auch wenn Handys fest zu unserem Leben gehören, im Klassenzimmer haben sie nichts zu suchen“, positionierte sich etwa Bildungsminister Robbert Dijkgraaf. In Nordrhein-Westfalen wird diesem rigorosen Vorgehen eher mit Skepsis begegnet. Ayla Çelik, Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, findet, dass es statt eines Verbotes sinnvoll wäre, „die Vorteile des Smartphones zu nutzen und Kinder und Jugendliche zu einem gesunden Umgang mit dem Handy zu befähigen“.

Auch das NRW-Schulministerium betrachtet den Vorstoß aus den Niederlanden eher differenziert. So sei bereits jetzt bei störendem Verhalten im Unterricht die Wegnahme von Mobiltelefonen als erzieherische Einwirkung ausdrücklich zulässig, erklärt ein Sprecher auf NRZ-Anfrage. Das Land verfolge ansonsten eher den Ansatz, auf die Entscheidungskompetenz der Lehrerinnen und Lehrer zu vertrauen, wie sie mit Handys im eigenen Unterricht umgehen.

Richtlinie ist „dringende Empfehlung“, kein Verbot

In den Niederlanden sind dagegen die Diskussion und das Regierungsvorgehen auf eine Verbannung der Mobiltelefone ausgerichtet. Bei der Richtlinie handle es sich zwar nicht um ein Verbot, sondern nur um eine „dringende Empfehlung“. So solle sichergestellt werden, dass Schülerinnen und Schüler nicht mehr durch die Mobiltelefone abgelenkt werden. De facto sollten die Handys aber aus dem Unterricht verschwinden. „Da müssen Schülerinnen und Schüler sich konzentrieren können und Raums fürs Lernen bekommen. Wir wissen aus Studien, dass Handys das verhindern. Davor müssen wir unsere Schülerinnen und Schüler schützen“, so Robbert Dijkgraaf.

Für Aufgaben, bei denen Handy inhaltlich genutzt werden könnten, dürfen die Privatgeräte weiterhin gebraucht werden. Über die Umsetzung des Verbots sollen die Schulen in den Niederlanden selbst entscheiden können – etwa auch darüber, ob sie Handys komplett aus ihren Gebäuden verbannen.

„Der Besitz eines Smartphones ist mittlerweile nicht nur ein Statussymbol, sondern ein alltäglicher Gebrauchsgegenstand in Zeiten der Digitalisierung“, befindet die GEW-Vorsitzende Ayla Çelik. So könne es einen sinnvollen Einsatz als pädagogisch didaktisches Mittel im Unterricht geben. „Die Nachteile dürfen nicht die Vorteile überdecken.“

Lehrer sammeln Handys zu Beginn des Unterrichts ein

Auch die Gewerkschafterin sieht die Gefahr, dass Handys gerade in Unterrichtssituationen häufig zu Störungen und Ablenkungen führen können. „Es gibt Lehrkräfte, die Smartphones zu Beginn von Unterrichtsstunden einsammeln und es gibt diejenigen, die die Handys bewusst in das Unterrichtsgeschehen, etwa für Recherchen, didaktisch einbinden.“ Diese Option möchte Çelik den Schulen und Lehrkräften nicht nehmen, denn sie seien die Experten für den Unterricht.

Ayla Çelik, die Landesvorsitzende der GEW, spricht sich gegen ein generelles Handyverbot aus.
Ayla Çelik, die Landesvorsitzende der GEW, spricht sich gegen ein generelles Handyverbot aus. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Sie glaubt, dass es anstatt eines strikten Verbots sinnvoller wäre, den Umgang mit Handys zu thematisieren und die Entscheidung der Art und Weise des Einsatzes den Lehrerinnen und Lehrern vor Ort zu überlassen. Sie würden auch ihre Schülerinnen und Schüler am besten kennen und wissen „folglich am besten, welcher Umgang geeignet wäre“.

Entscheidung über Medien und Hilfsmittel

Für den gezielten Einsatz von Mobiltelefonen im Unterricht geltende folgende Regelungen, erklärt das Schulministerium auf Anfrage: Nach dem Schulgesetz unterrichten, erziehen, beraten, beurteilen, beaufsichtigen und betreuen Lehrerinnen und Lehrer die Schülerinnen und Schüler in eigener Verantwortung. „Im Rahmen ihrer pädagogischen Freiheit entscheiden die Lehrkräfte auch, welche Medien und Hilfsmittel im Unterricht und in einzelnen Unterrichtssituationen eingesetzt werden können.“

Generell könnten die rund 5.500 Schulen im Land den Unterricht, die Erziehung und das Schulleben im Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften grundsätzlich in eigener Verantwortung gestalten – das gilt ebenso in Fragen des Umgangs mit dem Handy. „Sie verwalten und organisieren ihre inneren Angelegenheiten selbstständig.“

Das Schulministerium weist darauf hin, dass über die jeweilige Schulordnung die Nutzung von Handys auf dem Schulgelände eingeschränkt werden könne. Gleichzeitig müsse aber sichergestellt, dass Schülerinnen und Schüler „im Falle eines berechtigten Interesses das Handy verwenden können“, so der Ministeriums-Sprecher. „Dies kann beispielsweise durch die Einrichtung sogenannter ‘Handyzonen’ erfolgen.“

Zudem könnten auch individuelle Bildungs- und Erziehungsvereinbarungen abgeschlossen werden, in denen sich auf gemeinsame Erziehungsziele und -grundsätze verständigt werde. „Verletzt eine Schülerin oder ein Schüler seine bzw. ihre Pflichten aus dem Schulverhältnis, zum Beispiel durch störendes Verhalten im Unterricht, so ist zum Beispiel auch die Wegnahme von Mobiltelefonen als erzieherische Einwirkung ausdrücklich zulässig.“ Es sei jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

In einer digitalisierten Welt gehört der souveräne Umgang mit digitalen Medien zu den grundlegenden Kompetenzen, die den Schülerinnen und Schülern an den Schulen in Nordrhein-Westfalen vermittelt werden – darauf weist das Schulministerium hin. Mit dem 16. Schulrechtsänderungsgesetz wurde die Vermittlung dieser Kompetenzen als Bildungs- und Erziehungsziel in § 2 Abs. 4 des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes ausdrücklich verankert.