An Rhein und Ruhr. Die Messung der Netzgeschwindigkeit sei zu aufwendig und Verbraucher kämen schwer zu ihrem Recht, kritisiert auch die Verbraucherzentrale NRW.
Wenn das YouTube-Video wieder mal zu lange lädt und die Lieblingsserie bei Netflix nicht aufrufbar ist, dann hakt es oft bei der Netzgeschwindigkeit. Wenn diese öfter und zu lange nicht das ist, was der Anbieter vertraglich versprochen hat, können Verbraucher eigentlich dagegen vorgehen. In der Praxis sei das aber kompliziert, kritisiert die Verbraucherzentrale NRW. Zuvor hatte NRW-Verbraucherministerin Silke Gorißen (CDU) angekündigt, sich für transparentere Messungen der Netzgeschwindigkeit einzusetzen.
Verbraucherschützer fordern einfachere Messungen
„Verbraucher haben ein Recht darauf, das Internet mit dem Tempo nutzen zu können, mit dem der Anbieter geworben hat“, sagte Gorißen der Deutschen Presse-Agentur. „Wir wollen daher die Rechte der Verbraucher stärken, damit sie einfacher ihr Geld zurückerhalten können, wenn die Geschwindigkeit zu langsam ist.“ Dafür wolle sie sich bei der Verbraucherschutzministerkonferenz starkmachen, die am heutigen Freitag in Konstanz beginnt.
Auch die Verbraucherzentrale (VZ) sieht Handlungsbedarf. Man könne bei einer Minderleistung den monatlichen Betrag kürzen oder nach Aufforderung an den Anbieter zur vollen Leistungserbringung, den Vertrag außerordentlich kündigen, erklärt Felix Flosbach von der VZ NRW. „Die Messung der Minderleistung und die Berechnung der Minderung stellen Verbraucher jedoch vor große Hürden.“ In den meisten Fällen stünden sie trotz bestehenden Rechts ohne wirkliche Handhabe dem Anbieter gegenüber.
Geschwindigkeits-Check ist ein komplizierter und zeitaufwendiger Vorgang
Die Messungen müssten einfacher gestaltet werden, meint der Experte. „Die Messung muss derzeit mit dem Programm ‘Breitbandmessung’ der Bundesnetzagentur auf einem PC mit angeschlossenem LAN-Kabel durchgeführt werden“, schildert Flosbach. „Die insgesamt 30 Messungen müssen mit zeitlichen Abständen erfolgen und sich auf mindestens fünf Kalendertage verteilen. Während der jeweils 10 Messungen an den Messtagen müssen sämtliche weiteren Geräte aus dem heimischen Netzwerk entfernt werden.“
Allein die Erstellung des Messprotokolls stelle dabei viele Verbraucher vor unüberwindbare Hürden, kritisiert der Verbraucherschützer. Es sei besser, wenn das Programm automatisch messe und die zeitlichen Abstände freundlicher gestaltet wären.
NRW-Ministerin Gorißen pocht auf Verbraucherrechte
Das sieht auch die Verbraucherministerin so. Derzeit müsse ein enormer Aufwand betrieben werden, um dem Internetanbieter die mangelnde Geschwindigkeit nachzuweisen, kritisierte Gorißen. „Es kann nicht sein, dass ein berufstätiger Mensch im Grunde genommen fünf Tage Urlaub nehmen muss, um zu belegen, dass er zu langsam im Internet unterwegs ist und nur so aus dem Vertrag kommt oder weniger bezahlen muss“, betonte sie. „Bei einem so unverhältnismäßigen Aufwand existieren die Verbraucherrechte nur auf dem Papier.“
Zudem würden die Anbieter die Verbraucher oft mit „Kleckerbeträgen“ abspeisen, bemängelt Flosbach. „Für viele fängt nach der Erstellung des Messprotokolls erst die anstrengende Auseinandersetzung mit dem Anbieter an. Hier klaffen die Vorstellungen der Verbraucher und Anbieter weit auseinander.“
Branchenverband findet aktuelle Lösung transparent
Gänzlich anders sieht das der Verband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, Bitkom: „Es existieren umfassende Regelungen für Verbraucher. Ende 2021 wurden mit dem neuen Telekommunikationsgesetz die Verbraucherrechte erneut gestärkt“, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Voraussetzung für eine Minderung oder Kündigung sei eine „erhebliche, kontinuierliche oder regelmäßig wiederkehrende Abweichung bei der Geschwindigkeit“.
Maßgeblich sei dabei neben der maximalen Geschwindigkeit des Anschlusses auch die vereinbarte normalerweise zur Verfügung stehende Geschwindigkeit und die minimale Geschwindigkeit, die Verbraucher im Informationsblatt zu ihrem Vertrag finden, ergänzt die Sprecherin.
„Die aktuelle Lösung bietet Verbrauchern eine gute Möglichkeit ihren Internetanschluss transparent zu prüfen und mit dem Anbieter Lösungen zu finden“, so der Verband. Die erreichbare Geschwindigkeit sei in der Regel abhängig von der genutzten Technologie. „Alle Anbieter arbeiten mit Hochdruck am Ausbau der Netze und der Glasfaserausbau macht große Fortschritte, so dass die nutzbaren Geschwindigkeiten stetig zunehmen.“
Internet ist auf dem Land oft langsamer als in der Stadt
Diese Geschwindigkeiten weichen jedoch von Region zu Region oft voneinander ab. Gerade im ländlichen Raum hätten Verbraucher nicht die Möglichkeit, eine schnellere Verbindung zu bekommen, sagt Flosbach. In Städten habe man häufig die Wahl zwischen verschiedenen Leitungstechniken und die Geschwindigkeiten seien generell höher.
Diesen Unterschied findet die Ministerin inakzeptabel. „Für über die Hälfte der Menschen in NRW ist der ländliche Raum Lebensmittelpunkt. Wer hier spart, setzt völlig falsche Schwerpunkte“, mahnte Gorißen. Der Verband Bitkom betont derweil, man habe auch in NRW in den vergangenen Jahren große Fortschritte dabei gemacht, das Netz auszubauen.