An Emscher, Volme, Ahr, Erft und Kyll. Jetzt also die Emscherbrücke: Die Bahn hat seit Freitag eine neue Baustelle. Dabei sind die Schäden von vor zwei Jahren noch nicht einmal behoben.
Bis Freitag ging es der Emscherbrücke in Dinslaken noch ganz gut. „ZK3“ lautet der Erhaltungsstand: „Erneuerungsmaßnahmen sind zu prüfen.“ Nicht schlecht für eine 1945 vermutlich eher notgedrungen eingebaute Brücke. Doch jetzt steht fest: die 40 Meter lange Brücke ist nicht zu retten, muss abgerissen werden.
Das aber ist auch so ziemlich das einzige, was feststeht.Mit dem Ende der Emscherbrücke sind rund 23 Kilometer Strecke vom übrigen Bahnnetz abgeschnitten: Die so genannte Walsumbahn, deren Gleise nördlich der Brücke bis Spellen führen – und daran schließen noch weite3re 13 Kilometer Gleise der Kreis- und Hafenbahn Emmelsum an. Erst Anfang Juni fuhr noch ein vollbesetzter Dampfzug über die Strecke - auch zu Werbezwecken: sie soll für den Personenverkehr wiederbelebt werden.
Doch auch, wenn die Gleise bis Friedrichsfeld reichen, wo sie unter der Bahnstrecke Oberhausen-Wesel-Emmerich herlaufen: Eine Verbindung gibt es dort nicht: Alles, was an Loks und Wagen noch nördlich der abgesackten Brücke steht, ist vorerst gefangen. Dazu und zur Frage, wie viele Züge und Tonnen Fracht über die Brücke transportiert wurden und künftig über Straße – oder vielleicht über den Rhein – transportiert werden müssen, konnte die Bahn noch keine genauen Angaben machen: Eine Handvoll Güterzüge täglich. Derzeit wird mit den Firmen, die dort Güter auf die Bahn geben, überlegt, was zu tun ist.
Behelfsbrücken? Die haben immerhin in Styrum geholfen
Auch einen Zeitplan gibt es derzeit noch nicht. Bisher sind es eher Mutmaßungen: Es wird versucht, zu verhindern, dass die Brücke unkontrolliert abstürzt, dann wird sie demontiert und dann müssen erst einmal neue stabile Widerlager her. Und dann auch eine Brücke. Die Bahn unterhält zwar ein Lager mit Behelfsbrücken im rheinland-pfälzischen Konz, doch die sind eher zur Überbrückung von Straßen bemessen. Diese Brücken tragen derzeit beispielsweise die Züge über die A40 bei Mülheim-Styrum, wo im September 2020 ein brennender Tanklaster für monatelange Brückensperrungen sorgte. Für einen ganze Fluss – und sei es die eher kleine Emscher – reichen die Behelfsbrücken nicht.
Abriss und Neubau von Brücken: das kann dauern. Das wissen nicht nur die Anwohner der Sauerlandlinie, sondern auch jene, man muss schon sagen, ehemaligen Bahnkunden, die an Strecken leben, die nach der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 in Mitleidenschaft gezogen wurden. Um direkt im Sauerland zu bleiben: Die Volmetalbahn von Hagen nach Lüdenscheid ist immer noch gesperrt, hier wurden zuletzt erst im Dezember 2022 neue Brückenschäden entdeckt. Stand derzeit: Ende des Jahres könnte womöglich die idyllische Strecke durchs Tal wieder in Betrieb gehen.
An Ahr, Erft und Kyll wird die Chance zum Ausbau genutzt
Im Ahrtal, wo das Hochwasser 2021 am tödlichsten gewütet hat, wird immerhin schon wieder auf Teilstrecken gefahren: vom Rhein geht es mittlerweile über Bad Neuenahr wieder hinauf bis Walporzheim, bis Ende des Jahres soll wieder der ursprüngliche Zielort Ahrbrück per Bahn erreichbar sein. Allerdings: Hier ist mit weiteren Sperrungen zu rechnen, denn in Ahrtal und Eifel hat man sich, anders als an der Volme, dafür entschieden, nach dem Hochwasser eine größere Lösung anzupacken: die Strecke ins Ahrtal wird gleich auch elektrifiziert und eingegliedert ins S-Bahn-Netz Köln-Bonn.
Gleiches gilt auch für die Erftbahn von Euskirchen nach Bad Münstereifel, die ebenfalls im Juli 2021 an vielen Orten zerstört und unterspült wurde und nun Ende 2023 wieder in Betrieb gehen soll. Die längste vom Hochwasser betroffene Strecke ist die mehr als 160 Kilometer lange Verbindung von Köln nach Trier durch die Eifel über Euskirchen und Gerolstein. Von beiden Enden arbeiten sich die Streckensanierer langsam vor. Von Trier kann man jetzt immerhin schon wieder bis Gerolstein fahren und von Köln bis Euskirchen, manchmal sogar bis Kall. Das geht nur jetzt gerade nicht, denn es wird noch eifrig gebaut.
Bis Mai 2024 wäre die Strecke wieder fertig – eigentlich. Denn auch hier gilt: die Verbindung wird elektrifiziert. Und um Oberleitungsmasten und Stromversorgung zu installieren wird, Brücken hin oder her, die Eifelstrecke bis ins Jahr 2026 immer mal wieder längere Sperrungen erleben. Die Zeit müssen Bahnfahrer irgendwie – nun ja – überbrücken.
Jahrelanger Stillstand über die Emscher droht
Also – soviel Kommentierung sei erlaubt: Jahrelanger Stillstand bei der Brücke über die Emscher? Stand heute muss man sagen: Das ist sehr wahrscheinlich. Rekordhalter in Sachen Stillstand ist eine, zugegeben, komplizierte Drehbrücke über die Ems bei Weener in Niedersachsen. 2015 wurde sie von einem Schiff gerammt und ist seitdem unpassierbar. 2024 soll der Neubau in Betrieb gehen: Neun Jahre Pause!
Vernünftig wäre es folglich, sich jetzt beim Neubau der Brücke über die Emschern direkt zu überlegen, was auf die neue Brücke zukommt. Nicht nur an Hochwasser, sondern auch an Verkehr. Schließlich gibt es für die Walsumbahn große Pläne: Der Anfang der 80er Jahre eingestellte Personenzugverkehr soll wieder aufgenommen werden, sogar über die Lippe und den Wesel-Datteln-Kanal hinweg bis hinauf nach Wesel.
Die Gutachter geben dem nördlichen Teil wegen des geringeren Verkehrsaufkommens und dem hohen Kostenaufwand für die Brücken das schwächste Kosten-Nutzen-Verhältnis – aber immerhin noch ein positives. Und eine Erkenntnis vom Wochenende sollte auch sein: Eine Strecke von zwei Seiten ans Netz anzubinden, bietet im Krisenfall ein weiteres dickes Plus. Die Walsumbahn wäre eine taugliche Ausweichstrecke für den Fall, dass auf der Strecke Oberhausen-Dinslaken-Wesel etwas kaputtgeht. Dort werden gerade zwar neue Brücken über den Kanal und die Emscher eingebaut, aber: Man weiß ja nie.