An Rhein und Ruhr. Klimaschützer fordern ein Umdenken: Die Zeit des Eigenheimbaus sei vorbei. Erste Städte ziehen mit und wollen sparsamer mit Baugrund umgehen.

Das eigene Häuschen mit Garten ist seit Generationen der Traum etlicher junger Familien. Jeder dritte der insgesamt 8,1 Millionen Haushalte in NRW hat ihn sich bereits erfüllt. Doch dieser Traum soll, so zumindest die Forderung von Klimaschutzorganisationen, bald ausgeträumt sein. Sie wollen den Neubau von freistehenden Einfamilienhäusern verbieten. Aus ihrer Sicht verbrauchen sie zu viel Platz. Erste Städte in Nordrhein-Westfalen ziehen mit.

Klimaschützer fordern Landesregierung zum Handeln auf

„Die Zeit des Eigenheimbaus auf der ,grünen Wiese’ muss beendet werden“, meint Dirk Jansen. Der NRW-Geschäftsleiter des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist überzeugt, dass Wetterextreme und das Aussterben vieler Arten keinen weiteren Bodenverbrauch zulassen. Stattdessen sollten bestehende Gebäude in die Höhe aufgestockt und Leerstände in Orts- und Stadtkernen stärker genutzt werden.

Derzeit würden für neue Immobilien in NRW täglich mehr als acht Hektar Freiraum verbraucht, so Jansen. Das entspricht einer Fläche von etwa elf Fußballfeldern. Das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel von maximal fünf Hektar pro Tag verfehle die schwarz-grüne Landesregierung noch deutlich. Der BUND fordert ein Umdenken: „Ohne einen Kurswechsel beim Wohnungsbau kann es kein klimaneutrales NRW geben.“

Sparsamer Umgang mit der Ressource Boden

Diesem Appell folgen nun erste Kommunen. Den Grundstein für den Wohnwandel im Land will die Stadt Münster legen. In neuen Wohngebieten sollen dort laut einem kürzlich im Rat vorgestellten Leitfaden vorrangig Mehrfamilienhäuser geplant werden. Reihen- und Doppelhäuser spielen eine untergeordnete Rolle, freistehende Einfamilienhäuser werden nur noch „in besonderen Lagen“ gebaut.

Auch in Essen wird über einen Baustopp von neuen Eigenheimen diskutiert, den dort die SPD beabsichtigt. Die Stadt Duisburg will Einfamilienhäuser zwar nicht verbieten, setzt aber auf „einen sparsamen Umgang mit der Ressource Boden“, wie ein Sprecher mitteilt. Neue Siedlungen sollen vor allem auf früheren Industrieflächen entstehen – mit zunehmendem Anteil von Geschosswohnungen.

Düsseldorf setzt auf gemischte Quartiere

Andere Stadtverwaltungen beabsichtigen dagegen nicht, dem Vorbild aus Münster zu folgen. Die schärfste Kritik kommt dabei aus Düsseldorf: „Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind zwei der obersten Gebote der Bauleitplanung. Trotzdem sind wir der Meinung, dass gemischte Quartiere mit unterschiedlichen Wohnformen die richtige Antwort im Gegensatz zu ideologischen Konzepten ist“. Reihenhäuser, Stadtvillen und Co. sollen also auch künftig Teil der Nachbarschaften in der Landeshauptstadt sein.

Noch größer ist die Ablehnung beim Eigentümerverband Haus & Grund Rheinland Westfalen. „Wir lehnen pauschale Einschränkungen und Verbote beim Bau von Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften ab. Das ist eine zu starke Einschränkung der persönlichen Freiheit“, sagt Erik Uwe Amaya auf NRZ-Nachfrage. Der Verbandsdirektor betont die Vorzüge des Lebens mit Haus und Garten für junge oder große Familien. Auch aus Umweltsicht gebe es Vorteile: So sei die Nutzung von Solaranlagen auf dem eigenen Hausdach und von Wärmepumpen einfacher möglich als bei einem Mehrfamilienhaus. Gleiches gilt für die Gartenpflege: „Der Flächenverbrauch ist daher durch andere geeignete Klima- und Umweltschutzmaßnahmen wieder ausgeglichen“, meint Amaya.

Einfamilienhäuser für die Entwicklung des Wohnungsmarktes

Wie eine NRZ-Umfrage zeigt, gibt es zumindest am Niederrhein ohnehin keinen Anlass für Sorge über ein Eigenheim-Verbot. „Als Kommune im ländlichen Raum ist uns wichtig, dass wir einen ausgewogenen Mix an Wohnraumangeboten vorhalten, der sich an dem Bedarf unserer Bürgerinnen und Bürger orientiert“, sagt etwa ein Sprecher der Stadt Emmerich.

Dieser Argumentation folgen gleich mehrere Städte. „Einfamilienhäuser sind in Moers nach wie vor ein Baustein zur Weiterentwicklung des Wohnungsmarktes“, heißt es aus der Pressestelle. Getrennte Bereiche mit und ohne sie soll es nicht geben.

Nachhaltige Stadtentwicklung statt Verboten

In Kleve setzt die Stadt auf „eine harmonische Bebauung mit den Zielen des Klimaschutzes sowie der nachhaltigen Stadtentwicklung“ und berücksichtigt bei der Planung von Neubaugebieten neuerdings die Ergebnisse einer Stadtklima-Analyse über Wärmeinseln und Frischluftschneisen.

Die Stadt Wesel gibt ebenfalls Entwarnung für Immobilien-Interessierte. „Ein Verbot wird es hier nicht geben“, erklärt der Pressesprecher der Stadt. In der Innenstadt würden seit Jahren Mehrfamilienhäuser – auch mit bezahlbaren Sozialwohnungen – priorisiert (aus-)gebaut. Aber: „Wir werden im ländlichen Raum nicht damit anfangen, siebengeschossige Wohnhäuser zu bauen.“

Jeder Dritte wohnt im Einfamilienhaus

Etwa 8,13 Millionen Haushalte leben in Nordrhein-Westfalen – zum Teil unter sehr unterschiedlichen Umständen. Das zeigt eine aktuelle Statistik der Landesdatenbank für das Jahr 2022.

Demnach wohnt etwa jeder dritte Haushalt (33,4 Prozent) in einem Einfamilienhaus, der größte Anteil entfällt auf Gebäude mit drei und mehr Wohnungen (58,7 Prozent). Die durchschnittliche Wohnfläche pro Haushalt liegt bei 92,9 Quadratmetern. 42,5 Prozent der Haushalte wohnen in Eigentum, 57,5 Prozent zur Miete.