Meerkerk. Willem van den Berg war der Erfinder des Bauernhof-Campings in den Niederlanden. Heute gibt es über 2000 SVR-Plätze in ganz Europa.

Im September 1970 kommt es in einem Dorf zwischen Rotterdam und Utrecht zu einer kleinen Revolution. Bauer Willem van den Berg, Besitzer eines großen Hofs und in der Bauernpartei politisch aktiv, will sein ländliches Glück mit anderen Menschen teilen. Und zwar mit denen, die in ganz anderen Verhältnissen leben.

„Wenn er für die Partei nach Den Haag musste, konnte er es nicht glauben, wie die Leute in den Städten leben“, erzählt Bas van Mill. Er leitet heute die Stiftung, die Willem van den Berg damals gründete: abgekürzt SVR, ausgeschrieben „Stichting Vrije Recreatie“.

Riesenstory in der Zeitung

Nach seiner Rückkehr von Den Haag ins kleine Meerkerk setzte „Wim“ eine Anzeige in die Lokalzeitung: „Gratis-Camping auf dem Bauernhof“ bietet er darin an. Eine Familie aus Den Haag mit neun Kindern sieht die Annonce und ist begeistert. Mit viel Gerödel reisen die Städter nach Meerkerk, schlagen auf der Wiese hinter dem Bauernhof ihr Zelt auf – bis der Dorfpolizist vorbeikommt und dem Lager ein Ende machen will. Das sei schließlich nicht erlaubt. „Hier auf dem Dorf kannte jeder jeden, daher hat Wim den Polizisten nicht ernst genommen und weggeschickt“, berichtet Bas van Mill lachend.

Doch der Ordnungshüter ist sauer und kündigt gegenüber dem selbstbewussten Bauern an, er würde am nächsten Morgen mit einigen Kollegen und dem Bürgermeister wiederkommen. Willem van den Berg derweil verständigt die Lokalpresse und Fotografen, damit sie beim Aufmarsch der Polizei gegenüber den harmlosen Campern live dabei sind.

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Die Geschichte schlägt hohe Wellen, bald lernen Menschen in den gesamten Niederlanden den Freigeist vom Land kennen, zumal er in Folge der Räumung auf dem Bauernhof mehrfach vor Gericht erscheinen muss. In Anlehnung an die Aufständischen aus der Zeit im Krieg der protestantischen Niederlande gegen das streng katholische spanische Königreich wird Willem van den Berg bald „Der Geuse von Meerkerk“ genannt.

Sieben Jahre dauert es, bis er den Prozess gewinnt. Dann verabschiedet die niederländische Regierung in Den Haag ein Gesetz, das Campieren auf dem Land, etwa auf einer Wiese am Bauernhof, erlaubt. Es ist der Urknall einer Bewegung, die längst ein ganzes Volk erfasst hat. Die Niederlande gelten als die Campingnation schlechthin, wer kennt nicht die unzähligen Caravans mit dem gelben Kennzeichen, die in der Heimat und in ganz Europa unterwegs sind?

Die SVR-Stiftung hat diesen Trend nicht nur begründet, sondern hält auch fünf Jahrzehnte später noch das Ideal von der entspannten Auszeit in der schönen Natur hoch – auch wenn die Stiftung stark gewachsen ist. „Wir haben mit drei Stellplätzen angefangen“, sagt Bas van Mill. „Inzwischen haben wir über 2000 in ganz Europa.“

In der Umgebung von Meerkerk befindet sich unter anderem das Fort Everdingen. Hier steht nicht nur eine alte Kanone herum, sondern es gibt auch einen Campingplatz.
In der Umgebung von Meerkerk befindet sich unter anderem das Fort Everdingen. Hier steht nicht nur eine alte Kanone herum, sondern es gibt auch einen Campingplatz. © nrz | heiko buschmann

In den gesamten Niederlanden befinden sich Bauernhofs-Camping unter der Verwaltung der SVR, außerdem in vielen Gegenden Deutschlands, Belgiens, Österreichs und Frankreichs bis hin nach Slowenien und anderen Ländern in Ost- sowie Südeuropa.

Auf Willem van den Bergs ehemaligem Hof mit dem „Campingplatz De Victorie“ ist nach wie vor der Sitz der Stiftung. Fünf Mitarbeiterinnen sitzen in einem kleinen Büro und bearbeiten Anfragen, telefonisch oder online. Mehr als 150.000 Mitglieder unterstützen die nicht gewinnorientierte Stiftung mit ihrem Beitrag von nur 15 Euro pro Jahr. Beide Seiten haben etwas von diesem Engagement, die Frischluft-Urlauber können sich für geringes Geld ihre Auszeit auf dem Land suchen und die Platzbesitzer, nach wie vor oft Bauern mit ihrem Land, haben einen kleinen Zuverdienst.

„Wir bieten nur kleine Stellplätze an, denn die Leute, die zu uns kommen, suchen die Ruhe“, weiß Bas van Mill. „Menschen aus den Großstädten in der Umgebung wie Rotterdam, Utrecht oder Breda. Wir haben aber immer wieder auch internationale Gäste, es sind sogar schon Menschen aus den USA bei uns gewesen“, verrät Bas van Mill.

Glamping? Gibt’s hier nicht!

Irgendwelchen Schnickschnack – Stichwort Glamping – gibt es bei der SVR ebenso wenig wie die beliebten und daher nicht gerade kostengünstigen Campingplätze in den Dünen an der Nordsee.

Wer zum Beispiel in Meerkerk ankommt, weiß, worauf er oder sie sich einlässt. Außer ein paar Höfen, Feldern und Wiesen ist hier nicht viel los. Eine Idylle für Camper, die den Stress des Alltags hinter sich lassen wollen – so wie 1970 die Großfamilie aus Den Haag, die Willem van den Berg, „der Geuse von Meerkerk“, auf sein Land einlud. Sein Kampf gegen die Engstirnigkeit des niederländischen Staates hat sich gelohnt – Millionen von Campern in den Niederlanden und auf der ganzen Welt möchten ihre Auszeit an einem ruhigen Fleckchen nicht mehr missen.

Mehr Infos: https://svrcamping.de/

In der Umgebung

In Meerkerk, wo sich der „Campingplatz De Victorie“ befindet, ist nicht gerade viel los. Die Umgebung aber lädt zu etlichen Ausflügen ein. Sehenswert sind zum Beispiel die kleinen Städtchen Ameyde und Vianen oder das größere Gorinchem.

Das Städtchen Vianen hat jede Menge Baudenkmäler wie dieses Haus im Stile der Hansegotik zu bieten.
Das Städtchen Vianen hat jede Menge Baudenkmäler wie dieses Haus im Stile der Hansegotik zu bieten. © nrz | heio buschmann

Von Ameyde können Radfahrerinnen und Radfahrer auf dem Lekdijk (der Fluss Lek ist ein Mündungsarm des Rheins) schöne Touren in die Umgebung unternehmen.

Spannend ist es am Fort Everdingen. Die zwischen 1842 und 1847 erbaute Festung, damals um sich gegen die Franzosen zu verteidigen, gehört zum Gebiet der Neuen Holländischen Wasserlinie – ebenso wie das auf der anderen Seite des Lek befindliche Fort Honswijk. Bunker in den Stellungen am Fort Everdingen zeugen derweil noch von der deutschen Besatzung während des zweiten Weltkriegs. Heutzutage kann man hier campen.