Aus den Niederlanden. Noch heute hängt Renesse das Image als Partyort nach. Dabei setzt der niederländische Badeort schon länger auf Familien. Wie es zum Wandel kam.

Wer sich zu Pfingsten wieder mit voll bepacktem Auto oder Camper ins berüchtigte Renesse aufmacht, fährt schon lange nicht mehr an den „Ballermann von Holland“. Stattdessen, so bewirbt sich die Gemeinde im Netz selbst, in einen „beliebten Badeort“ mit langer Tradition. So heißt das Urlaubsprogramm inzwischen: Familiencamping statt durchtanzte Nächte in den Discos, Radtour statt Sauftour, Schlägerei und schlechter Presse.

Alte Diskotheken mauserten sich zu Restaurants, anstelle der Jugendlichen sind nun Familien die Zielgruppe. Das war einmal anders, aus den ganzen Niederlanden und NRW kamen die jungen Feierwütigen. „Wir hatten sieben Discos in Renesse und Campings für Jugendliche. Es war eine Riesenparty“, erinnert sich Ed Troost, der seit 24 Jahren einen Campingplatz betreibt. „Vor allem an Pfingsten war es so voll. Dazwischen musste die lokale Bevölkerung leben.“

Das sei für das Dorf mit einer Bevölkerung von nur 1.500 Menschen auf Dauer nicht haltbar gewesen und habe andere Gästegruppen vergrault. „Die Bevölkerung profitiert vom Tourismus, das wissen wir alle. Aber es braucht ein Gleichgewicht. Zu viel von allem schafft immer Probleme.“ Noch heute halte sich das schlechte Image und Unternehmer Troost wird skeptisch gefragt: „Du wohnst in Renesse?“

Renesse investierte Millionen in Tourismus

Dabei heißt der Fokus nunmehr zehn Jahren: verträgliches Zusammenleben von internationalen Gästen und Lokalen. Ein Imagewandel, der sowohl Stadt als auch Unternehmen viel Geld kostete. Ganze 45 Millionen, wie der Unternehmerverband Renesse schätzt.

Rund 10 bis 15 Millionen kamen laut zuständigem Lokalpolitiker Daniël Joppe von der Gemeinde für Investitionen im öffentlichen Raum. Für touristisches Publikum, aber auch für die Menschen vor Ort. 2014 startete der von der Gemeinde aufgestellte „Masterplan“, der „das Dorf aufhübschen“ sollte und fast abgeschlossen ist.

In den vergangenen Jahren wurden so neue Straßen, Radwege und Terrassen im Ortskern umgesetzt. „Das ganze Dorf ist neu gemacht“, so Joppe. Um nicht in Richtung Massentourismus abzurutschen, hat die Gemeinde beschlossen, dass keine neuen Tourismusbetriebe wie Hotels oder Ferienparks mehr entstehen dürfen. Es solle nur um Qualitätsverbesserung des Bestands gehen.

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Einer der Anlässe für den Wandel: das neue niederländische Alkoholgesetz. Seit 2008 darf Alkohol nur noch an Volljährige verkauft werden. Damit sei Renesse für Minderjährige als Partyort schnell unattraktiv geworden, sagt Inge van der Poort, Vorsitzende des städtischen Unternehmerverbands. „Und die 18-Jährigen fahren dann schon wieder anderswo hin, zum Beispiel ins Ausland.“

Damit sei auch für die Tourismusbranche in Renesse klar gewesen, dass es eine neue Zielgruppe brauche, um „attraktiv zu bleiben.“ Und in Renesse warte man Veränderungen nicht einfach ab. „Wir wollen immer schneller und besser sein als die anderen.“

Ausgehen ja – Partyexzesse unerwünscht

Dass sich die Stadt neu definiert hat, war also nicht nur dringender Wunsch aus der Bevölkerung, sondern auch ökonomische Notwendigkeit. „Beides hat sich gegenseitig verstärkt“, resümiert Inge van der Poort. „Wir wollten auch einfach nicht mehr das Partydorf sein. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Tourismus ändert sich – zum Glück.“

Es gehe aber nicht darum, junge Leute aus dem Ort auszuschließen, so Ed Troost. „Die Familien auf den Campingplätzen haben auch Jugendliche dabei. Aber die kommen ja nicht alleine und nur um sich abzuschießen.“ Die Einstellung und Vorlieben junger Leute habe sich inzwischen geändert, so Inge van der Poort. Zudem gebe es weiterhin Gelegenheiten, um auszugehen. Sie finde es auch schön, ab und an Tanzen zu gehen. „Wir haben nie gesagt: Ausgehen geht gar nicht mehr. Aber Szenen wie in Mallorca – das kann man einfach nicht mehr wollen.“