Essen. Preisgekrönte Reporterinnen und Reporter aus Uganda, Kenia und Südafrika waren zu Gast in NRW. Unter welchen Gefahren sie in der Heimat arbeiten.
Seine Augen huschen über die große Monitorwand im Newsroom der Funke Mediengruppe. In Echtzeit kann Jeff Wicks verfolgen, welche Online-Artikel der NRZ und ihrer Partnerzeitungen in diesem Moment am häufigsten aufgerufen werden. Obwohl der südafrikanische Journalist der deutschen Sprache nicht mächtig ist, erkennt er schnell eine Gemeinsamkeit zu der Arbeit in seiner Heimat. „Crime sells“, sagt der 35-Jährige und zeigt auf einen Bericht über den Messerangriff in einem Duisburger Fitnessstudio. Geschichten über Kriminalität bewegen viele Menschen, offenbar auch 10.000 Kilometer weiter. Dort wie hier besteht aber Einigkeit darüber, dass mediale Berichterstattung nicht von Reichweiten getrieben sein sollte und eine große Bandbreite an Themenfeldern abdecken muss.
Wicks ist einer der drei Gewinner des Medienpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung für afrikanische Lokaljournalisten. Wie seine Berufskolleginnen Raquel Mungai aus Kenia und Esther Oluka aus Uganda wurde er für seine herausragende Arbeit unter 199 Beiträgen aus 28 Ländern ausgezeichnet. Am Donnerstag waren die Preisträger zu Gast bei der NRZ in Essen. Chefredakteur Manfred Lachniet und Reporter Patrick Schuh nahmen die weit gereisten Kolleginnen und Kollegen in Empfang und führten sie durch die Hallen des Medienhauses. Mit großem Interesse verfolgten die Preisträger, wie die Printseiten gebaut werden und staunten über die Vielzahl an Redakteurinnen und Reportern, die in Nordrhein-Westfalen allein für den Internetauftritt der Zeitung im Einsatz sind.
Journalistenpreis: Preise für Berichte über Unruhen in Kenia und Landraub in Uganda
Doch die Begeisterung für die Arbeitsweise der anderen beruhte auf Gegenseitigkeit, nicht zuletzt, als die Gäste von ihren prämierten Projekten zu erzählen begannen. Raquel Mungai von „Africa Uncensored“ wurde für ihren englischsprachigen Film „Scars of the Vote“, zu deutsch: „Narben der Wahl“ ausgezeichnet. Darin lenkt sie die Aufmerksamkeit auf die Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen vor 15 Jahren, durch die ihr Heimatland Kenia kurz vor einem Bürgerkrieg stand. 1100 Menschen verloren ihr Leben. Vor den Wahlen im vergangenen Jahr hat Mungai für ihren Beitrag diejenigen besucht, deren Narben am tiefsten sind: Eltern, die ihre Kinder verloren haben. „Das Thema ist sehr sensibel, ich musste extrem einfühlsam im Umgang mit meinen Gesprächspartnern sein“, erklärt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Die fünfköpfige Jury, der auch NRZ-Politikchef Jan Jessen angehört, lobt den Film als „informativ, herzzerreißend und manchmal sogar schwer anzuschauen“ – ein Resultat der intimen Verbindung zwischen Raquel Mungai und ihren Protagonisten.
In einer dreiteiligen Serie für den „Daily Monitor“ hat Esther Oluka ein Thema beleuchtet, welches die Menschen in Uganda seit langer Zeit beschäftigt – den Landraub. Durch das Mailo-System wurden einige Familien von ihrem Land vertrieben, um Platz für ausländische Geschäftsinteressen zu machen. Diese Menschen zu finden und ihre Geschichten zu erzählen, kann sich als schwierig herausstellen. Hauptstadtkorrespondentin Oluka profitierte bei ihrer Recherche von ihren Kontakten in die kleinsten Dörfer des Landes. „Das Projekt war eine Teamarbeit“, sagt sie bescheiden. Auch hierzulande kennen Journalistinnen und Journalisten die Vorzüge eines großen Netzwerks genau.
Investigativjournalist aus Südafrika: Sorge ums eigene Leben nach Mordenthüllungen
Der dritte Preisträger, Jeff Wicks, arbeitet als Investigativjournalist beim südafrikanischen Online-Medium „News24“. Mit Kriminalfällen ist er täglich konfrontiert, Mord gehört in seiner Heimat zum Tagesgeschäft, wie er sagt. Der plötzliche Tod einer Mitarbeiterin des Gesundheitsministeriums der Provinz Gauteng, ließ den 35-Jährigen jedoch stutzig werden. Ihr Wissen über Bestechungszahlungen und den Missbrauch öffentlicher Gelder wurde der Leiterin der Finanzbuchhaltung zum Verhängnis. Jeff Wicks und sein Team arbeiteten sich durch 60.000 Mails des Mordopfers und deckten so einen Korruptionsskandal im Gesundheitssektor auf. In der Medienbranche bekommen die Texte weltweit großes Lob, in kriminellen Kreisen werden sie nicht gern gelesen. Seit eineinhalb Jahren plagt den Südafrikaner die Sorge, dass ihn dasselbe Schicksal ereilen könnte. „Jedes Mal, wenn ich alleine Auto fahre oder mein Haus verlasse, habe ich Angst.“ Trotzdem würde er seinen Job gegen keinen anderen eintauschen wollen.
Eine Eigenschaft, die ihn mit Jurymitglied Jan Jessen verbindet. Der NRZ-Kriegsreporter meldet sich per Videoschalte aus der Ukraine, ihm geht es gut, beteuert er. Aus wackliger Selfieperspektive vor dem Außenministerium in Kiew gratuliert er den Preisträgerinnen und Preisträgern und bedankt sich für ihre inspirierenden Beiträge. Der für alle Seiten ereignisreiche Besuch in Essen endet mit einer Einladung zum Gegenbesuch in Afrika. „Wenn ihr mal in Südafrika seid – und ich dann noch leben sollte“, sagt Jeff Wicks mit einem Lächeln auf den Lippen und ernstem Blick in den Augen.