Essen. Es gefällt nicht jedem: Aber Sprache entwickelt sich. Ein Abend über kuriose Namen, politische Korrektheit, Wörter des Jahres und das Gendern.

Die deutsche Sprache wird bald untergehen, wird verballhornt, verschandelt. Jede Woche erhält Dr. Lutz Kuntzsch mindestens einen Anruf mit solchen Aussagen. Ja, es gibt skurrile Vornamen, schnöde Amtsbegriffe und kontrovers diskutierte Gendersternchen; aber dass die Sprache untergehen wird? „Nein“, sagt der Sprachberater und wissenschaftliche Mitarbeiter der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS).

Diese Antwort spiegelte nicht die Meinung aller rund 50 Anwesenden wider, die dem Vortrag des Sprachexperten auf Einladung der Essener Goethe-Gesellschaft, des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) und der GfdS am Montagabend folgten.

Eine emotional geführte Gender-Debatte

Erwartungsgemäß traf die Debatte um das Gendern ins Mark vieler Anwesenden, die diese Sprachentwicklung emotional missbilligten. So zeigte sich ein betagterer Zuhörer enttäuscht darüber, dass die Gesellschaft für deutsche Sprache keine eindeutigen Regeln festlegt und eine Beliebigkeit zulasse.

Dabei, stellt Kuntzsch klar, sei die GfdS gar kein Normengeber. Dafür sei der Rat für deutsche Rechtschreibung zuständig. Der könnte Normen setzen, tue es aber nicht, meint er. Die GfDS führt Sprachberatungen durch, bietet Seminare an, kürt das Wort des Jahres und sitzt im Redaktionsstab des Deutschen Bundestags. Der Verein gibt Empfehlungen heraus, aber setzt keine Regeln.

Und so unterstützt sie beim Gendern zum Beispiel die Doppelnennung (also Leserin und Leser), den Schrägstrich (Mitarbeiter/innen) und Ersatzformen (die Fachkraft statt der Fachmann). Das Sternchen, den Doppelpunkt, ein Unterstrich oder die x-Endung hält sie für wenig geeignet.

Ein Kind namens „Beton“?

Kurzum: Die GfdS sagt Ja zum Gendern, vorausgesetzt, es ist verständlich, les- und vorlesbar und regelkonform. „Es wird sich das durchsetzen, was von der Mehrheit benutzt wird“, antwortet Kuntzsch auf die Frage nach einer Prognose, wie sich die Sprache entwickeln werde. Kurzum: Es ist kompliziert.

Das trifft auch auf die Verwendung von politisch korrekten Wörtern zu. Man könne, so Kuntzsch, einem Zehnjährigen nicht erklären, dass er an Karneval nicht als „Indianer“ gehen kann, sondern als „Vertreter der nordindigenen Gruppe“. Auch bei der Diskussion steckten wir „mittendrin“.

Ach, und unsere Sprache bietet noch viel mehr Kuriositäten. Dem Vorschlag der Grünen, zwei Nachnamen zu einem zu kombinieren, erteilte Kuntzsch auf Nachfrage aus dem Publikum eine Absage. Aus „Habeck“ und „Baerbock“ sollte es also kein „Baerbeck“ geben. Und Kinder sollten auch nicht „Beton“ heißen dürfen. Diese Anfrage habe tatsächlich ein Vater an Kuntzsch gerichtet, berichtet er. Warum er seinen Sohn so nennen wolle? Weil er stark wie Beton werden solle...

Die GfdS kürt jedes Jahr das Wort des Jahres. Jeder kann einen Vorschlag einsenden. Erste Vorschläge sind: Leopard-Frage, ChatGPT, Friedenspartei, Verbrenner-Aus. Das Wort des Jahres 2022 war „Zeitenwende“. Infos: gfds.de