An Rhein und Ruhr. In den Ballungsgebieten an Rhein und Ruhr verstellt Lichtverschmutzung den Blick zu den Sternen. Auch für Menschen und Tiere bestehen Gefahren.
Die Andromedagalaxie mit bloßem Auge zu entdecken, das ist dem Duisburger Rolf Hembach in der dichtbesiedelten Großstadt schon lange nicht mehr gelungen. Der studierte Astronom, Leiter der Rudolf-Römer-Sternwarte in Rheinhausen, kann sich noch gut zurückerinnern, dass die der Milchstraße nächstgelegene Spiralgalaxie selbst ohne optische Hilfsmittel am Himmel erkennbar war. „An klaren Tagen wirkte sie so groß wie der Mond“, so der Experte.
Nur noch ein kleiner Lichtfleck
Doch das ist Geschichte. Die zunehmende Lichtverschmutzung – so wird die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen genannt – an Rhein und Ruhr verleidet den Blick in die Sterne. Da helfen auch symbolträchtige Aktionen wie die „Earth Hour“, bei der Privatpersonen, Städte und Gemeinden für eine Stunde die Beleuchtung ausschalten, nicht.
„Wir bekommen bei unserer Volkssternwarte immer wieder Anfragen, wie man beispielsweise die Andromedagalaxie beobachten kann“, berichtet Hembach. „Leider muss ich die Menschen dann enttäuschen. Auch mit unserem Teleskop betrachtet ist sie nur noch ein kleiner Lichtfleck. Man muss schon sehr genau wissen, wo man überhaupt hinschauen muss, um sie zu erahnen.“
Immer schwieriger werde die Beobachtung von Kometen, Sternen, Galaxien oder anderen Himmelskörpern in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet. „Das liegt am fehlenden Kontrast“, versucht es Hembach für Laien zu erklären. „Stellen sie sich den Unterschied zwischen einer weißen und einer schwarzen Wand vor. Vor welchem Hintergrund ist ein weißer Lichtpunkt einfacher zu erkennen?“
Durch die Beleuchtung von Gebäuden, Straßenlaternen, großflächigen Werbebanden oder auch Flutlichtern an Sportplätzen entsteht gewissermaßen eine diffuse Lichtglocke über Städten wie Dinslaken, Kleve oder Essen, die für das Licht entfernter Sterne kein Durchkommen lässt.
Astronom wirft Stadtplanern „Gedankenlosigkeit“ vor
Rolf Hembach, der 1971 zu den Gründungsmitgliedern der Sternwarte in Rheinhausen gehörte, kann sich über die „Gedankenlosigkeit“ vieler Stadtplaner aber auch Privatpersonen schon fast in Rage reden. „Einfachste Grundsätze werden nicht eingehalten, wenn ich mir vielfach die Straßenbeleuchtung hier in Duisburg anschaue. Auch die neue Feuerwache ist ein Graus und wird enorm angestrahlt.“
Die Begeisterung fürs Weltall hat sich Hembach trotz der Ärgernisse bewahrt. Schon als Kind begeisterte er sich für Werke von Jules Verne. Die fantastischen Reisen und Abenteuer, die der französische Autor in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etwa in seinen Werk „Von der Erde zum Mond“ beschrieb, habe er verschlungen. Heute verfolgt er, welche Erkenntnisse Bilder von Hubble- oder James-Webb-Weltraumteleskop bereithalten.
Wer am Niederrhein noch einen halbwegs ungetrübten Blick auf den Sternenhimmel werfen möchte, dem empfiehlt Hembach einen Besuch im Landschaftsschutzgebiet Sonsbecker Schweiz. „Dort versammeln sich immer wieder Hobby-Astronomen, um mit ihren Teleskopen Beobachtungen oder Fotos zu machen.“ Doch auch dieses Idyll werde bedroht.
„Für jemanden, der sich wirklich interessiert, kann sich ein Urlaub an Nord- oder Ostsee lohnen. Wer sich eine etwas abgelegenere Ferienwohnung aussucht, kann dort tolle Sichten auf das All erleben.“
Eine Gefahr für Mensch und Tier
Das Landesumweltamt (Lanuv) kommt in einem 2021 veröffentlichen Fachbericht zu dem Ergebnis, dass es in NRW kaum noch Bereiche gibt, „an denen ein ungetrübter natürlicher Himmelsanblick, insbesondere über den gesamten Horizont betrachtet, möglich ist“.
Dabei ist dieser Aspekt der Lichtverschmutzung nicht einmal der gravierendste. „Verkehrsteilnehmer können durch intensive Lichtquellen gefährlich geblendet werden. Insekten werden durch künstliche Lichtquellen angelockt, Vögel werden in der Orientierung gestört, Fledermäuse können ihre Quartiere in Gebäuden nicht mehr nutzen“, heißt es in dem Bericht weiter. Es bestehe zudem ein Zusammenhang mit dem zunehmenden Insektensterben. In der Koalitionsvereinbarung zwischen der CDU und den Grünen in NRW wird das Thema aufgegriffen: „Im Sinne des Artenschutzes planen wir eine Strategie gegen Lichtverschmutzung.“
BUND fordert gesetzliche Regelungen
Die Umweltschutzorganisation BUND hat diese Ankündigung wahrgenommen, „passiert ist aber bislang nichts“, erklärt NRW-Geschäftsleiter Dirk Jansen. „Wir halten es deshalb für dringend erforderlich, dass entsprechende gesetzliche Regelungen zur Eindämmung der Lichtverschmutzung erlassen und eine Pflicht für kommunale Lichtmanagementpläne eingeführt werden.“
Jansen verweist auf Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Dort werde etwa für neu zu errichtende Beleuchtungen an Straßen und Wegen festgelegt, sie so anzubringen und zu betreiben, dass Tiere und Pflanzen wildlebender Arten vor „nachteiligen Auswirkungen durch Lichtimmissionen“ geschützt sind. Auch bestehende Beleuchtungen an öffentlichen Straßen und Wegen seien demzufolge um- oder nachzurüsten.
Wer sich für den Sternenhimmel erwärmen kann, kann per E-Mail (sternwarte-duisburg@gmx.de) Kontakt mit den Enthusiasten der Rudolf-Römer-Sternwarte aufnehmen. Angeboten werden Fernrohrführerscheine oder gemeinsame Beobachtungsabende.