Am Niederrhein. In deutschen Landen wurden 1848 Rufe nach mehr Bürgerrechten auch am Niederrhein lauter. Ein Rückblick mit unserer Serie „Moment Geschichte“.
Die Märztage des Jahres 1848 waren in den Staaten des Deutschen Bundes von großer Unruhe geprägt. Wenige Tage zuvor, am 24. Februar, hatte in Frankreich der Bürgerkönig Louis-Phillipe abdanken müssen. Ungeheuerliches geschah beim westlichen Nachbarn: die Zweite Französische Republik wurde ausgerufen!
Die Nachrichten schwappten über die Grenze und elektrisierten ganz Europa. Im Deutschen Bund artikulierte sich nun auch die Unzufriedenheit mit den Regenten, auf den Thronen verbreitete sich Angst. Den Anfang machte Baden. Am 27. Februar wurden auf einer Volksversammlung in Mannheim die „gerechten Forderungen des Volkes“ festgelegt und in einer Petition der Regierung in Karlsruhe übermittelt: Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, die Einberufung einer nationalen Volksvertretung und die Volksbewaffnung mit freier Wahl der Offiziere.
Es brodelte in deutschen Landen
Da die Forderungen nicht erfüllt wurden, besetzten die Aufständischen am 1. März 1848 den badischen Landtag. Von da an brodelte es gewaltig in den deutschen Landen. Die Mannheimer Forderungen wurden teils übernommen, teils abgewandelt und ergänzt. In den großen Städten kam es zu Protestmärschen, Aufständen und der Besetzung von Regierungsgebäuden. In Berlin eskalierte am 18. März die Situation bei einer Verkündung von Reformen durch König Friedrich Wilhelm IV. Bei den anschließenden Straßen- und Barrikadenkämpfen verloren über 300 Menschen ihr Leben – die Revolution war ausgebrochen.
Und der Niederrhein? Auch hierhin sprang der Funke über – aber er entzündete sich nicht! Es kam lediglich zu spontanen Zusammenkünften, auf denen Petitionen und Forderungen beraten und verabschiedet wurden. Die Adressaten dieser Bittschriften waren teils die örtlichen Magistrate, die zu Eingaben an die Regenten gezwungen werden sollen, teils wurden sie auch direkt an die Landesherren und ihre Regierungen geschickt.
„Freiheit, Gleichheit, Republik – dann sind wir die Preußen quitt!“
So wurde schon am 7. März in Wesel eine Versammlung einberufen, die dem Gemeinderat eine Petition zur Weiterleitung an den preußischen König vorlegte. Unterschrieben haben laut Protokoll „etwa 350 Bürger“. Auch in Duisburg, Geldern, Kleve, Krefeld und Xanten wie in vielen weiteren Städten und Gemeinden des Rheinlands wurden solche Gesuche eingebracht. Zusätzlich zu den allgemeinen Forderungen nach mehr Bürgerrechten hatten sie oft auch eine anti-preußische Grundstimmung: „Freiheit, Gleichheit, Republik – dann sind wir die Preußen quitt!“ lautete dabei eine viel beschworene Losung.
„Friedrich Wilhelm fürcht´ dich nicht, du hast ja Mörs und Meiderich“
Neben den Wünschen nach Veränderung gab es zeitgleich Bekenntnisse zum Erhalt der Ordnung. Gerade die Ständeversammlungen bekundeten ihren Willen zur Beibehaltung der Verhältnisse und ihre Treue zum preußischen Königshaus. „Friedrich Wilhelm fürcht´ dich nicht, du hast ja Mörs und Meiderich“, wurde zum geflügelten Wort am Niederrhein und benannte zwei Hauptorte der Beharrungskräfte.
Ein häufig eingesetztes Mittel, um eventuelle Schwierigkeiten mit den Aufständischen meistern zu können, war die Einberufung einer Bürgerwehr. „Politisch zuverlässige“ Gemeindemitglieder übernahmen entsprechende Kontroll- und Wachaufgaben – zum Teil rund um die Uhr.
Bürgergarde in Geldern
In Kleve wurden beispielsweise 400 Gewehre aus dem Zeughaus in Geldern an Mitglieder der Bürgerwehr verteilt. In Goch bestand die Bürgergarde aus 140 Bürgern, die ebenfalls mit Gewehren ausgerüstet wurden und nachts durch die Straßen patrouillierten. Der Rheinberger Bürgermeister erhielt vom Landrat die Aufforderung, eine Bürgerschutzwache aufzustellen, damit diese des Nachts die Sicherheit des Städtchens garantieren konnte. Selbst in Wesel, dem Garnisonsstandort, wurde zusätzlich ein Sicherheitsverein ins Leben gerufen, dem die männliche Bevölkerung beitreten sollte.
Aus heutiger Sicht scheinen die Sicherheitsmaßnahmen übertrieben, da außer einigen Bürgerversammlungen und wenigen Protestzügen kaum nennenswerte Aktionen am Niederrhein stattfanden. Zwar fanden wohl erregte Diskussionen und wortreiche Auseinandersetzungen über die genaue Formulierung der Petitionen statt, aber es blieb letztendlich bei Kontroversen über Texte.
Unerfüllte Verheißungen
Einer der schärfsten Entwürfe stammte von Friedrich Engels, der schon zu Beginn des März 1848 nicht nur die Abschaffung der Monarchie forderte, sondern nach amerikanischem Vorbild einen Staatenbund am Rhein, der aus einer ober-, einer mittel- und einer niederrheinischen Republik bestehen sollte. Obendrein prophezeite er, „Belgien und Holland sehnen sich nach dem Augenblicke, wo sie diesem Bunde beitreten werden“. Wie so viele andere Wünsche und Erwartungen aus der Frühphase der Revolution im März 1848, blieb auch diese Verheißung unerfüllt.
Mehr regionale Geschichte lässt sich im LVR Niederreinmuseum in Wesel entdecken.