Kamp-Lintfort. Ob Popcorn oder Nachos: Kino lädt zum Essen und Verweilen ein. Die NRZ hat eine Stunde lang im Kino verbracht – und hinter die Kulissen geblickt.
Süß-salziger Popcornduft schwebt an Filmplakaten und Papp-Aufstellern vorbei durch das Foyer des Kinos „Hall of Fame“ in Kamp-Lintfort. Während sich draußen langsam kalter Nebel auf die nassen Straßen legt, stapeln sich drinnen, umhüllt von warmem Licht, kleine, orangene Kartons mit Nachos hinter der Verkaufstheke. Es ist ruhig an einem Freitagabend um 20 Uhr. Nur vereinzelt kommen Besucherinnen und Besucher durch die Eingangstür. Noch bleibt der große Ansturm aus.
Zeit für einen Blick in die Popcorn-Küche: Zwischen einem Haufen von weißen Säcken, die sich an der Wand türmen, haben sich nur einzelne rote Tüten dazwischen gemischt. „In den weißen Säcken ist das süße, in den roten das salzige Popcorn“, erklärt Lukas Vogt, Auszubildender zum Veranstaltungsmanagement.
Popcorn zubereiten in Schichtarbeit
Zweimal die Woche wird das Popcorn hier in Eigenregie zubereitet – in Acht-Stunden-Schichten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben den Mais in eine Vorrichtung und geben Zucker – oder eben Salz – hinzu. „Danach ist man auch selber ein lebendiges menschliches Popcorn“, erzählt der Auszubildende.
Zurück im Foyer scheint es immer noch ruhig. Zehn Minuten vergehen. Ein Pärchen kommt durch die Eingangstür und läuft händchenhaltend in Richtung Theke. Nach und nach bildet sich eine Traube von Menschen, beginnt doch in einer halben Stunde die nächste Vorstellung des Films „Ein Mann namens Otto“. Auch Astrid Hoffmann und Stefan Heß stehen vor der Anzeigentafel und unterhalten sich miteinander. 30 Jahre kennen die beiden sich schon, sind gut befreundet. Im Kino waren sie aber noch nie gemeinsam – eine Premiere also.
„Gerade bei dem Wetter ist das doch ein super Abendprogramm“, sagt Stefan und lacht, bevor die beiden ihre Bestellung aufgeben. Lange warten müssen sie nicht. „Heute ist es hier ruhiger, an Valentinstag war die Hölle los“, berichtet Michael Seidel, Assistent der Geschäftsführung.
„Kino ist Zuhause“
Ob Corona ihnen geschadet hat? „Klar war es schwierig in der Zeit, aber wir haben uns Angebote einfallen lassen, haben Popcorn und Nachos außer Haus verkauft, damit die Leute Kino nicht vergessen“, so Seidel weiter. Gegen große Ketten wie Cinemaxx oder UCI könne sich das „Hall of Fame“ durchsetzen, ist er sich sicher. „Wir bieten einfach mehr als nur Kino, die Leute fühlen sich hier wohl.“
Einen Ort zum Wohlfühlen, das möchte auch Lukas Vogt schaffen. Er liebt seine Arbeit im Filmtheater. „Kino ist einfach ein Ort, an dem man gerne ist. Kino ist Zuhause. Ein Platz für kleine und große Filme und Menschen“, so der Auszubildende.
Nach dem Film ist vor dem Film: Mitarbeiter befreien die Säle von allerhand Müll
Während Besucherinnen und Besucher nach der Ticketkontrolle an Tischen und Stühlen auf den Einlass warten, öffnen sich nur drei Meter weiter die Saaltüren von Kino 6. Mitarbeiterin Irem Kus und Mitarbeiter Daniel Waclawczyk laufen, ausgestattet mit großer Kehrschaufel in der Hand, in Richtung des Raumes. Das helle Licht strahlt auf die Sitzreihen, in denen bis gerade noch Filmfans in den Kinosesseln versunken waren. Die Leinwand ist jetzt schwarz. Nur noch Popcorn-Reste und ein vergessener Becher, der einsam im Getränkehalter steht, erinnert daran, dass hier bis vor wenigen Minuten noch Menschen saßen.
Oft findet Daniel Waclawczyk auch Verpackungen selbst mitgebrachter Snacks, auch eine leere Dose Whisky-Cola hat der 22-Jährige schon eingesammelt – aber nicht heute. Der Saal ist wieder sauber, Auszubildender Lukas Vogt schaltet das große Licht aus. „Kino 6 ist frei“, ruft er den wartenden Gästen vor dem Saal zu. Endlich!
Projektoren bringen Bilder auf die Kinoleinwände
Um die Bilder nur wenige Momente später auf die große Leinwand zu bringen, braucht es Projektoren, erzählt Vogt und präsentiert den Projektorraum. Ein grauer Kasten, verbunden mit Kabeln und ausgestattet mit der nötigen Technik steht in dem kleinen Raum, der an eine Abstellkammer erinnert.
Von hier aus strahlen die Bilder durch eine kleine Scheibe und werden auf die Leinwand projiziert. „Wir müssen da aber nichts mehr machen, das ist alles automatisiert“, erklärt der angehende Veranstaltungsmanager.
Alle Saaltüren sind mittlerweile geschlossen. Leises Dröhnen dringt aus dem Projektorraum in der ersten Etage. Ein Stockwerk tiefer im Foyer dagegen Stille – nur leises Rascheln kommt von der Verkaufstheke, als eine Mitarbeiterin einen Sack voll mit Popcorn in die Glasvorrichtung kippt – für die nächsten Gäste, die am Abend noch die Wahl zwischen süß oder salzig haben …
Wieso wir eine Stunde im Kino waren
Unaufhaltsam tickt die Uhr auf Mitternacht zu – und damit geht auch unsere Serie langsam dem Ende entgegen. „Schreiben Sie doch mal über das ganz normale Leben der Leute“, haben uns Leserinnen und Leser gebeten. Das tun wir gerne. Mit der Reportage-Serie „NRW rund um die Uhr“ richten wir den Blick auf das Alltägliche. Einmal rund um die Uhr eine Stunde irgendwo in NRW sein, hingucken, zuhören –und aufschreiben, was dort ist. In den nächsten Folgen werden wir noch die Spätschicht im Seniorenheim begleiten und einen Nachtshop besuchen.