An Rhein und Ruhr. Mit Too Good To Go und Foodsharing sollen nicht nur Lebensmittel gerettet, sondern auch viel Geld gespart werden. Ein Selbstversuch

Montagmittag, 13 Uhr. Statt wie sonst in der Mittagspause ein warmes Essen zu genießen, sitze ich am Schreibtisch und scrolle durch die App „Too Good To Go“ – auf der Suche nach Abendessen. Wieso jetzt schon an Abendessen denken? Na ja, vorbereitet müsse man sein, erzählten mir Freunde vor längerer Zeit, als wir uns über die App unterhielten. Das Konzept ist einfach: Geschäfte, Tankstellen und Restaurants verkaufen übrig gebliebene Ware und Lebensmittel zum kleinen Preis. Die App zeigt den Kunden eine Auswahl aller in der Umgebung liegenden Möglichkeiten an, mit einem Klick kann man reservieren und direkt bezahlen. Dadurch schmeißen die Läden nicht nur weniger weg, die Kunden sparen auch Geld – eine Win-win-Situation, dachte ich mir damals schon.

Zwischen Bäckerei, Tankstellen-Supermarkt und Weinhandel fällt mir der Unverpacktladen in den Blick, nicht weit entfernt von meiner Wohnung. Eine „Magic Bag“ (also Überraschungstüte) für 4,50 Euro insgesamt. Normalerweise würde die Ware 13,50 Euro kosten. Neun Euro sparen und Lebensmittel vor der Tonne retten? „Klingt wie etwas, wo man zuschlagen sollte“, denke ich mir, bevor ich eine Überraschungstüte reserviere und mit dem nächsten Klick bezahle.

Magisches vom Sushi-Laden

Abholen kann ich meine Ware ab 19 Uhr, dann habe ich 20 Minuten Zeit. Auf dem Rückweg von der Arbeit schaue ich kurz in dem Laden vorbei, fünf kleine Tüten packt der Verkäufer mir in die Tasche und bestätigt mit einem Streichen über den Bildschirm der App, dass er mir die Ware übergeben hat. Als ich später in Ruhe an meinem Küchentisch sitze, entdecke ich Reis, Trockenfrüchte, Nüsse und Müsli in den unterschiedlichen Papiertütchen.

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Am gleichen Abend mache ich noch eine Bestellung beim Sushigeschäft. Eine „Magic Bag“ sei noch verfügbar, sagt mir die App auf der Startseite, fünf Euro soll eine Portion kosten. „Glück gehabt“, denke ich mir, als ich die letzte noch ergattere. Mittlerweile ist es 20 Uhr, eine Stunde habe ich noch Zeit, dann muss ich spätestens beim Laden sein. Ich mache mich also schnell auf den Weg, rund zehn Minuten bin ich unterwegs.

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Dort angekommen, überreicht mir ein Mitarbeiter die Tüte mit einer großen Portion Sushi. Für fünf Euro hätte ich das wohl nirgendwo bekommen – im Normalbetrieb. Wo ich mir sonst mit vorangegangenem Einkauf etwas gekocht hätte, sitze ich nun und esse das Sushi, das der Laden mir für wenig Geld überlassen hat. An dem Montagabend habe ich ein gutes Gefühl. Nicht nur, dass ich Essen vor der Tonne gerettet habe, auch den Weg zum Supermarkt, den Stress an der Kasse und Geld habe ich mir an diesem Tag gespart.

Lebensmittel umsonst in Fairteilern

In den nachfolgenden Tagen versuche ich es also direkt weiter. Die Bestellung bei REWE To Go um die Ecke beschert mir beispielsweise Schokolade, belegte Brötchen und Laugengebäck für 3,50 Euro. Einkaufen war ich in dieser Woche noch gar nicht. Ungewöhnlich eigentlich, besuche ich sonst mindestens zwei Mal in der Woche den Supermarkt.

NRZ-Reporterin Anna Schlichting hat eine Woche lang den Selbstversuch gemacht.
NRZ-Reporterin Anna Schlichting hat eine Woche lang den Selbstversuch gemacht. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Stattdessen mache ich mich weiter auf die Suche nach Alternativen und Möglichkeiten, Lebensmittel vor der Tonne zu bewahren, dabei stoße ich auf die Initiative „Foodsharing“. Zugegeben: Es ist nicht das erste Mal, dass ich davon höre, befasst habe ich mich bis jetzt aber nicht wirklich damit.

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Dabei handelt es sich um eine Internetplattform, bei der sich Foodsaverinnen und -saver (Lebensmittelretter) engagieren und bei der Verteilung überschüssiger Lebensmittel helfen. Auf der Internetseite finde ich eine Karte, diese zeigt mir „Fairteiler“ in der Nähe an. „Du kannst einfach zu den Fairteilern gehen und dir was holen oder auch hinbringen, dazu solltest du nur die Regeln beachten und schauen, was man reinlegen darf“, erklärt mir eine Foodsaverin aus Essen, mit der ich in Kontakt trete.

Ich schaue mich in Essen um, gleich in der Nähe meiner Wohnung sehe ich einen solchen Kühlschrank, von dem ich vorher nicht wusste, dass er dort steht und mache mich auf den Weg, nur zwei Minuten zu Fuß. Eine Lauchzwiebel und Reste von Suppengemüse liegen im Kühlschrank. Im Regal nebenan eine große Plastikdose mit ein paar Brötchen. Die lasse ich liegen – in der Hoffnung, dass sich jemand anderes an dem Essen erfreuen kann und schaue weiter bei Too Good To Go.

130 Euro und 30 kg CO2 gespart

Für den nächsten Abend habe ich wieder bei einer Bäckerei reserviert. 4,8 von 5 Sternen gaben Nutzerinnen und Nutzer dem Geschäft. Zwischen 18.30 und 19.00 Uhr habe ich Zeit, meine Bestellung abzuholen. Nach Feierabend dann das Ärgernis: Ich stehe im Stau. 19.01 Uhr sagt das Navi. Recht soll es behalten, eine Minute zu spät komme ich am Eingang der Bäckerei an, die Tür ist verschlossen. Auch auf Klopfen reagiert niemand. Genervt steige ich wieder in mein Auto und melde den Vorfall in der App, die mich im selben Moment fragt, ob bei der Bestellung alles geklappt habe.

Doch auch dieses Erlebnis hält mich nicht davon ab, auch in den nächsten Tagen Essen bei Too Good To Go zu besorgen. Am Ende der Woche sagt mir die App, habe ich insgesamt 12 Magic Bags gerettet. 130 Euro gespart und 30 Kilogramm CO2. Das entspricht 5.304 Mal vollständiges Aufladen eines Smartphones, 264 Tassen heißer Kaffee und 1 Stunde und 35 Minuten heiß duschen, bilanziert mir Too Good To Go. Ein gutes Gefühl. Und noch ein netter Nebeneffekt: Gestresst im Supermarkt war ich in dieser Woche gar nicht.