An Rhein und Ruhr. Frühlingsgefühle im Winter: Was bedeuten die milden Temperaturen in NRW für Landwirte, Gartenbesitzer, Imker und Co.? Wir haben nachgefragt.

Wer bereits vor Weihnachten bei Minus-Graden angefangen hat, Schal und Mütze aus dem Schrank zu holen, wurde zum Jahreswechsel mit Temperaturen bis zu 18 Grad überrascht. Seit Tagen schwankt das Thermometer tagsüber zwischen acht bis zehn Grad.

Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Stimmung eingeschweißter Winter- und Schneefans, auch Umwelt und Natur müssen sich dem Klima anpassen. Die NRZ hat mit verschiedenen Experten gesprochen. Dabei wurde klar: Was für die einen erfreulich ist, beschreiben andere schlichtweg als „Katastrophe“.

Die Gartenbesitzer:

Gartenbesitzer werden die Auswirkungen des Wetters vielleicht schon in den nächsten Tagen beobachten können: Wenn die Temperaturen für lange Zeit mild bleiben, fangen Blumen an, ihre Knospen zu treiben, erklärt Christoph Terhorst, Inhaber von Gartenbau Terhorst in Emmerich.

Problematisch würde es werden, wenn ein überraschender Wintereinbruch mit Frost die Knospen kaputt macht. „Der Apfelbaum wird dann keinen Apfel tragen und der Birnbaum keine Birne.“ Laut Terhorst sei die Gefahr von Nachtfrösten durchaus vorhanden, blicke man einmal in die vergangenen Jahre.

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„Es ist ja damit zu rechnen, dass sich die Wetterlage noch einmal ändert, dann gehen die Blüten kaputt.“ Momentan sei die Lage jedoch noch in Ordnung und nicht problematisch, stellt der Gärtner klar.

Das Wald- und Forstamt:

Für die Wälder in der Region stellen anhaltend warme Temperaturen im Winter auf lange Zeit ein Problem dar. „Tage mit mehr als 10 Grad Mitteltemperatur können zu einer einsetzenden Wachstumsphase führen“, erklärt Amadeus Bewer vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW. Durch das frühe Einsetzen der warmen Temperaturen würde sich die Regenerationsphase der Wälder mindern, das führe zu Stress der Pflanzen und mache die Bäume anfälliger für Krankheiten und Schädlinge.

Doch das warme Wetter hat nicht nur negative Effekte auf den Wald: Es fördert den Wuchs eines Pilzes, der die Zahl der überwinternden Borkenkäfer, der häufig für Waldschäden verantwortlich ist, stark reduzieren kann, berichtet der WDR. Außerdem bestehe die Möglichkeit, dass die Kältewelle Mitte Dezember einige Larven des Käfers bereits getötet habe.

Die Landwirte:

Für den Landwirt Diethelm Keesen aus Neukirchen-Vluyn sind die milden Temperaturen im Januar bisher kein Problem. Der Frost im Dezember sei gut für den Ackerbau gewesen, um beispielsweise Schädlinge zu bekämpfen, dem Getreide mache das nichts aus, weiß der Landwirt zu berichten, der unter anderem Mais, Gerste und Weizen anbaut. Für das aktuelle Wetter ist er sichtlich dankbar: „Dadurch kommt ja auch mehr Niederschlag und das ist das, was wir ganz dringend brauchen“, erklärt Keesen.

Momentan sehe er bei den milden Temperaturen kein Problem, schwierig werde es jedoch, wenn das Wetter so bleibe und das Getreide anfinge, zu überwachsen, „das könnte im Februar zu einem höheren Krankheitsbefall führen“, gibt der Neukirchen-Vluyner Landwirt zu bedenken.

Die Imker:

Was für Landwirte und Förster momentan noch kein Problem darstellt, ist für Imker eine „Katastrophe“, so Stefan Loth, Inhaber der Imkerei am Niederrhein in Goch. Bei Temperaturen über acht Grad würden Bienen anfangen, aktiv zu werden. Durch den verfrühten Einsatz der Insekten sei ein Futtermangel jetzt schon programmiert, so der Niederrheiner. Normalerweise würden Bienen erst Ende Februar, Anfang März aktiv werden und bereits jetzt, Anfang Januar, beobachte Loth „Flugverkehr wie am Frankfurter Flughafen“ an seinen Bienenstöcken.

Die Vogelwelt:

Anders als die Bienen, können sich Vögel in der Region über das aktuelle Wetter freuen. So erklärt der NABU, dass die milderen Temperaturen den Wintervögeln eine entspanntere Nahrungssuche bescheren könne. „Ohne Frost und Schnee finden sie ihr Futter leichter in der Natur“, heißt es in einer Mitteilung. „Dazu kommt noch, dass durch das Mastjahr Eichen, Buchen, Fichten und Co. viele Früchte gebildet haben. Für Arten wie Kleiber, Eichelhäher, Kernbeißer und Finken ist das wie ein Schlaraffenland“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Die Talsperren:

Britta Balt, Pressesprecherin vom Ruhrverband, der neun Talsperren im Gebiet betreibt und damit die Trinkwasserversorgung in der Region sicherstellt, erklärt: „Was wir beobachten ist, dass der Klimawandel auch im Ruhrgebiet angekommen ist.“ Trotzdem stünden die Talsperren-Füllstände schon jetzt besser da, als beispielsweise zu Jahresbeginn 2021.

Momentan liegen die Füllstände bei 95 Prozent vom langjährigen Mittel, und das nach einem sehr trockenen Sommer im vergangenen Jahr. Der Ruhrverband sehe bei den Füllständen eine „gute Richtung“, so die Sprecherin. Sorge, dass es nun jedes Jahr trockener werde als der langfristige Durchschnitt, bleibe trotzdem.

Die Wetter-Experten:

Wer sich im Januar auf einen Wintereinbruch gefreut hat, dem nimmt Diplom-Meteorologe Jürgen Schmidt schnell die Hoffnung: „Es wird die nächsten Tage erst einmal mild weitergehen“, erklärt der Geschäftsführer von WetterKontor im Gespräch mit der NRZ. Kleinere Temperaturschwankungen könnten zwar vorkommen, trotzdem schließe der Wetter-Experte einen Wintereinbruch im Januar aus. Die milde Luft aus Westen sorge für Temperaturen zwischen acht bis zwölf Grad.