Lützerath. Die Räumung des besetzten Dorfes Lützerath soll in der nächsten Woche erfolgen. So ist die Stimmung vor Ort und das sagen Aktivisten und Polizei.
Donnerstag, 11 Uhr. Wind weht vorbei an dem großen gelben „X“, das den Eingang zu dem kennzeichnet, was von Lützerath übrig geblieben ist. Fast schon dystopisch wirkt die Szenerie, die sich um das Dorf herum abspielt. Menschen mit weißen Malerkitteln und vermummten Gesichtern haben Steine auf dem Boden gestapelt, verkleidete Bauzäune verhindern das Durchkommen von Fahrzeugen.
Links Plakate, die den Erhalt von „Lützi“ fordern, rechts ein Großaufgebot an geparkten Polizeiwagen wirken wie ein Sinnbild für das, was seit diesem Montag Realität ist: Polizeikräfte und Aktivisten stehen sich gegenüber. Seit Anfang dieser Woche bereitet die Polizei die Räumung des Ortes Lützerath vor, Hunderte Kräfte sind vor Ort, stehen vor der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler, während der Bagger im Hintergrund auf Hochtouren arbeitet und Transporter das abgegrabene Gut wegtransportieren.
Tausend Beamte für die Räumung
Unterstützt wird die Polizei Aachen bei ihrem Einsatz bereits jetzt von anderen Behörden, wie Pressesprecher Andreas Müller erklärt. Wenn es in der nächsten Woche zur Räumung kommt, sollen es über Tausend Polizeibeamte werden.
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Dass die Hundertschaft vor Ort ist, löse bei den Aktivisten Nervosität aus, erklärt Ginkgo (ein Aktivistenname). Sie gehört zur Organisation „Lützerath lebt“ und setzt sich aktiv dafür ein, die Räumung des Dorfes und die Abgrabung der Braunkohle in Lützerath zu verhindern. Die oftmals kommunizierte angespannte Lage im Ort beschreibt sie wie folgt: „Klar ist das Stress für uns, man hat das Gefühl, jetzt passiert hier etwas, aber es pusht uns auch und treibt uns an“, erklärt Ginkgo.
Vertrauen in die Politik geht verloren
Dass es am Montag zu kleineren Rangeleien zwischen Polizeikräften und Aktivisten gekommen ist, empfinde sie als nicht zielführend. „Uns liegt das Wohl der Menschen hier am Herzen, auch der Menschen, die hier arbeiten.“ Ihr Ziel sei schon lange nicht mehr die Verhinderung der Räumung, aber vielmehr die Hinauszögerung dessen, was die Polizei für nächste Woche ankündigt.
Als Frederik Antary am letzten Wochenende nach Lützerath kam, habe er nicht damit gerechnet, dass es zu Eskalationen kommen würde, „leider ist aber genau das eingetroffen“, erklärt das Mitglied der Grünen Jugend, deren ehemaliger Landessprecher er ist. Das, was er am Montag gesehen hat, beschreibt der 26-Jährige als „erschreckend“. „Die Rede ist immer von Deeskalation und Transparenz, aber genau das Gegenteil wird erreicht“, findet der Bochumer.
Aktivisten haben Sorge vor den nächsten Tagen
Auch seine Bekannte Lotte Milow ist am Dienstag nach Lützerath gekommen. „Ich kann nicht Zuhause sitzen, wenn ich weiß, ich werde hier gebraucht“, beschreibt sie ihre Motivation. Wenn sie auf die anstehende Räumung blickt, wirkt sie nachdenklich: „Ich habe wirklich Sorge davor, dass es Verletzte geben wird“, äußert sie ihre Bedenken.
Momentan scheint die Lage jedoch ruhig. „Es gibt immer mal wieder Laufspielchen und es kommt zu kleineren Bewürfen mit Steinen, aber es ist weit entfernt von dem, was man Ausschreitungen nennen würde“, erklärt Polizeisprecher Andreas Müller. Auch bei dem Vorfall am Montag sei vorher klar kommuniziert gewesen, dass die Polizei plane, die Barrikade abzubauen, um wichtige Zufahrten für den Einsatz freizulegen. Verletzte gab es auch bei dieser Auseinandersetzung nicht.
Bisher nur kleine Barrikaden
Ähnlich solle die Kommunikation auch in der nächsten Woche laufen. „Es wird von uns vorher das Signal geben, damit die Besetzer und Aktivisten die Möglichkeit haben, das Dorf friedlich zu verlassen.“ Wann genau es zur endgültigen Räumung kommen wird, ist bisher unklar. Alles nach dem 10. Januar sei denkbar, bis dahin sei zu hoffen, dass die Lage nicht weiter eskaliere. „Unser Einsatz ist auf Deeskalation ausgerichtet“, bis jetzt klappe das scheinbar gut.
„Es gibt keine Baggerbesetzung und auch keine Störaktionen, nur einzelne Barrikaden, um die Arbeiten zu verhindern.“ Einzelne Festnahmen habe es bereits gegeben, im Großen und Ganzen sei die Lage aber kontrollierbar. Doch auch aufseiten der Polizei blicke man mit Angst auf die nächste Woche. „Wir haben Sorge davor, dass sich die Räumung nicht auf friedliche Art und Weise lösen lässt, trotzdem bleibt die Hoffnung, dass wir durch Kommunikation viel erreichen können“, erklärt der Sprecher.
Hoffnung auf friedliches Ende
Kommunikations-Teams der Polizei würden eingesetzt, um zwischen Aktivisten und Polizeibeamten zu vermitteln, so Müller weiter. Wie sich die Lage bis zur Räumung entwickeln wird, scheint unklar, die Hoffnung auf ein friedliches Ende bleibt aber auf beiden Seiten.