Benin/Gohomey/Kevelaer. Es war eine Reise voller Emotionen, es gab schöne Erlebnisse und böse Überraschungen. Niederrheiner helfen im Buschkrankenhaus der APH in Benin.
Ein Dorf mitten im westafrikanischen Busch, Gohomey. Eine lange, vom roten Staub gepuderte, holprige Buschstraße, rechts und links verteilen sich kleine, einfache Hütten. Es gibt keinen Strom, kein fließendes Wasser, ein paar mickrige Ziegen knabbern sich durch vertrocknete Pflanzenstängel. Die Menschen hier sind arm, oft reicht das Geld nicht einmal für eine Mahlzeit am Tag, wer medizinische Hilfe braucht, hat mehr als nur ein Problem.
Seit fast 30 Jahren engagiert sich eine Hilfsorganisation vom Niederrhein für die Landbevölkerung im Busch von Benin, die in Kevelaer beheimatete „Aktion pro Humanität“ (APH).
Seit fast 30 Jahren engagiert sich die Aktion pro Humanität in Benin
Das Team und die Kevelaerer Medizinerin Dr. Elke Kleuren-Schryvers hat hier mit Spendenhilfe eine Krankenstation aufgebaut, ein groß gewordenes Hospital mit mehr als 100 Beschäftigten und 80 Betten ist in all diesen Jahren entstanden – mitten im Nichts. Röntgenanlage und hochmoderner Operationscontainer inklusive, alle, die hier arbeiten, haben einen sicheren Job, ein regelmäßiges Einkommen. Es gibt einen Betriebsrat und eine Altersvorsorge.
Im Buschdorf Gohomey
In den Dörfern ringsum ist die Zeit nicht weit gekommen – die Menschen leben hier immer noch wie vor 50 oder noch mehr Jahren – der einzige Fortschritt sind die in der Sonne blau schimmernden Wellblechdächer, die die Strohdächer abgelöst haben, weitestgehend. Was für ein Kontrast zum Leben im Zentrum der Großstadt Cotonou, mit den neuen modernen Geschäftsgebäuden, schicken Wohnhäusern mit Glasfront und der prächtigen sechsspurigen Straße vom picobello-modernen Flughafen ins Zentrum hinein – blühende Grünstreifen und Ampeln, die die Rot- und Grünphase im leuchtenden Display schick herunterzählen...
Monsieur Bada schaukelt mich mit einem Mofa – das aussieht, als hätte es in seinem Ursprungsland China schon die besten Jahre lange hinter sich gelassen, über rumpelige Wege in sein Heimatdorf, gleich in der Nachbarschaft des Buschkrankenhauses der APH. Ja, die Chinesen – nicht nur Mofas haben sie hierher geschickt, sie haben Straßen gebaut und Brücken und ganze Ministerien.
Die Frauen machen sich schon frühmorgens auf den Weg zum Markt
Und auch russische Investments mehren sich und schenken dem kleinen westafrikanischen Land Benin so etwas wie europäisches Großstadtflair. Zumindest in den großen Vorzeigestädten.
Es ist heiß Anfang November, zum Ende der Regenzeit klettern die Temperaturen auf 35 Grad – gefühlt sind es um die 40 Grad. Die Menschen im Busch haben ihr eigenes Tempo, manche sitzen vor ihren Hütten und dösen im Schatten (ja, pardon, es sind die Männer, die dösen, Frauen wuseln immer irgendwie herum).
Die Aktion pro Humanität
Seit knapp 30 Jahren engagiert sich die Aktion pro Humanität (APH) medizinisch und mit sozialen Projekten für die Landbevölkerung in Benin, in Gohomey, etwa 170 Kilometer von der Großstadt Cotonou entfernt. Ein- bis zweimal im Jahr reist ein ehrenamtliches Team auf eigene Kosten ins „Centre Medical“, um zu helfen. Dieses Mal dabei waren u.a. Zahn- und Allgemeinmediziner- und innen, ein Internist, eine Endoskopieschwester, Techniker und eine Fachfrau für social media. Finanziert wird das Projekt mit mehr als 100 afrikanischen Beschäftigten durch Spenden. „Wir werden wohl mehr und mehr ein Armenkrankenhaus werden und künftig noch mehr unterstützen müssen“, so APH-Gründerin Dr. Elke Kleuren-Schryvers.
Die meisten Frauen haben sich frühmorgens auf den Weg zum Markt gemacht, ein, manchmal zwei Kinder im Tragetuch auf den Rücken gebunden, eine große Schüssel mit selbstangebautem Maniok auf dem Kopf – oder ein paar Tomaten, Ananas, Erdnüssen.
Wie viele Menschen leben im Dorf Gohomey frage ich meinen Chauffeur mit der frontalen Zahnlücke. Monsieur Bada guckt ein bisschen irritiert. Wer will denn so etwas wissen? Vor vielen Jahren schon hat er bei APH einen Job gefunden hat, wie sein Bruder und auch sein Cousin – als Chauffeur, Gärtner, Bote, Wächter.
Die Menschen haben kein Geld mehr, um sich medizinisch behandeln zu lassen
Er zieht die Schultern hoch. „Viele“, sagt er in seinem murmeligen Busch-Französisch. „Viele.“ Einer von den vielen ist Solevo Betahou, 37 Jahre alt, Friseur. „Seine Frau ist tot, er verbringt mit seinen Kindern mehr Zeit in unserer Krankenstation als in seinem Dorf“, hat APH-Projektleiter Dieudonné Bouba mir mit auf den Weg gegeben.
Das Krankenhaus ist rappelvoll
Monsieur Solevo hat acht Kinder zu versorgen, er hat einen akkurat gebügelten, blauen Boubou an – ich frage mich immer wieder, wie die Menschen es hier schaffen, so schick, sauber und adrett zu sein – ohne Dusche, Waschmaschine und Kleiderschrank. Bon soir sage ich, Baba übersetzt das in Stammessprache Aja. „Wie geht es Ihnen?“ –
Die Landbevölkerung wird immer ärmer
„Es geht“, sagt der Friseur, dessen einzige Einnahmequelle im Moment das Krankenausprojekt der APH ist. „Ich schneide allen Kindern dort die Haare.“ Im Dorf hat niemand mehr das Geld für einen Friseurbesuch. Das mit dem Tod der Frau sei schlimm gewesen. Jetzt hat er zwei neue Frauen und drei zusätzliche Kinder zu den fünfen, die er mit seiner ersten Frau hatte. Die elfköpfige Familie lebt in einem Raum – das einzige Inventar sind ein paar Matten, auf denen geschlafen wird.
„Die Landbevölkerung wird wieder ärmer“, sagt APH-Vorsitzende Dr. Elke Kleuren-Schryvers. „Sobald ein Familienmitglied krank wird, etwa Malariamedikamente für ein Kind benötigt, gerät das ganze Budget aus den Fugen. Dann müssen alle anderen hungern, damit einmal Malariatabletten gekauft werden können.“
Ein Sozialfonds für Familien, die kein Geld haben, um Medikamente oder eine medizinische Behandlung zu bezahlen
Der Krieg in der Ukraine hat selbst hier im westafrikanischen Busch Folgen. Diesel wird fast unbezahlbar, Lebensmittel einzukaufen kann sich kaum jemand leisten.
APH hat einen Sozialfonds eingerichtet, aus dem heraus arme Familien unterstützt werden, die kein Geld mehr für eine medizinische Behandlung haben.
Derweil kann das Team um Dr. Rüdiger Kerner, Chefarzt im Marienhospital Kevelaer, seine medizinische Arbeit tun, die Zahnarztfamilie Klein aus Kevelaer hat überraschenderweise plötzlich keine Arbeitserlaubnis bekommen – die Amtswege sind mitunter schwer nachvollziehbar.
Dennoch haben die drei Klein-Doktoren (Vater, Mutter, Tochter) unverdrossen die zahnärztliche Buschpraxis aufgebaut und einsatzfertig gemacht, inklusive nagelneuem Behandlungsstuhl und digitalem Röntgengerät.
Ab Dezember soll eine beninische Zahnärztin hier arbeiten können. „Das ist ja im Grunde auch der Sinn unseres Tuns“, so Dr. Roland Klein. „Helfen, damit die Beniner selbst helfen können.“