An Rhein und Ruhr. Der Mord an einer jungen Frau in Lohmar sorgte 1987 in ganz NRW für Aufsehen. Nun kommt der Fall vor Gericht. Wie Cold-Case-Ermittler arbeiten.
- In NRW gibt es laut dem LKA rund 1100 Cold Cases.
- Bei der Ermittlung helfen sogenannte „Rentner-Cops“, also erfahrene Kripobeamte im Ruhestand.
- In einem bekannten Cold Case aus Lohmar konnte ein Verdächtiger angeklagt werden.
Der Mord an Claudia Otto erschütterte die Menschen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 1987. Die Leiche der 23-Jährigen aus Lohmar (Rhein-Sieg-Kreis) wurde auf ihrem Bett gefunden – mit Nylonstrümpfen gefesselt und mit einer Krawatte erdrosselt. Lange tappte die Polizei im Dunkeln, der Fall wurde zum „Cold Case“ (deutsch: „kalte Fälle“).
Nun, 35 Jahre später, konnten die Mordermittler einen Verdächtigen festnehmen. Beim Prozessauftakt vor dem Bonner Landgericht am Donnerstag schwieg der Angeklagte, über seinen Anwalt ließ er die Tat abstreiten. Der 66-Jährige ist der Justiz bestens bekannt, erst 2020 ist er nach 32 Jahren aus dem Gefängnis entlassen worden. 1988 hatte er im Sauerland eine Großmutter und deren 15 Monate alten Enkel getötet, den er zuvor entführt hatte.
Ermittler im Ruhestand helfen bei der Aufklärung von Cold Cases in NRW
Das Landeskriminalamt ist sich sicher, dass es sich bei dem Angeklagten um den lange gesuchten Mörder von Claudia Otto handelt, das habe das Ergebnis einer DNA-Analyse zweifelsfrei gezeigt. Moderne Technik und eine Gesetzesänderung bringen seit 2019 neuen Schwung in alte Mordfälle. Seitdem können die Ermittler von der sogenannten DNA-Phänotypisierung Gebrauch machen. Eine LKA-Sprecherin erklärt: „Hierbei können nun ermittlungsdienliche Aussagen über die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter eines unbekannten Spurenlegers getätigt werden.“
Doch nicht nur technische Neuerungen helfen bei der Aufklärung jahrzehntealter Kriminalfälle, sondern auch die Alt-Ermittler. Das sind 28 pensionierte Kriminalbeamtinnen und -beamte zwischen 62 bis 66 Jahren, die lieber alte Mordakten wälzen als ihren Ruhestand zu genießen. Ende vergangenen Jahres wurden sie als Unterstützungskräfte für Langzeitfälle beim LKA eingestellt – und konnten bereits in mehreren Fällen zur Aufklärung beitragen. So auch beim Mord an Claudia Otto.
Polizei in NRW überlastet – Mordermittler dankbar für „Rentner-Cops“
Zusätzliches Personal für die 1143 Langzeitfälle, die das Landeskriminalamt zwischen 1970 und 2015 in Nordrhein-Westfalen zählt, ist bei den Polizeibehörden an Rhein und Ruhr gerngesehen. Aus Polizeikreisen heißt es, den Todesermittlern fehle im Alltag oft die Zeit für Cold Cases. Aktuelle Fälle gehen eben vor. „Unsere Mordkommission ist dermaßen überlastet, dass es schwer ist, solche alten Fälle neu aufleben zu lassen“, berichtet Stefan Hausch von der Polizei Duisburg.
Der große Vorteil der „Rentner-Cops“, wie Hausch die Altermittler liebevoll nennt, sei ihr unvoreingenommener und dennoch qualifizierter Blick auf ungelöste Altfälle. Von denen hat die Duisburger Behörde aktuell zehn, davon fünf im Kreis Wesel. Hoffnung gibt es im Fall Ahmet T., der 1998 im Keller seines Wohnhauses in Duisburg-Hüttenheim erschossen gefunden wurde. Mit neuen Vermessungsmethoden konnte dabei der Schusswinkel rekonstruiert werden – ein guter Einfall der pensionierten Beamten.
Cold Cases NRW: Die Fallzahlen an Rhein und Ruhr im Überblick
Viele Ermittlungen führen sie ebenfalls nach Düsseldorf. Zwischen 50 und 100 Altfälle in der Landeshauptstadt sind laut einem Sprecher der Polizei Düsseldorf ungelöst, von versuchtem Totschlag bis Mord. Im Kreis Kleve wird in sieben Cold-Case-Fällen seit den 70er-Jahren ermittelt, wie die örtliche Staatsanwaltschaft mitteilt.
Auch die Mordkommission der Polizei Essen, die auch die Nachbarstädte Mülheim und Oberhausen betreut, hat ungeklärte Fälle, die sie seit vielen Jahren und Jahrzehnten begleiten. Aus Mülheim ermittelt das Polizeipräsidium im Fall der seit 2018 vermissten Birgit Rösing und aus Oberhausen in dem Fall der 1997 ermordeten Cindy Koch. Aus Essen zählen dazu die Fälle der 2000 verschwundenen Bianca Blömeke und des seit 2013 vermissten Pierre Pahlke.
Cold Cases Essen: Viele Hinweise durch „Aktenzeichen XY ungelöst“
Auf der Suche nach dem Täter der Missbrauchsfälle Stefanie M. – der Name wurde geändert, da die Geschädigte die Tat glücklicherweise überlebte – und Marijana Krajina, die im Jahr 1992 missbraucht und getötet wurde, hat sich die Polizei Essen im August medial um Hinweise gebeten. „Durch den Gang an die Öffentlichkeit erhoffen wir uns neben Zeugen, die sich zufällig an etwas erinnern können, auch auf Mitwisser, die sich nach all den Jahren von ihrem schlechten Gewissen freimachen wollen“, erklärt Polizeioberkommissarin Vivien Volkmann. Nach der Ausstrahlung der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ seien diverse Hinweise eingegangen – nach all den Jahren.
Ein Zeichen, dass Cold Cases nicht aufgegeben werden sollten, wie Stefan Hausch von der Polizei Duisburg meint: „Selbst wenn wir nur in einem von hundert Fällen jemanden zur Rechenschaft ziehen können, der getötet hat, ist es den Aufwand wert.“ (mit dpa)