An Rhein und Ruhr. Die Zeitumstellung hat uns eine Stunde geschenkt. Wir wollten diese bestmöglich nutzen – und sind in einem 24-Stunden-Fitnessstudio gelandet.
Einige Fitnessstudios haben rund um die Uhr geöffnet. Aber welche Menschen kommen eigentlich auf die Idee, zu später Stunde Gewichte zu stemmen? Außerhalb von Schichtarbeit und dem schlechten Gewissen nach einem Tag auf der Couch gibt es kaum Anlass, das nächtliche Bett gegen die Trainingshalle einzutauschen. Zu kostbar ist für viele Menschen die Zeit zur Erholung. An einem Tag des Jahres verliert dieses Argument jedoch seine Kraft, nämlich dann, wenn uns die Umstellung zur Winterzeit mitten in der Nacht 60 Minuten schenkt.
Die gilt es nun produktiv zu nutzen, Schlaf ist für die Schwachen, sagt man doch. Und auf den zwei Etagen voller Eisenstangen, Gewichtsscheiben und Medizinbällen, auf denen ich den Moment der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit zelebrieren werde, ist mit Schwachen kaum zu rechnen.
Fitnessstudio NRW: Das sind die Aufgaben eines Nachtwächters
Den Beweis dafür bietet Malik Kurz, seit einem Jahr Wochenend-Nachtwächter des 24-Stunden-Studios der Kette „FitX“ am Duisburger Hafen. Dass der junge Mann mit den definierten, von Tattoos übersäten Oberarmen unter der Woche hauptberuflich zum Chemikanten ausgebildet wird, passt auf den ersten Blick schwer ins Bild. Holzfäller oder Bodyguard wären nahe liegender. „Guten Abend, du bist hier für das Probetraining, richtig?“, fragt das Muskelpaket und öffnet per Knopfdruck mit dem Drehkreuz das Tor in die Welt der Eiweißriegel und Hantelbänke.
„Normalerweise ist um diese Zeit mehr los“, sagt Malik und zeigt auf die verwaisten Trainingsgeräte. Lediglich eine Frau in den Zwanzigern ist zu sehen, die bereits fertig umgezogen in einem Loungesessel darauf wartet, mit ihrer noch trödelnden Trainingspartnerin das Studio zu verlassen. „Heute finden schon viele Halloween-Partys statt“, meint der Nachtwächter. Er muss durch die Zeitumstellung länger arbeiten, zehn statt neun Stunden lang wird er in dieser Nacht die Geräte säubern, Umkleiden kontrollieren und nicht weggeräumte Gewichte sortieren – egal wie leer es ist. Erst um sieben Uhr morgens wird er abgelöst. „Aber für dich ist es ja gut, dann musst du an den Geräten wenigstens nicht warten.“
Fitnesstrainer aus Duisburg: „Jeder Mensch hat die Zeit für eine Stunde Sport am Tag“
Recht hat er, und so geht es ohne Umweg in die Umkleidekabine. Während ich meine Jeans gegen eine Trainingshose tausche und in meiner Tasche nach der Trinkflasche einer konkurrierenden Kette krame, die als letztes Relikt an die eigene, längst vergangene Zeit im Fitnessstudio erinnert, schallt aus dem Duschraum plötzlich eine Diskussion. „Bruder, warum holst du dir nach dem Training eigentlich immer diese Shakes?“ „Protein hilft deinen Muskeln dabei, schnell zu regenerieren“, antwortet der erfahrenere der beiden Jugendlichen schulbuchmäßig. Doch der Eiweißfan und seine Begleitung verlassen das Studio wenige Minuten vor der Zeitumstellung. Wieder keine Gesellschaft, wenn der Stundenzeiger von 3 auf 2 Uhr zurückspringt.
Vorab noch ein schneller Blick auf den Trainingsplan, den mir der stellvertretende Studioleiter Marius Grote im Vorfeld erstellt hat. Er ist überzeugt, dass jeder Mensch – ganz gleich wie beschäftigt oder in welchem Alter – Zeit finden sollte, um Körper und Geist gesund zu halten. In nur einer Stunde könne man schon viel Gutes für sich tun.
Fitnessstudio: So viele Kalorien kann man in 10 Minuten verbrennen
Den Auftakt machen zehn Minuten Ausdauertraining auf dem Crosstrainer. Nach sieben Minuten intensiven Strampelns macht sich die Anstrengung von der Stirn tropfend bemerkbar, zum Glück ist das Handtuch in Griffnähe. Nach zehn Minuten zeigt das Gerät die Statistiken an. Auf einer Strecke von drei Kilometern konnte ich 107 Kilokalorien verbrennen – also etwa einen kleinen Schokoriegel. Mit einer Durchschnittsleistung von 154 Watt hätte man zumindest eine Glühbirne zum Leuchten bringen können – wenn denn eine da gewesen wäre. Nicht schlecht für den Anfang. Und doch anstrengend. Der Wasserverlust treibt mich an die Bar, an der die Zapfhähne Delikatessen wie „Grüner Tee Minze“, „Grapefruit Zitrone“ oder „Eistee Pfirsich“ versprechen. Den Zuschlag erhält aber „Wasser still“.
Im Erdgeschoss warten sechs Übungen für Bauch, Beine und Rücken. Immer drei Durchgänge á 15 Wiederholungen. Schultern und Brust stehen nicht auf dem Plan, die würden durch die nach vorn gebeugte Haltung am Schreibtisch genug strapaziert.
Fazit: Workout im Fitnessstudio ist die bessere Alternative zur Halloween-Party
Neben der Beinpresse, einem Gerät, an dem eine mit Gewichten versehene Platte im Liegen vom Körper weggedrückt werden soll, warnt ein Schild „Training in Badeschlappen verboten“. Wer einmal Videos von herausspringenden Kniescheiben bei falscher Ausführung der Beinpresse gesehen hat, wäre auf diese Idee auch kaum gekommen. Nach dem 45. Wegtreten der 80-Kilo-Platte machen sich die sonst von ergonomischen Bürostuhlpolstern verwöhnten Oberschenkel bemerkbar. Muskelkaterwahrscheinlichkeit: 100 Prozent.
Nach drei Durchgängen von Situps mit einem 25 Kilo schweren Rucksack steht der letzte Punkt des Trainingsplans an: Auslaufen. Zehn Minuten, dann ist es geschafft. Durch die Fensterfront sehe ich ein Taxi viel zu schnell über die Ruhrorter Straße rasen. Wohin es den Fahrgast wohl zieht? Vielleicht war er ja auf einer Halloween-Party, denke ich. Neidisch werde ich bei dem Gedanken, verfrüht ein US-Kürbisfest zu feiern, nicht. Auf dem Laufband habe ich die geschenkte Stunde sicher sinnvoller gestaltet – wenngleich die Vorfreude auf eine Dusche und das heimische Bett um 3 Uhr nachts nicht von der Hand zu weisen ist.