An Rhein und Ruhr. Die Zahlungen für Fachkräfte an Krankenhäusern führen zu Unmut in der Region, da viele Beschäftige leer ausgehen. Das fordern Betriebsräte.

„Ungerecht und unglaublich“, oder „Das ist also die Wertschätzung, von der in den letzten Jahren so oft gesprochen wurde?“: Äußerungen von Krankenpflegerinnen und -pflegern wie diese, die der NRZ vorliegen, fallen derzeit an vielen Krankenhäusern in der Region. Auslöser ist der vom Bundestag beschlossene Pflegebonus für in der Corona-Pandemie besonders belastete Pflegekräfte. Denn bei den aktuell stattfindenden Auszahlungen wird eine Zwei-Klassen-Gesellschaft deutlich, profitieren viele Beschäftige nicht. Der gut gemeinte Bonus wird so zum Spaltpilz.

Krankenhaus als „Mannschaftssport“

Für Dr. Burkhard Heitmann, Betriebsrat im BG Klinikum Duisburg, ist „Krankenhaus ein Mannschaftssport. Punktuell nur die herauszunehmen, die direkt mit Corona-Patienten zu tun haben, halte ich für falsch.“ Schon in der Vergangenheit hätten Ungleichbehandlungen bei vorangegangenen Prämien für großen Unmut und Stress gesorgt – dabei hätten die Klinikbetreiber zum Teil die Prämien sogar noch aufgestockt. „Auch die Reinigungskräfte oder Handwerker leisten beispielsweise ihren Anteil“, so der Chirurg und stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.

Viele Beschäftigte würden anderen im Hintergrund den Rücken freihalten. „Ich hätte mir an anderer Stelle eine Entlastung gewünscht, etwa durch einen steuerlichen Freibetrag.“

Norbert Behrs, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung Evangelisches Klinikum Niederrhein (EVKLN), reiht sich ein in die Phalanx der Kritiker. „Die Begrenzung auf lediglich vollexaminierte Pflegekräfte, die die Mindestvoraussetzungen erfüllen, ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar.“ Teilzeitkräfte, Krankenpflegehelfer (KPH), in der Pflege tätige Arzthelferinnen oder Medizinische Fachangestellte sowie Pflegefachkräfte in der Psychiatrie würden nicht berücksichtigt.

Notaufnahmen außen vor

Aus Sicht der Mitarbeitervertretung besonders pikant ist die Nichtbeachtung der Pflegefachkräfte in den Notaufnahmen. „Der dahinter liegende Sinn (so er vorhanden ist) erschließt sich uns nicht.“ Die Kritik am Gesetzgeber sei legitim, „wobei dies nichts mit der aktuellen Ampelkoalition zu tun hat. Auch die erste sogenannte Corona-Prämie noch unter der Großen Koalition war mehr als stümperhaft.“

Ein „Corona-Bonus“, wie er in den Pflegeheimen für alle dort Beschäftigten abgestuft nach Tätigkeiten/Berufsgruppen gewährt wird, wäre aus Sicht von Behrs, selber Facharzt für Anästhesiologie, „sicherlich die gerechtere und intelligentere Lösung auch für die Krankenhäuser gewesen“.

Um den Pflegekräften allgemein mehr Anerkennung zukommen zu lassen, wäre eine komplette Überarbeitung des Gesundheitssystems notwendig. Hierbei zielt Behrs vor allem auf eine „spürbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen“ ab. „Eine Verbesserung der Vergütung sehen wir da erst an zweiter Stelle.“

Der Arzt gibt sich „allerdings nicht der Illusion hin, dass sich dort etwas spürbar in dieser Legislaturperiode verändern wird“.

Offener Brief an Karl Lauterbach

Nicht gut zu sprechen auf den Bonus sind auch die Pflegekräfte der katholischen Kliniken in Hagen. Sie haben sich mit einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gewandt. „Von den knapp 550 Vollkräften in der Pflege in unserer GmbH, sind nach Ihren Kriterien gerade einmal 274 Vollkräfte berechtigt, den Pflegebonus zu erhalten“, schreibt die Mitarbeitervertretung darin.

„Unsere Pflegekräfte, die in den Bereichen Psychosomatik, OP, Anästhesie, Ambulanz, Endoskopie, Psychiatrie – hier wurden auf allen Stationen Corona-Patienten betreut – und weiteren Funktionsbereichen arbeiten, gehen komplett leer aus. Pflegehelfer, mit Examen nach einem Jahr Ausbildungszeit, sowie Auszubildende in der Pflege gehen leer aus, selbst wenn sie gemeinsam mit bezugsberechtigten Kolleginnen und Kollegen auf der Covid-Station gearbeitet haben“, heißt es dort weiter.

Als Mitarbeitervertretung stelle man sich vor alle Mitarbeitenden. „Wir gönnen jedem seine Prämie. Da es sich hier jedoch um einen Pflegebonus handelt, fordern wir, diese Ungerechtigkeiten, die für reichlich Zündstoff, Neid und Zwist sorgen, wenigstens in dem angedachten Bereich, nämlich der Pflege, nachträglich zu verbessern.“

Geregelt ist der sogenannte „Pflegebonus“ im Krankenhausfinanzierungsgesetz, genauer gesagt im „§ 26e Erneute Sonderleistung an Pflegefachkräfte aufgrund von besonderen Belastungen durch die SARS-CoV-2-Pandemie“. Mittel zur Auszahlung eines Pflegebonus bekommen Krankenhäuser, die im Jahr 2021 besonders viele mit dem Coronavirus infizierte Patientinnen und Patienten zu behandeln hatten, die beatmet werden mussten.

Erfasst werden Krankenhäuser, in denen im Jahr 2021 mehr als zehn infizierte Patientinnen und Patienten behandelt wurden, die mehr als 48 Stunden beatmet wurden – insgesamt sind das 837 Krankenhäuser. Die Krankenhäuser geben den Bonus an Pflegefachkräfte in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen und Intensivpflegekräfte weiter, die im Jahr 2021 für mindestens 185 Tage in dem Krankenhaus beschäftigt waren. Die Prämienhöhe für Intensivpflegefachkräfte soll um das 1,5-Fache höher liegen, als für Pflegefachkräfte auf bettenführenden Stationen.

Fachabteilungen wie Ambulanz, die Anästhesie oder die Endoskopie sind aber nicht „bettenführend. Beschäftigte dort kommen somit nicht für eine Auszahlung infrage, für die der Bund insgesamt 500 Millionen Euro bereitgestellt hat.