An Rhein und Ruhr. Zinsen für Baukredite sind auf dem höchsten Stand seit Jahren. Alte Häuser werden dadurch billiger. So sehen Immobilienexperten die Lage in NRW.

  • Die Zinsen für Baukredite sind mit 4 Prozent so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr.
  • Dadurch sinkt der Wert vieler Immobilien in NRW – einige Besitzer lassen sich zu schnellen Verkäufen hinreißen.
  • Auch für Neubau-Häuser und Wohnungen steht der Markt wegen des Ukraine-Kriegs unter Druck.

In seinen Beratungsgesprächen hat Albert Brands zunehmend mit verunsicherten Gesprächspartnern zu tun. Denn der Immobilienmarkt in NRW ist so unvorhersehbar wie seit langem nicht mehr. Anfang dieses Jahres lagen die Zinsen für Baukredite noch bei rund einem Prozent. Mit Beginn des Ukraine-Krieges und der daraus resultierenden Inflation steigen sie wöchentlich an, am Montag überschritt der Zinssatz für einen Kredit mit 20-jähriger Laufzeit laut dem Finanzvertriebsunternehmen Dr. Klein erstmals seit der Finanzkrise im Jahr 2008 die Marke von vier Prozent. Ein Ende des Trends sei kaum in Sicht. „Morgen können die Kondition schon wieder anders sein als heute. Kaum jemand wagt es noch, eine Prognose abzugeben“, erklärt Brands, der Kunden im Ruhrgebiet und am Niederrhein bei den Themen Baufinanzierung und Ratenkrediten berät.

In seinem Büro in Duisburg empfängt er meist junge Paare auf der Suche nach dem ersten Eigenheim. Diesen muss der Bankkaufmann nun vermitteln, dass ihre monatliche Rückzahlung deutlich höher ist als noch vor wenigen Monaten bei einem Zinssatz von einem Prozent. „Es ist eine Frage des Monatseinkommens geworden, wer auf dem Immobilienmarkt überhaupt noch mitspielen kann“, so Brands. Interessierte sollten in der unvorhersehbaren Lage kein zu großes finanzielles Risiko eingehen.

Immobilienpreise NRW 2022: Wert vieler Häuser und Wohnungen sinkt laut „Immowelt“

Laien empfiehlt der Baufinanzierungsexperte, keinen Kredit aufzunehmen, dessen Höhe das eigene Monatseinkommen um das Hundertfache übersteigt. Zudem lohne sich ein Blick auf die Belastungsquote. Diese zeigt den Anteil des Wohnens am Nettoeinkommen an. Als Faustregel gilt die Grenze von 40 Prozent. „Mittlerweile gibt es viele Kreditanfragen von Leuten, bei denen die Belastungsquote bei 50 bis 60 Prozent liegen würde. Da zucken selbst Banken und überlegen, ob sie das machen sollen.“ Seit 2016 werden Geldinstitute durch eine EU-Richtlinie angehalten, das Risiko von Kreditausfällen streng zu minimieren.

Die steigenden Bauzinsen sorgen nicht nur auf Interessentenseite für Unruhe. Da weniger Menschen mit ihrem monatlichen Budget eine Immobilie finanzieren können, sinken die Preise für Häuser und Wohnungen erstmals seit vielen Jahren. Laut dem Portal „Immowelt“ ist der durchschnittliche Kaufpreis für Bestandswohnungen in den nordrhein-westfälischen Großstädten deutlich gesunken: in Köln und Dortmund um zwei Prozent, in Düsseldorf und Essen sogar um drei Prozent. Auch auf dem Land sei dieses Phänomen laut Berater Albert Brands spürbar: „Man merkt bereits, dass mehr Immobilien auf den Markt kommen. Wegen sinkender Preise fürchten sich Eigentümer vor weiteren Wertverlusten und denken, sie müssten jetzt schnell verkaufen.“

Immobilien NRW: Haus und Grund fordert mehr Fördermittel in Zeiten der Energiekrise

Tim Treude, Hauptgeschäftsführer von Haus und Grund NRW, kann bestätigen, dass die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen durch die Zinswende gesunken ist. Von Panikverkäufen will er aber (noch) nicht sprechen: „Die lange Niedrigzinsphase hat dazu geführt, dass viele Menschen Immobilien finanziert haben, die es sich in normalen Zeiten nicht hätten leisten können.“ Dies sei jetzt nicht mehr möglich. Dass die durch Spekulation aufgeheizten Kaufpreise sinken, sei eine normale Entwicklung des Marktes.

Neben der Kreditsituation nennt Treude mangelnde Fördermittel für energetische Sanierung als Grund für das schwindende Interesse vor allem an Altbauten. So habe die Bundesregierung die Fördermöglichkeiten für energieeffiziente Heizungen und Wärmepumpen zurückgefahren, dies sei in Zeiten der Energiekrise jedoch ein entscheidender Faktor: „Es ist bereits jetzt abzusehen, dass viele Mieterinnen und Mieter die Heizkostenabrechnung im kommenden Jahr nicht werden schultern können. Dadurch werden auch für die Immobilieneigentümer finanzielle Verluste entstehen.“

Bauzinsen NRW 2022: Immobilien-Experte rechnet mit Anstieg auf fünf Prozent

Auch der Markt für Neubauimmobilien in Nordrhein-Westfalen schwächelt. Nach Jahren des Aufschwungs müsse die Branche im Jahr 2022 mit einem Umsatzrückgang rechnen. Schuld daran seien laut dem Landeschef von Haus und Grund Materialengpässe und steigende Baupreise durch den Ukraine-Krieg. Eine Trendwende sei in den kommenden Jahren nicht in Sicht, weswegen Tim Treude Zweifel an den „ambitionierten Plänen des Bundesbauministeriums“, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, aufkommen lässt.

Optimistischer zeigt er sich angesprochen auf das Thema Zinswende: „Ich erwarte, dass sich der Bauzins auf seinem ursprünglichen Niveau von etwa fünf Prozent einpendelt und dann nicht weiter steigen wird.“