Essen. Seit 2018 zahlt die Stadt Essen einem Mitarbeiter 3200 Euro monatlich fürs Nichtstun. Warum der Mann nun vor dem Arbeitsgericht klagt.
Es gibt Kollegen, mit denen keiner gern zusammenarbeitet. Womöglich ist es Thomas S. gelungen, in diese Rolle zu schlüpfen. Jedenfalls ist er oft angeeckt, der 57-Jährige, seit er 1998 als ungelernte Kraft bei der Stadt Essen anfing. Zunächst in der Grünpflege. Er habe Mängel in Sachen Arbeitssicherheit festgestellt, das habe nicht allen gepasst, erzählt er. Feststellungen, die die Stadt nicht nachvollziehen kann. Aber sie gab ihm einen neuen Job: mobile Verkehrsüberwachung, Einsatz am Blitzer.
Während S. heute vor dem Arbeitsgericht Essen sagt, Vorgesetzte wie Kollegen seien zufrieden gewesen, gab es von diesen den Wunsch, S. möge bitte zurückkehren in den alten Arbeitsbereich. „Das konnte ich aber gesundheitlich nicht mehr“, sagt er. Schon da prozessiert er um Zulagen und Eingruppierungen. Zweimal einigte man sich gütlich, und vermutlich wäre es auch so geblieben.
Denn S. war, so sagt er, seit Anfang 2018 bei vollen Bezügen unwiderruflich freigestellt. Entgeltgruppe 5, das sind nach mehr als 20 Jahren Beschäftigung knapp 3200 Euro brutto monatlich. „Vier Jahre lang hat die Stadt nichts unternommen, daher wollen wir, dass das Verfahren ruhend gestellt wird“, so Oliver Stemmer, Essener Anwalt für Arbeitsrecht.
Wer hat gelogen? Seine Zeugin oder der Zeuge der Stadt?
Sprich: Die Stadt soll weiterzahlen bis zur Rente. Doch ob es je zu dieser unwiderruflichen unbefristeten Freistellung gekommen ist, ist streitig. Daher urteilt die 6. Kammer des Essener Arbeitsgerichts: Der Antrag auf Weiterzahlung der vollen Bezüge wird abgewiesen (6Ca714/22). Die unwiderrufliche unbefristete Freistellung ist nicht eindeutig nachweisbar.
Denn Arbeitsrichterin Buschkröger weiß auch: Einer der Zeugen hat gelogen. Da ist zum einen eine enge Freundin des Klägers, die ihn zum Gespräch ins Rathaus begleitete, an dem sie, S. und dessen Personalvorgesetzter teilnahmen, Anfang 2018, und da sei dieser Satz gefallen von der unwiderruflichen Freistellung.
Der Vorgesetzte, ebenfalls Zeuge, kann sich nicht ans Gespräch erinnern – und nicht an weitere Termine, die es gab. Sogar die vorherigen Prozesse kennt er nicht mehr, ehe ihm die Richterin Dokumente vorhält. Seit er im Ruhestand ist, bemüht sich sein Nachfolger verstärkt, S. einen Arbeitsplatz anzubieten. Bibliothek, das hätte er machen wollen, sagt S. Aber dann sei ein anderer Kandidat vorgezogen worden. Und Aufsicht im Museum? Nee, das gehe nicht so richtig.
Termin beim Amtsarzt angeordnet. Ohne ihn vorher zu fragen!
Also ordnete die Stadt Termine beim Amtsarzt an. „Einfach so, ohne mich vorher zu fragen“, schüttelt S. den Kopf. Zwei Termine ließ er platzen, einmal war er auf Reisen, das zweite Mal hatte er den Magen verdorben. Jetzt ringt die Stadt um Schweigerechtsentbindungen: S. soll Hals, Nasen, Ohren, Orthopädie und Psyche checken lassen.
Klar ist: Offenbar ist die Stadt motiviert, den äußerlich zwar etwas korpulenten, aber durchaus vital wirkenden Herrn S. wieder ans Arbeiten zu bekommen – oder die dauerhafte Erwerbsunfähigkeit festzustellen. Und S. wird merken, dass sein vier Jahre lang bedingungslos gezahltes Einkommen doch nicht so ganz bedingungslos weiterfließt bis zum – nun ja – Ruhestand.