Düsseldorf. Thorsten Fleiß, Leiter Düsseldorfer Altstadtwache, führt über die „längste Theke der Welt“. Was Polizisten Sorgen bereitet und was Fleiß fordert.

Lautes Stimmengewirr empfängt den Besucher, der am „Bolker Stern“ die Düsseldorfer Altstadt betritt. Während man hier zwischen Bolkerstraße und Heinrich-Heine-Allee einen Slalom um zertretene Trinkpäckchen und Glasscherben läuft, leuchten im Hintergrund die Lichter der vollen Partymeile. Davor zwei Mannschaftswagen der Polizei, die hier für Sicherheit sorgen sollen. Sicher fühlen sich in der Altstadt viele Besucher aber nicht mehr. Auch wegen der Meldungen über Messerstechereien rund um die „längste Theke der Welt“.

Höheres Unsicherheitsgefühl bei Altstadtbesuchern

„Wir haben den subjektiven Eindruck, dass mehr Leute Messer dabeihaben“, erklärt Thorsten Fleiß, Leiter der Polizeiinspektion Mitte, auf einen Rundgang durch die Altstadt. Wo früher die Fäuste flogen, werde heute öfter ein Messer gezogen. Das Unsicherheitsgefühl vieler Besucher habe zugenommen, so der Dienststellenleiter.

Bestärkt wird dieses Gefühl durch Vorfälle, wie jenen an Karneval, als ein damals 17-Jähriger drei weitere Personen nach einem Streit mit einem Messer lebensgefährlich verletzte. Am Freitag wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt.

Angriffe im Juli und August

Fleiß führt zum Grabbeplatz und wünscht sich hier für dunkle Ecken hellere Laternen. „Man sieht im Dunkeln nicht, ob da jemand sitzt.“ Einige Meter hinter ihm sitzen Gruppen junger Menschen, Musik plärrt aus Boxen und es ertönt das Klirren von Glas. „Da fliegt wieder ne Flasche“, sagt Fleiß und wendet sich wieder dem Platz zu. Man sei im Gespräch mit der Stadt, um hellere Beleuchtung zu bekommen.

Vorfälle wie an Karneval gab es auch in den vergangenen Wochen. Anfang Juli verblutete ein 25-Jähriger fast auf der Bolkerstraße, nachdem er niedergestochen wurde. Anfang August wurden zwei junge Männer am Rheinufer schwer verletzt. Und das obwohl seit Dezember 2021 an den Wochenenden eine Waffenverbotszone in der Altstadt gilt.

„Messer sind gerade im Nahbereich gefährlicher als eine Schusswaffe“, betont Thorsten Fleiß. „Ein geübter Angreifer mit einem Messer kann schwerere Verletzungen verursachen.“ Auch deshalb tragen die Polizisten hier Schutzwesten.

Kein Anstieg von Messerangriffen in Kriminalstatistik

Die Statistik lässt hingegen nicht auf eine höhere Messerkriminalität schließen. Das Landeskriminalamt (LKA) NRW berichtet für das vergangene Jahr von 226 Fällen in Düsseldorf, in denen Messer zum Einsatz kamen. 2020 waren es 257 und 2019 253 Fälle. Wenig auffällig sind auch die Zahlen für ganz NRW: Von 5284 Fällen mit Messern weiß das LKA zu berichten. In 2020 waren es 5411, in 2019 6827.

Und auch im Ruhrgebiet das gleiche Muster: In Duisburg wurden 219 Fälle in 2021 gezählt. In den beiden Jahren davor 237 und 279 Fälle. Essen zählte 264 Fälle für 2021 und in den Vorjahren 200 und 308. Für den Rückgang ist wohl die Pandemie verantwortlich. Für frühere Jahre sind keine Zahlen bekannt, da Messer erst seit 2019 einzeln in der Statistik geführt werden.

Mehr Respektlosigkeit gegenüber der Polizei

Für Sicherheit sorgen soll in Düsseldorf derweil auch die in den letzten Jahren ausgebaute Videoüberwachung. In weniger als 90 Sekunden sei man dadurch durchschnittlich vor Ort, sagt Fleiß. „Damit verhindern wir nicht den ersten Schlag, aber das Nachtreten.“

Die Beamten selbst seien derweil immer zu viert auf Streife. „Zwei Beamte schreiten ein während die anderen beiden nach außen hin absichern“, erklärt Fleiß. „Es gibt mittlerweile viel Eskalation durch Außenstehende“, beklagt er. Generell beobachte er, dass die Respektlosigkeit gegenüber der Polizei stark gestiegen sei.

99 Messer hat die Polizei gefunden

Immer wieder kontrollieren die Beamten auch das Waffenverbot. Seit Bestehen der Verbotszone habe man bis Mitte August insgesamt 4298 Personen kontrolliert. Dabei habe man 130 Waffen gefunden, darunter 99 Messer, so eine Polizeisprecherin.

Thorsten Fleiß führt weiter zur Bolkerstraße. Auch hier haben die Sicherheitskameras trotz der Masse an Menschen alles im Blick. „Das geschulte Auge erkennt auf dem Bildschirm schon, wenn etwas los ist“, sagt der Chef der Altstadtwache.

Die Bolkerstraße derweil ist voll wie an jedem Wochenende. Wer hier durch will, kommt nur im Schneckentempo voran. Das gilt auch für einen Rettungswagen, der mit Blaulicht und Martinshorn auf sich aufmerksam macht. Die meisten Besucher weichen auf die Terrassen der angrenzenden Lokalitäten aus, doch bei der lauten Musik der Clubs bemerken einige nicht mal das Martinshorn und müssen von Freunden unsanft am Ärmel aus dem Weg gezogen werden. Dabei kann ein solcher Einsatz im Ernstfall in der Altstadt Leben retten.

Schwerpunktkontrolle in der Altstadt

Bei einer Schwerpunktkontrolle der Waffenverbotszone überprüfte die Polizei Düsseldorf am Wochenende rund 500 Personen. Dabei wurden einige Messer sichergestellt: Ein Einhandmesser, ein Mini-Springmesser sowie ein Schlagring mit integriertem Messer. Zudem wurde ein Schlagstock gefunden. Wer in der Verbotszone mit einer Waffe erwischt wird, dem droht eine Anzeige und ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro.