Düsseldorf. Die Altstadt in Düsseldorf soll sicherer werden. Über den Vorschlag, Jugendliche mit lästigen Pieptönen zu vertreiben, wird hitzig diskutiert.
Kleines Gerät, große Wirkung? Um gegen die steigende Anzahl von Fällen von Gewalt und Randale in der Altstadt vorzugehen, wird in Düsseldorf über den Einsatz eines Störsenders diskutiert. Dieser sendet einen hochfrequenten, lästigen Piepton aus, der störende Jugendliche vertreiben soll. Das sorgt in der Landeshauptstadt für intensive Diskussionen.
„The Mosquito“, so heißt das Gerät, funktioniert auf Knopfdruck. Das Gerät gibt einen hohen Ton zwischen 17 und 18,5 Kilohertz ab, den nur Menschen zwischen 15 und 25 Jahren als unangenehmes Piepsen hören sollen. Ältere Menschen nehmen wegen des altersbedingten Gehörverlusts den hohen Ton nicht mehr wahr oder hören ihn nur geringfügig, verspricht der Hersteller. Auch für Kinder und Tiere sei das Geräusch nicht störend.
Einsatz von Störsendern in der Düsseldorfer Altstadt? Stadt gibt sich zurückhaltend
Die Stadt Düsseldorf hatte mit der Polizei jüngst erst ein vom NRW-Innenministerium unterstütztes Projekt für mehr Sicherheit in der Innenstadt gestartet. Hintergrund ist, dass an Wochenenden oder vor Feiertagen vermehrt störende und gewaltbereite Personen – laut Polizei vorwiegend junge Männer bis 30 Jahre mit auswärtigem Wohnsitz – in die Düsseldorfer Innenstadt, Altstadt oder ans Rheinufer strömen.
Polizei und Ordnungsamt verzeichneten vermehrt Widerstand gegen Ordnungskräfte, auch die Zahl von schweren Körperverletzungen nahm zuletzt zu. Der Einsatz von „The Mosquito“ sei ein Vorschlag von vielen, heißt es seitens der Pressestelle der Stadt auf Nachfrage. Eine konkrete Prüfung gebe es noch nicht: „Daher ist aktuell ein Einsatz dieser Geräte nicht geplant.“
„Mosquito“-Störsender werden in einigen Städten bereits eingesetzt
Dies klang von Seiten des Oberbürgermeisters Anfang des Jahres noch ganz anders. Über Medien erklärte Stephan Keller, er habe den Auftrag erteilt „zu überprüfen, ob wir mit ‚Mosquito‘ gegen die Zustände in der Altstadt vorgehen können“. Die Stadt müsse sehen, ob das im öffentlichen Raum rechtlich zulässig ist – aber in anderen Städten funktioniere das ja auch.
Andere Städte, damit meinte der OB Städte wie Coesfeld, Rotterdam oder Ratingen. Die Stadt Coesfeld setzt die Störgeräusche im Eingangsbereich einer Schule ein, wo sich Jugendgruppen aufgehalten haben. Allerdings, so die Stadt, ließe sich wegen der Corona-Pandemie nur schwer einschätzen, was der Einsatz gebracht hat.
Maßnahme gegen Altstadt-Gewalt: Stadt Düsseldorf in engem Austausch mit Rotterdam
In Rotterdam berichten die Behörden indes von guten Erfahrungen. Dort hatten sich Anwohner über Jugendliche beschwert, die Drogen konsumieren oder zu später Stunde ihre Musikanlagen aufdrehen, berichtet Donald van der Laan, der den Vertrieb der Geräte in Deutschland leitet. In Rotterdam seien die Geräte, die nur die Größe eines Brillenetuis haben, ab 22 Uhr scharfgestellt. Bei Lärmbelästigungen können Anwohner den hohen Piepton mittels eines einfachen Anrufs für 15 bis 20 Minuten aktivieren, um die Störer zu vertreiben.
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Ein Konzept, über das sich auch die Stadtverwaltung in Düsseldorf Gedanken mache. Denn entgegen der zurückhaltenden Aussage der Pressestelle bestätigt van der Laan gegenüber dieser Redaktion, dass die Stadt in engem Austausch mit der niederländischen Hafenstadt stehe, um sich über die Erfahrungen zu informieren.
Linke im Stadtrat: Störgeräusche können zu bleibenden Gesundheitsschäden führen
Auch in Ratingen wurden die Störgeräusche bereits eingesetzt, vor über zehn Jahren, am Eingangsbereich eines Gymnasiums. Das Gerät wurde am Abend ein- und am Morgen ausgeschaltet. Allerdings nicht lange. Bürger und Kommunalpolitiker empörten sich. Die ‚Mosquitos‘ wurden abmontiert.
In Düsseldorf finden sich ähnlich kritische Stimmen. Die Fraktion Die Linke bringt am heutigen Donnerstag einen Antrag in den Stadtrat ein, in dem sie den Oberbürgermeister auffordert, „sämtliche Pläne für den Einsatz von Ultraschall-Störgeräuschen aufzugeben“. Sie seien alles andere als harmlos. Der Schalldruck in Höhe von circa 100 Dezibel liege zwar unterhalb einer allgemein angenommenen Schmerzgrenze von 120 dB. Die hohen Schallpegel könnten bei längerer Einwirkung aber zu bleibenden Hörschäden führen. Dies habe ein Gutachten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2007 ergeben.
Polizeigewerkschaftschef Mertens: „Vertreiben von Menschen unter Schmerzen kann in einem freien Land nicht sein“
Die Wirte in der Altstadt halten diese Maßnahme ebenfalls „nicht für zielführend, weil sie jeden mit einem gewissen Alter trifft, egal ob er Straftaten begeht oder nicht“, sagt Sprecherin Isa Fiedler. Sie hält ein zeitgebundenes Alkoholverbot am Rheinufer für die sinnvollere Maßnahme. Auch Michael Mertens, Landeschef der Polizeigewerkschaft, findet, dass sichtbare Präsenz der Ordnungskräfte, Videobeobachtung und entschlossenes Eingreifen im Ernstfall die wichtigsten Maßnahmen seien, um auf der konfliktträchtigen Eventmeile für Sicherheit zu sorgen.
Von einem Einsatz von Störsendern hält er hingegen nichts: „Am 1. April hätte ich diese Diskussion einordnen können. Wir reden hier über Menschen, nicht über Maulwürfe“, sagt Mertens. Und: „In einem freien Land kann es nicht sein, dass man Methoden entwickelt, um Menschen unter Erzeugung von Schmerzen aus einem öffentlich zugänglichen Ort zu vertreiben.“