An Rhein und Ruhr. Laut einer Studie sank die Zahl der Krankenhausbetten in fast 30 Jahren um 150.031. Die Krankenhausplanung muss anders laufen, so die Autoren.
Trotz Corona-Pandemie wurden im Jahr 2020 nach Angaben der Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin 20 Kliniken in Deutschland aufgrund wirtschaftlicher Probleme geschlossen. „Und auch im Jahr 2021 und 2022 geht das Kliniksterben weiter – bundesweit sind derzeit weitere 30 Kliniken von Schließungen bedroht“, sagt Stiftungsvertreterin Julia Dück. Diese Angaben stützen zwei Studien, die im Auftrag der Stiftung erstellt und am Dienstag vorgestellt wurden. Kernaussage: Die Krankenhausplanungen sind immer mehr dazu benutzt worden, um Einsparungen zu erzielen, indem Krankenhäuser geschlossen, Personal abgebaut und Betten reduziert worden sind.
Thomas Böhm hat die Krankenhausgesetze und -pläne der Bundesländer analysiert. Seinen Erkenntnissen zufolge sank demnach die Zahl der Akut-Krankenhäuser von 1972 bis 1989 um 629 und zwischen 1991 und 2019 die Zahl der Allgemein-Krankenhäuser erneut um 588. Vor allem die Zahl der Betten nahm drastisch ab: Zwischen 1991 und 2019 sank sie um 150.031 – das entspricht einem Viertel aller Krankenhausbetten.
Forderung: Regionale Parlamente, Bürger und Betroffene einbinden
In den 70er-Jahren habe man mit Einführung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes 1972 durchaus Ansätze einer Bedarfsplanung verfolgt, erläutert Studienautor Böhm, selbst Arzt und ehemals Personalratsvorsitzender im Klinikum Stuttgart.
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In den 80er- und 90er-Jahren sei die Krankenhausplanung für Krankenhausschließungen und Bettenabbau dann missbraucht worden. Und mit der Einführung des Fallpauschalensystems sei Anfang der 2000er-Jahre die Krankenhausfinanzierung auf eine Pauschalfinanzierung umgestellt worden. Die Folge sei auch eine zunehmende Privatisierung der Kliniken. 1991 lagen Thomas Böhm zufolge 16 Prozent der Krankenhäuser in privater Hand, 2019 stieg der Anteil auf 37,2 Prozent. Dazu komme: Die Vorgaben für eine Privatisierung seien in den Ländern aufgegeben worden. Und eine echte Beteiligung der Parlamente findet der Studie zufolge nicht statt. In einzelnen Ländern werde der zuständige Ausschuss gehört oder alle vier Jahre ein Bericht im Parlament abgegeben.
Auch Achim Teusch plädiert dafür, die Krankenhausplanung in die Hände von Regional- und Kommunalparlamenten zu legen und Betroffene, also Arztpersonal, Pflegekräfte, Bürgerinnen und Bürger, Patientinnen und Patienten, einzubeziehen. Die Basis für eine solide Krankenhausplanung sei grundsätzlich eine Bestandsaufnahme, die es aber nicht wirklich gebe.
Mögliche Folgen des Modellprojekts in NRW
Teusch hat sich kritisch mit dem Modellprojekt zur Krankenhausplanung in NRW beschäftigt. Der Planung sollen nicht mehr Betten, sondern Leistungsbereiche zugrunde liegen. Demnach sollen mehr Behandlungen in den ambulanten Bereich verschoben werden – und zwar etwa 570.000 Krankenhausfälle jährlich. So wiederum kann ein Bettenabbau möglich werden.
Insgesamt sei bis 2032 ein Abbau von 18.400 Betten geplant, also etwa eines Fünftels (17,9 Prozent) der 102.800 Betten „laut Feststellungsbescheiden (FSB)“. Von einem „Kahlschlag“ spricht Achim Teusch, Arzt und bis zur Rente Betriebsratsvorsitzender in einem Krankenhaus. „Mit dem Krankenhausplan für NRW der schwarz-gelben Landesregierung drohen weitere Klinikschließungen und Bettenabbau. Die neue Krankenhausplanung zielt auf eine Zentralisierung der Versorgung. Das aktuell dichte Versorgungsnetz in NRW wird zerstört. Der Krankenhausmarkt soll also über staatliche Planung bereinigt werden“, lautet sein Fazit.
Auch Böhm kommt zu dem Schluss, dass das Modellprojekt in NRW nicht auf eine bedarfsgerechte Krankenhausplanung abziele. „Die Bundesländer haben sich in den letzten Jahren mehr und mehr aus der Krankenhausplanung zurückgezogen oder sie zur Reduktion von Kapazitäten missbraucht. Mit dem Modellprojekt in NRW soll dies nun radikalisiert werden“, so Böhm.
Dass die Ausgleichszahlungen, die die Krankenhäuser wegen geringerer Belegung während der Corona-Pandemie erhalten haben (die NRZ berichtete), künftig wegfallen sollen, halten die beiden Experten für falsch. „Jeder Ausfall einer Zahlung ist ein Sargnagel“, sagt Thomas Böhm auf Nachfrage der NRZ. „Ausgleichszahlungen sind notwendig, aber sie sind nicht ausreichend, um die Finanznot zu bekämpfen.“