Düsseldorf. Männer leiden vor allem unter häuslicher Gewalt durch die Partnerin oder die Ex-Partnerin. Aber nicht alle Männer nutzen die Hilfsangebote.

Noch immer sind die meisten Opfer häuslicher Gewalt Frauen, die Täter sind überwiegend Männer. Doch auch der Anteil der Männer, der von ihrer Partnerin oder Ex-Partnerin Gewalt erfährt, steigt leicht an. Laut der Lageberichte des Landeskriminalamts zur häuslichen Gewalt waren im Jahr 2020 30 Prozent der Opfer Männer, im Jahr 2021 gab es einen leichten Anstieg auf 30,9 Prozent. Auch die Zahlen derjenigen Männer, die Hilfe suchen, steigt stark an. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Beratungen des Männerhilfetelefons im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Das zeigt eine Auswertung der Uni Erlangen.

Seit zwei Jahren gibt es das Männerhilfetelefon in Nordrhein-Westfalen, Bayern und inzwischen auch Baden-Württemberg. Die meisten Anrufer kommen aus NRW, dem bevölkerungsreichsten Bundesland - aber auch aus anderen Bundesländern erreichen die Berater sind Anfragen, vor allem aus Berlin, Hessen und Niedersachsen.

Das Thema aus der Tabuzone rausgeholt

Im zweiten Jahr 2021 des Hilfetelefons kam es insgesamt zu 3.043 Kontakten per E-Mail und Telefon. Damit haben Männer oder das betroffene Umfeld doppelt so häufig das Beratungsangebot in Anspruch genommen als im Jahr davor, in dem es 1.480 Kontakte gab.

Für NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) zeigt die Zunahme, dass sich das Angebot herumgesprochen hat. Für sie ist damit ein wichtiges Ziel erreicht: Männer fühlten sich positiv motiviert, die Taten anzuzeigen. Gewalt gegen Männer, das Thema sei aus der Tabuzone raus, meint Scharrenbach im Gespräch mit Journalisten. Gewalttaten gegen Männer müssten ebenso geahndet werden wie gegen Frauen.

Die Anrufer stammen der Auswertung zufolge zu 60 Prozent aus einer mittleren oder gehobenen sozialen Schicht, 40 Prozent befinden sich in eher prekären Verhältnissen. Jeder siebte Betroffene hat Migrationshintergrund. Ein Jahr zuvor war es noch jeder Fünfte.

Gewalterfahrungen auch auf der Arbeit und im öffentlichen Raum

Die meisten Anrufer, 91 Prozent, haben Gewalt im Erwachsenenleben erfahren, bei 11 Prozent kam Gewalt in der Kindheit vor. Der überwiegende Teil der Gewalttaten, 84 Prozent, fanden im häuslichen Kontext statt, 6 Prozent auf der Arbeit, 13 Prozent im öffentlichen Raum oder in öffentlichen Gebäuden.

Am häufigsten klagten die Anrufer über psychische Gewalt (67 Prozent). Dazu zählten Bedrohung, Beleidigung, Beschimpfung und Lächerlichmachen, Mobbing und Verleumdung. In 42 Prozent der Fälle ging es um körperliche Gewalt, in 13 Prozent um sexualisierte Gewalt. „Vernachlässigung im Kontext von Pflege, Behinderung und Kindheitsgewalt bildete bei einem kleineren Teil der Betroffenen (4 Prozent) das zentrale Beratungsanliegen“, heißt es in dem Bericht der Uni.

Was deutlich wird: Das Männerhilfetelefon wird seltener von jungen und alten Männern genutzt. Die meisten Anrufer waren zwischen 31 und 40 Jahren. Doch gerade in den höheren Altersklassen kann Gewalt im Kontext der Pflege ein Problem sein. Diese Menschen will Scharrenbach künftig besser erreichen und einen Schwerpunkt in der Öffentlichkeitsarbeit auch auf andere Gewaltformen als die häusliche legen, sagt sie.

Mehr Schutzplätze für Männer in NRW

Dennoch sei ein erstes Ziel erreicht. „Wir haben das Thema Gewalt gegen Männer in der Gesellschaft platzieren können und insbesondere für die Betroffenen Hilfeangebote auf den Weg bringen können“, so Scharrenbach.

Die Zahl der Gewaltschutzplätze in NRW wird weiter ausgebaut. Aktuell gibt es laut Scharrenbach 14 Gewaltschutzplätze, ab Mai sollen zwei weitere in Bielefeld hinzukommen. Insgesamt soll das Angebot in diesem Jahr auf 20 Plätze ausgebaut werden. Handlungsbedarf sieht sie auch bei der psychosozialen Beratung , das wolle sie - im Falle einer Wiederwahl - angehen.

Zentrale Aufgabe der Landespolitik: Präventionsarbeit

„Jeder Mensch, der von Gewalt betroffen ist - egal, ob Mann oder Frau – leben nicht frei. Deshalb ist eine der zentralen Aufgabe der Landespolitik, über Prävention und Öffentlichkeitskampagnen dafür Sorge zu tragen, dass Menschen in Freiheit leben können.“

Scharrenbach erwartet, dass das Beratungsinteresse beim Männerhilfetelefon weiter steigen wird und umwirbt weitere Länder, sich der Initiative aus NRW, Bayern und Baden-Württemberg anzuschließen. „Berlin hat zum Beispiel einen hohen Ansatz von Übergriffen aus Homophobie auf Männer. Da würde es sich insbesondere anbieten, dass das Land mit dabei ist“, sagt Scharrenbach.

Das Hilfetelefon ist bundesweit unter der Nummer 0800 123 99 00 zu erreichen. Weitere Infos gibt es im Internet unter www.maennerhilfetelefon.de. Es wird betreut vom Verein Mannomann in Bielefeld, von der Arbeiterwohlfahrt in Augsburg und der Sozialberatung in Stuttgart. 94 Prozent der Männer gaben an, heterosexuell zu sein, 4 Prozent homosexuell und 2 Prozent bisexuell-