An Rhein und Ruhr. Die Landwirte am Niederrhein leiden unter den finanziellen Folgen des Kriegs in der Ukraine. Zu Hamsterkäufen haben sie eine klare Meinung.
„Die Zeiten voller Supermarktregale mit billigen Lebensmitteln sind vorbei“, sagt Christian Dorsemagen. Der Krieg in Europa mache in der Landwirtschaft nun mal alles teurer. „Das Hauptproblem sind die Düngerpreise, die innerhalb eines Jahres um das Vierfache gestiegen sind, aber auch die Verfügbarkeit. Wir kommen kaum noch an Ware dran.“ Auf seinem Hof in Wesel baut Dorsemagen verschiedenste Getreidesorten an – vom gelben Igel bis zur schwarzen Nacktgerste. Dafür benötigt er jede Menge Stickstoffdünger, dessen Herstellung bekanntlich sehr energieaufwendig ist. Große Teile des Düngers kommen, beziehungsweise kamen, zudem aus Russland. „Die Tendenz ging wegen der hohen Energiekosten sowieso schon in diese Richtung. Mit dem Ukraine-Krieg ist der Preis explodiert.“
Im März 2021 hat eine Tonne Stickstoffdünger laut der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen noch knapp über 200 Euro gekostet. Im Oktober habe Russland begonnen, die Gaslieferungen einzuschränken. In der Folge sei der Düngerpreis auf rund 600 Euro pro Tonne gestiegen. In heutigen Kriegszeiten liegt er über 860. „Und er wird dramatisch weitersteigen“, stellt Kammersprecher Bernhard Rüb in Aussicht.
Landwirt warnt: Preise für Fleisch, Milch, Mehl und Öl werden weiter steigen
Das versetzt die Landwirte in eine Zwickmühle. „Abwarten, ob die Preise bald sinken, können wir nicht. Die Pflanzen müssen versorgt werden – und zwar jetzt.“ Deswegen biss Dorsemagen in den sauren Apfel und kaufte zu den jetzigen Preisen ein. Alternativen sieht er für seinen Betrieb nicht. Andere Landwirte am Niederrhein sind auf Gülle aus der Region umgestiegen, um zumindest einen Teil des fehlenden Industriedüngers aufzufangen. Doch selbst von benachbarten Höfen ist es mittlerweile kaum noch möglich, diese – wie früher üblich – kostenlos zu bekommen. Schließlich müssten auch Viehzüchter für Futter tiefer in die Tasche greifen. Und wegen der hohen Nachfrage wird auch die Gülle knapp.
Positiv stimmt den Weseler Landwirt, dass sich im selben Zeitraum die Weizenpreise nahezu verdoppelt haben. Dadurch hofft er, zumindest seine Kosten zu decken. Dass diese derart stark steigen, werde sich in der gesamten Lieferkette zeigen: „Die Verbraucher werden es deutlich an den Nahrungsmittelpreisen merken. Besonders stark werden Fleisch, Milch, Mehl und Pflanzenöl betroffen sein.“
Getreidebauer aus Wesel: Hamsterkäufe sind unnötig
Gerade letztere zwei Produkte sind aktuell Mangelware in vielen Supermarktregalen an Rhein und Ruhr. Viele Menschen befürchten eine Knappheit dieser Lebensmittel. Ist diese Sorge also berechtigt? Das beantwortet Christian Dorsemagen entschieden mit einem dreifachen Nein: „Europa braucht sich keine Sorgen machen. Mit unserem Klima, unseren Böden und unserer Technologie können wir ausreichend Lebensmittel produzieren.“ Anders sehe das etwa in Afrika aus, dass den Großteil seines Getreides aus der Ukraine bezieht. Notversorgung und Hungersnöte seien zu erwarten, so Dorsemagen.
Unter steigenden Preisen leidet auch Norbert Klanten, wenngleich in anderer Form. Denn Dünger ist für den Lebensmittelproduzenten aus Kamp-Lintfort eher ein kleines Problem. Erdbeeren und Spargel, wie sie auf seinen Feldern wachsen, müssen nur im ersten Jahr intensiv gedüngt werden, danach kaum noch. Viel eher machen ihm die gestiegenen Preise für Kraftstoff zu schaffen: „Mit dem Dieseltrecker eine Stunde übers Feld zu fahren, kostet mich statt 30 auf einmal 50 Euro.“
Produzent aus Kamp-Lintfort: Auch Erdbeeren und Spargel werden teurer
Selbst Erdbeerschalen könnten zum Problem werden. Die beziehen Klanten und viele seiner Berufskollegen aus der Ukraine. „Ob ich die bekomme, weiß ich noch gar nicht.“ Auch der auf 9,82 Euro gestiegene Mindestlohn, den Erntehelfer erhalten müssen sowie eine höhre Mehrwertsteuer für Landwirte würden dafür sorgen, dass Klanten eigentlich deutlich mehr Geld für seine Erdbeeren und seinen Spargel verlangen müsste.
Ob er das kann, entscheiden letztlich Angebot und Nachfrage. Wegen der steigenden Energiekosten sei bislang lediglich sicher, dass Erdbeeren aus Gewächshäusern teurer sein werden als im letzten Jahr. „Im Verkauf ist die 500 Gramm-Schale einen Euro teurer als letztes Jahr.“ Auch beim Spargel rechnet Klanten nicht mit einer Verdopplung der Preise, wie es beim Getreide der Fall ist. Das liegt auch daran, dass „das weiße Gold aus der Erde“ wegen des Wetters bereits sehr früh gestochen werden kann: „In zwei Wochen wird es überall deutschen Spargel geben. Daher glaube ich nicht an eine riesige Preisexplosion, auch wenn wir an der Theke etwas mehr nehmen müssen.“