Dinslaken. Die Caritas Dinslaken-Wesel hat ein Willkommens-Fest für geflüchtete Ukrainer organisiert. Die Dankbarkeit ist groß, das Trauma aber auch.

Die Sonne strahlt am blauen Himmel über dem Ortsteil Hardtfeld in Dinslaken. Schon von weitem hört man Kinderlieder aus einer Musikbox schallen und in der Luft liegt der Duft von Würstchen in Brötchen und frischen Waffeln. Kinder düsen auf Bobbycars und Tretrollern auf dem Weg entlang, hüpfen vor Freude kreischend auf der großen Hüpfburg oder lassen sich am Schminkstand in einen Tiger oder Schmetterling verwandeln. Sie lachen, sind ausgelassen.

Ein absurdes Bild, wenn man bedenkt, was sie gerade erlebt haben: Die Zerstörung der Heimat, eine tagelange Flucht aus der Ukraine, das Zurücklassen von Familienangehörigen. „Gerade sind wir einfach nur froh und dankbar, dass wir nicht mehr im Krieg sind“, sagt Tatjana. Die 44-Jährige ist mit ihren beiden Kindern aus der Ukraine, aus der Nähe von Kiew, geflüchtet. Untergekommen sind die drei nun erst einmal im Hardtfeld in Dinslaken, einer Flüchtlingsunterkunft des Caritasverbands Dinslaken-Wesel. Die alleinerziehende Tatjana und ihre Kinder sind nur drei von insgesamt über 200 Ukrainern, die bisher in Dinslaken angekommen sind. Für sie hat die Cariatas das Kinderfest in der Stadt organisiert, um sie willkommen zu heißen: „Die Basis ist jetzt schöne Erlebnisse zu schaffen, wie dieses hier. Wir wollen äußere Sicherheit geben, zeigen, dass wir sind da, wenn sie uns brauchen“, sagt Traumatherapeut Dagobert Sobiech.

Ukrainern will irgendwann zurück in ihre Heimat

Das Gespräch mit Tatjana findet zu großen Teilen auf Englisch statt. Wenn ihr die Worte in der Sprache nicht einfallen, wechselt sie ins Ukrainische. Therese Pikos, Leiterin der Caritas-Kita Karl Leisner, kann dann übersetzen. Sie selbst ist Polin: „Unsere Sprachen sind zum Glück ähnlich.“ Der erste Kontakt mit Tatjana sei „sehr bewegend“ gewesen, sagt die Kitaleiterin. Sie habe ihr Fotos auf dem Handy von ihrer zerstörten Stadt gezeigt. Ob sie dorthin je zurückkehren wird? Tatjana nickt bekräftigend: „Erstmal warten wir natürlich ab, was die Zeit bringt. Aber die Ukraine ist nun mal unsere Heimat.“

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Und die vermisst nicht nur Tatjana. „90 Prozent der Menschen hier sagen uns, dass sie wieder zurück in ihre Heimat wollen“, berichtet Elke Brabender aus Gesprächen mit den Flüchtlingen. Gemeinsam mit Dörte Dwenger-Ilgenstein leitet sie die Flüchtlingsunterkunft im Hardtfeld. Ein Job, der derzeit mehr als nur Zeit von den beiden abverlangt. „Wir haben 2015 gelernt, mit Tragödien umzugehen“, sagt Dwenger-Ilgenstein und spielt damit auf den Flüchtlingsstrom aus Syrien an. „Damals haben wir teils schwer verletzte Kinder versorgen müssen. Das ist jetzt ein bisschen anders, hart ist es dennoch.“ Anders als damals seien es jetzt vor allem auch alleinreisende Frauen mit Kindern, die Schutz suchen. „Aber die Menschen jetzt sind genauso erschöpft, genauso traumatisiert wie die Menschen damals.“ Man sei deshalb auch froh über die hohe Solidarität und Spendenbereitschaft: „Wir hoffen, dass das nicht, wie damals, irgendwann abreißt“, so die Leiterinnen der Flüchtlingsunterkunft. Essens-, Kleidungs- und Spielzeugspenden würden dabei helfen eine ruhige Atmosphäre zu kreieren. „Es gibt kein Kind bei dem man auf dem ersten Blick sagen würde, dass es ihm schlecht geht. Was aber in ihnen vorgeht, das können wir nicht sehen“, sagt Dwenger-Ilgenstein.

Kontakt in die Ukraine ist Geflüchteten wichtig

Ganz vergessen können und wollen die Ukrainer ihre Heimat sicherlich nicht: „Sie laufen immer mit dem Handy in der Hand übers Gelände. Der Kontakt nach Hause ist sehr groß und allen sehr wichtig. Per Video werden die Grundschüler teils immer noch aus der Ukraine unterrichtet und die Unis versuchen auch ihren Betrieb weitestgehend aufrecht zu erhalten“, erklärt die Unterkunftsleiterin. Zu bemerken ist es auch an diesem Tag. Viele junge Ukrainerinnen sitzen an den Tischen in der Sonne, haben den Laptop aufgeklappt, die Schreibunterlagen daneben. Eine andere, junge Frau hält das Handy vors Gesicht, ein Videotelefonat mit einem Familienangehörigen in der Heimat. Zwei Tische weiter sitzt auch Tatjana am Handy. Sie telefoniert. Vielleicht mit ihrer 72 Jahre alten Mutter, die in der Ukraine bleiben wollte. Was sie genau sagt, ist allerdings nicht zu verstehen. „Die Sprachbarriere ist unser größtes Problem“, sagt auch Martina Kröber, Fachbereichsleiterin des Sozialpsychiatrischen Zentrums bei der Caritas. Dabei bemerke sie, dass die Menschen ein „extrem großes Bedürfnis“ haben über Erlebtes zu sprechen oder Bilder aus der zerstörten Heimat zu zeigen. „Die Leute, vor allem die Kinder, brauchen jetzt einen stabilen Alltag, Eltern denen es gut geht und eine schnelle Integrierung in Schulen und Kitas.“

Interessiert an der deutschen Sprache und dem Leben in NRW sind die ukrainischen Kinder alle mal, wie auch Tatjana bestätigt: „Vor allem mein 13-jähriger Sohn.“ Trotzdem betont sie noch einmal: „Unsere Heimat ist und bleibt die Ukraine.“