An Rhein und Ruhr. In Oberhausen übernimmt ein ehemaliger Mitarbeiter einen Traditions-Familienbetrieb. In Kleve gibt es eine Werbekampagne für mehr Fachkräfte.

Es war das Jahr 1900, als Gerhard Anton Niehoff sich entschloss, eine Firma für Sanitär und Heizung aufzubauen. Jetzt hat sich auch die dritte Generation den Ruhestand verdient – und dabei hat Gerd Niehoff richtig Glück gehabt. Denn der heute fast 68-jährige Enkel des Firmengründers hat einen Nachfolger gefunden, der die Oberhausener „Gerd Niehoff GmbH“ zum 1. März übernimmt. Nach 122 Jahren in Familienhand wechselt das Unternehmen also den Besitzer. Ein so nahtloser Übergang klappt längst nicht überall. Nachwuchssorgen und fehlende Fachkräfte stehen auf der einen Seite, volle Auftragsbücher auf der anderen.

Die Fachkräfte-Engpassanalyse der Agentur für Arbeit zeigt auf der Landkarte komplett dunkelrot an. Das bedeutet: Im Jahr 2020 dauerte es 189 Tage, bis eine freie Stelle wiederbesetzt werden konnte. Aktuell dauert es noch länger: Über 200 Tage ist im Durchschnitt eine Stelle im Sanitär- und Heizungstechnikhandwerk vakant.

1400 Euro Rente – Niehoff: „Das ist zu wenig“

Das, so sind sich Experten einig, habe noch immer vor allem mit dem schlechten Image des Berufs zu tun. „Viel Dreck, schweres Schleppen“, schildert Klaus van Straelen, bei der Sanitär-Heizungstechnik-Innung im Kreis Kleve für die Nachwuchsgewinnung zuständig. Und vor allem: wenig Rente. „Wer in diesem Beruf 45 Jahre gearbeitet hat, bekommt knapp 1400 Euro. Das ist zu wenig“, meint Gerd Niehoff. Dabei sei der Beruf „so spannend“. Man habe mit Kunden zu tun, kann ihnen in der Not helfen und sie damit glücklich machen, kann sie beim Bäderbau beraten oder dabei helfen, Heizkosten zu sparen, wenn der Umstieg auf regenerative Energien ermöglicht werden kann. Kein Tag ist wie der andere, erzählt er. Zudem gebe es unzählige Fortbildungsmöglichkeiten.

Gerd Niehoff wollte selbst zunächst gar nicht in die Firma eintreten und lieber Sport studieren. Doch für die Eltern war klar, dass der Junge im eigenen Betrieb arbeitet und ihn weiterführen wird. Und so kam es. Bis zum heutigen Tag.

Prochota kam der Liebe wegen aus dem Sauerland nach Oberhausen

Ab Mittwoch wird auf den Firmenwagen neben dem Namen Niehoff auch Prochota stehen. Ein alter Bekannter. Wenn auch er, Dorian Prochota, eher zufällig an den Job kam, von dem er heute sagt, dass es „der tollste Beruf ist, den es gibt“. Er wollte eigentlich Kaufmann im Sport-Einzelhandel werden, doch das hat nicht geklappt. Weil es im Sanitär- und Heizungshandwerk aber noch freie Plätze gab, griff er erst einmal zu.

Der Liebe wegen zog der Sauerländer von Attendorn nach Oberhausen, begann seine Ausbildung zum Anlagenmechaniker und arbeitete bei Gerd Niehoff als Geselle. Es folgte die Meister-Fortbildung, 2011 schließlich der Schritt in die Selbstständigkeit, 2015 zog er mit seinem Unternehmen nach Essen-Kupferdreh.

Schon früh habe sich die Niehoff GmbH mit regenerativen Energien beschäftigt. 2003 oder 2004 muss es gewesen sein, als Gerd Niehoff die erste Wärmepumpe in Krefeld eingebaut hat, erinnert er. Diesen Weg verfolgte er weiter, anfangs sogar gegen den Widerstand seiner Mitarbeiter, die von Wärmepumpen nicht viel hielten. Denn als Jahre zuvor die ersten auf den Markt kamen, waren sie wenig effektiv. Das habe sich längst geändert, weiß Niehoff. Zunächst waren sie nur für Neubauten geeignet, inzwischen könne man immer mehr Wärmepumpen auch in älteren Häusern einbauen, meint der Fachmann, der sich auch zum „Solarteur“ fortgebildet hat. Kurzum: Es geht in dem Job inzwischen um mehr als um defekte Gasheizungen und verstopfte Abflüsse.

Das weiß auch Dorian Prochota. Ihn interessieren die erneuerbaren Energien und die modernen technischen Möglichkeiten. Er wird mit seiner neuen Niehoff-Prochota GmbH im April eine Anlage in einem Handwerksbetrieb in Mülheim bauen, die über Photovoltaik Strom in einer Batterie speichern kann.

Strom lässt sich inzwischen digital speichern

Doch das ist nicht alles: Strom kann längst auch in einer Cloud, einer digitalen Speicherwolke auf einem Server, gespeichert werden, schildert er. „Irgendwo wird immer Strom produziert und irgendwo wird immer Strom genutzt“, erklärt der 40-jährige Prochota. Heizungen können heutzutage durch Smarthome am Computer überwacht und eingestellt werden, Bäder werden auf Computermonitoren geplant.

Doch aller Technik zum Trotz: Am Ende braucht es Menschen, die die Geräte einbauen, reparieren, warten und die Kunden auf ihrem Weg zum Heizkosten- und CO-Sparen beraten.

Und so waren auch die zwölf Mitarbeiter von Niehoff das Begehrenswerte für andere Firmen, die sich auf die Annonce des Inhabers gemeldet hatten. Die hatte er anonym über die Handwerkskammer Düsseldorf geschaltet, um die Übergabe frühzeitig zu regeln. 70 bis 80 andere Firmen hätten sich gemeldet, um das Unternehmen zu übernehmen. Denn nur so, meint Niehoff, kommt man noch möglichst schnell an die Fachkräfte. Doch eine glückliche Fügung ergab, dass sich Prochota und Niehoff wieder trafen und die Firma nun in die Hände des ehemaligen Mitarbeiters gelegt werden kann. Er bringt vier eigene Fachkräfte mit, so dass schließlich 16 Mitarbeiter zur Verfügung stehen. „Wir planen, weitere Stellen zu schaffen“, sagt er.

Neues Bad? Frühestens im Herbst!

Mehr Monteure könnte auch Klaus van Straelen gebrauchen. Wer jetzt ein neues Bad bauen möchte, könnte frühestens im Herbst mit dem Baubeginn rechnen, schildert er die Situation im Gespräch mit der NRZ. Hätte er einen Monteur mehr, würde er es im August schaffen, schätzt er.

Weil er als Innungsvorstandsmitglied um die Probleme weiß, hat er mit der Uedemer Agentur Document 1 eine Werbekampagne ins Leben gerufen, die auf den sozialen Netzwerken wie Instagram mit eigenen Angestellten um junge Fachkräfte wirbt. „Wir wollen zeigen, wie cool der Job ist“, sagt er. Zusätzlich hält er Vorträge in Schulen, damit habe er vor ein paar Jahren begonnen. Wohl mit Erfolg, damals konnte seiner Angabe zufolge die Zahl der Auszubildenden von 25 bis 30 im Kreis Kleve auf über 50 erhöht werden. Von der neuen Kampagne erhofft er sich noch mehr Zuspruch. Schließlich werde „unglaublich viel gebaut und saniert“, sagt er. Dafür braucht man Personal – das dann auch irgendwann die Firmen übernehmen kann.

Van Straelen hat bereits einen Nachfolger, ebenfalls einen eigenen Mitarbeiter, gefunden – vier Jahre, bevor er sich zur Ruhe setzt.