Düsseldorf/Ukraine. Besorgt blicken derzeit in NRW lebende Ukrainer auf die Entwicklungen in ihrem Heimatland. Wir haben mit zweien von ihnen gesprochen.

Das war eine unruhige Nacht für den Düsseldorfer Yaromyr Bozhenko. „Geschlafen habe ich zwar, aber mit einem mulmigen Gefühl. Heute Morgen habe ich mich direkt gefragt, was in der Nacht wohl noch passiert ist“, so Bozhenko im Gespräch mit der NRZ. Fassungslos blickt der gebürtige Ukrainer derzeit auf die Lage in seinem Heimatland. Seit der russische Staatschef Wladimir Putin am Montagabend die Unabhängigkeit der Separatisten-Gebiete Luhansk und Donezk in der Ostukraine anerkannt und angekündigt hat, russische Soldaten dorthin zu entsenden, hat er „große Angst“, dass Putin noch weitergeht und es zu einer Eskalation der Lage kommt.

Gemeinsam mit anderen Ukrainern habe der Vorsitzender eines Vereins zur Förderung der ukrainischen Kultur, Sprache und Literatur in Düsseldorf in der vergangenen Nacht noch lange per Videoschalte über die Situation in seinem Heimatland beraten. „Es ist sehr schwierig, wenn man angegriffen wird. Man kann es sich kaum vorstellen“, zeigt er sich im Gespräch mit der NRZ betroffen von den jüngsten Entwicklungen in der Ostukraine.

Düsseldorfer möchte Familie am liebsten nach Deutschland holen

Zwar würden seine engsten Verwandten im Westen des Landes wohnen, dennoch mache er sich große Sorgen um sie. „Ich habe noch nicht mit allen aus der Familie sprechen können, aber sie versuchen gerade besonnen zu reagieren“, sagt er. Bozhenko sei „positiv überrascht gewesen, wie klar und ruhig“ seine Familie am Telefon gewirkt hätte. Er selbst würde, gerade seine Eltern, „am liebsten sofort da rausholen“, doch die eigene Heimat zu verlassen, sei für sie nicht einfach. Die Meinungen übers Bleiben oder Gehen seien derzeit unter den Ukrainern generell sehr gespalten.

„Mein Vater ist 82 und lebt sein ganzes Leben bereits auf demselben Bauernhof. Das gibt niemand so einfach auf“, bestätigt auch Mykola Pavlyk. Auch, wenn sein erster Gedanke war, die Familie „selbstverständlich hierher zu holen“. Pavlyk ist Pfarrer der ukrainisch-griechisch-katholischen Gemeinde in Krefeld, Essen, Köln und Düsseldorf.

Noch keine Panik bei der ukrainischen Bevölkerung zu spüren

Auch er berichtet davon, dass die Menschen den Ernst der Lage vor Ort erkennen würden, jedoch bisher nicht in Panik verfallen seien. „Wir haben seit 2014 gelernt mit Krieg zu leben“, sagt der Pfarrer. Für ihn sei mit dem Einmarsch der Truppen in die Separatisten-Regionen die Hoffnung auf „die letzte Prise Vernunft“ verschwunden. Er sehe keinen Vorteil in dem Konflikt für Russland. Mit Blick auf Sanktionen aus dem Westen ergeben sich für ihn sogar eher nur Nachteile.

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Pavlyk sei betroffen, traurig „und zornig, dass der Westen verschlafen hat, früher zu reagieren“ und den Konflikt nicht ernster genommen habe. „Ein Herr Putin greift nur die an, die schwach sind. Mit dem Versprechen 5000 Soldatenhelme zu liefern, haben wir uns vor ihm lächerlich gemacht“, lautet die Meinung von Pavlyk. Er habe sich mehr Beistand der westlichen Länder gewünscht und eher das das Gefühl gehabt, dass „nur zugeschaut wurde, nach dem Motto: wird schon“.

Düsseldorfer zeigt sich enttäuscht von EU, USA und Großbritannien

Enttäuscht von der EU, den USA und Großbritannien zeigt sich auch Yaromyr Bozhenko. „Mehr Klarheit wäre gut gewesen. Die Antworten der westlichen Politik auf Putins Taten sind so verschwommen. Das ist auch der Grund, warum er weitermacht. Wenn ich mir was wünschen könnte, dann wären es deutlichere Sanktionen und eine möglichst schnelle Aufnahme der Ukraine in die EU und das Natobündnis.“

Die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung des Konflikts haben aber beide Ukrainer noch nicht aufgegeben. Pavlyk sei „vorsichtig optimistisch“, dass mit der Anerkennung der Unabhängigkeit von Luhansk und Donezk der Höhepunkt der Auseinandersetzung erreicht ist. Er glaube immer noch nicht, dass Putin bereit sei, einen offenen Krieg zu starten. „Einen Krieg anzufangen ist einfach. Einen Krieg zu beenden dagegen sehr schwer.“