An Rhein und Ruhr. Regional, saisonal, vegetarisch: Auch Schul-Speisepläne können klimafreundlich sein. Ein Besuch in der Grundschule am Haverkamp in Gelsenkirchen.

An diesem Mittag hat Silke Schmidt ordentlich zu tun, und das ist immer ein gutes Zeichen. Ein Kind nach dem nächsten kommt, um sich einen Nachschlag zu holen. Schmidt schaufelt das Essen auf die Teller, es gibt heute Nudeln mit Bolognese-Soße, also ein Gericht, mit dem man eigentlich nichts verkehrt machen kann. Was heute in der Ganztagsschule am Haverkamp in Gelsenkirchen auf den Tellern landet, ist aber eine vegetarische Mahlzeit, die Bolognese besteht aus Sojaeiweiß, Karotten, Zwiebeln und Tomaten. Dass es den Kindern schmeckt, ist aus Sicht von Klimaschutzaktivisten Beweis dafür, dass eine klimafreundliche Umstellung der Ernährung auf breiter Front gelingen kann.

Ernährung ist ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung klimaschädlicher Treibhausgase und damit Treiber des Klimawandels. Das ist unumstritten. Auf globaler Ebene werden Wälder oder Moore zu Ackerflächen umgestaltet. In der Landwirtschaft entstehen die Gase Methan und Lachgas, die deutlich klimaschädlicher sind als Kohlendioxid. Der zunehmende globale Konsum von Fleisch treibt die Emissionen weiter in die Höhe.

Klimagase entstehen auch auf den globalen Lieferketten, wenn Obst und Gemüse quer durch die Welt transportiert werden. Das Bundesumweltministerium hat ausgerechnet, dass die Ernährung in Deutschland pro Kopf und Jahr für den Ausstoß von 1,75 Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids verantwortlich ist. Das sei in etwa die Menge, die durch das Heizen verursacht wird.

„Was für ein Potenzial in der Ernährung steckt, ist noch wenig bekannt“, sagt Marianne Steinmeyer vom Essener Ernährungsrat, in dem sich Menschen zusammengeschlossen haben, die das Thema auf die kommunale Agenda setzen wollen.

Hilfe durch Ernährungsräte

Die Ernährungsräte sind eine sehr vitale Bewegung. Alle paar Monate wird in NRW ein neuer Ernährungsrat gegründet, ein gutes Dutzend sind es mittlerweile. Ernährung, ist Steinmeyer überzeugt, ist ein Bereich, in dem schnell und unkompliziert klimafreundliche Veränderungen herbeigeführt werden können, anders als beispielsweise im Nahverkehr. „Jeder Mensch kann seine Ernährung von einem Tag auf den anderen umstellen.“ Die Ernährungsräte haben vor allem Einrichtungen im Blick, in denen täglich große Mengen Essen verbraucht werden, etwa Schulen, Kitas, Krankenhäuser oder Kantinen. „Wir überarbeiten Speisepläne, geben Tipps, wo man regional einkaufen kann“, erklärt Steinmeyer.

Gesunde Rohkost, möglichst aus der Region, kommt beim Schulmittagessen auch auf den Tisch.
Gesunde Rohkost, möglichst aus der Region, kommt beim Schulmittagessen auch auf den Tisch. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Marco Schweißguth hat sich von den Ideen der Ernährungsräte überzeugen lassen. Er beliefert mit seiner Firma 38 Schulen und Kitas mit Essen, kocht täglich über 2000 Mahlzeiten. „Ich war im Oktober 2020 auf einer Veranstaltung, die bei mir das Bewusstsein für die Klima-Effekte von Lebensmitteln und den Ehrgeiz geweckt hat, über den Tellerrand hinauszuschauen.“

Also stellte Schweißguth auf klimafreundlicheres Essen um. Weniger Fleisch, mehr Gemüse, mehr Obst, regionaler und saisonaler. Mit seinen Leuten hat er die von ihm belieferten Einrichtungen besucht und für die Umstellung der Speisepläne geworben. „Die Resonanz der Eltern war überwiegend positiv“, berichtet er. Die Zustimmung habe bei über 80 Prozent gelegen.

Auch in der Gelsenkirchener Grundschule am Haverkamp hat die Umstellung reibungslos geklappt, erinnert sich Christine Kruppe, die Leiterin des Offenen Ganztags. Tatsächlich wirken Zeynep, Leo, Finn, Hanna, Jolene und Nele alles andere als unglücklich, dass es heute vegetarische „Bolo“ mit Nudeln gibt. Ob es schmeckt? Ein einhelliges „Ja“.

Ob sie wissen, was ihr Speiseplan mit dem Klimaschutz zu tun hat? Sie lachen, zucken mit den Schultern. „Ich glaube schon, dass das gut ist. Da werden ja keine Tiere geschlachtet“, sagt Leo schließlich. Komplett vegetarisch ernährt sich hier aber keiner, auf dem Speiseplan der Ganztagsschule steht immer wieder Fleisch. Grundlegende Probleme zeigen sich jedoch auch in der Grundschule am Haverkamp. Es bleibt immer Essen übrig, erzählt Sven Pfannekuche, der bei Schweißguth in der Küche steht. Nicht, weil es den Kindern nicht schmeckt. Sondern weil es schwierig ist, passgenau zu kochen. Es landen also auch hier jede Menge Lebensmittel auf dem Müll.

Ehrgeiziges Projekt in Essen

In Essen beginnt jetzt die Bewerbungsphase für ein ehrgeiziges Projekt, das von der EU mit 40.000 Euro gefördert wird. „School Food for Change“ („Schulessen für den Wandel“) heißt es und wird in Deutschland in zwei Städten umgesetzt, neben Essen hat auch Nürnberg einen Zuschlag bekommen. 40 Schulen sollen in Essen daran teilnehmen können, der Ernährungsrat wird es begleiten. „Wir werden bei der Weiterentwicklung der Speisepläne helfen und praktische Ernährungsbildung anbieten“, sagt Karin Schmidt, die Projektverantwortliche beim Ernährungsrat. Bei Projekten allein darf es aber nach Ansicht der Aktivisten nicht bleiben. „Es muss für alle Kinder möglich sein, ein warmes, nachhaltiges und frisch zubereitetes Mittagessen zu bekommen“, fordert Steinmeyer. Sie ist überzeugt: „Wenn genügend Geld vorhanden ist, kann die Landwirtschaft innerhalb von zwei bis fünf Jahren komplett auf Öko-Anbau umgestellt werden.“