Köln. Reemtsma-Entführer Thomas Drach steht in Köln wegen versuchten Mordes und Raubes vor Gericht. Der erste Prozesstag zum Nachlesen.
- Am Kölner Landgericht startet ein aufsehenerregender Prozess gegen den früheren Reemtsma-Entführer Thomas Drach.
- Drach werden vier Raubüberfälle auf Geldtransporte, unter anderem am Flughafen Köln/Bonn, und versuchter Mord vorgeworfen.
- Der erste Prozesstag zum Nachlesen.
Das also ist einer der gefährlichsten Verbrecher Deutschlands – Thomas Drach, verurteilt wegen der Entführung von Jan Philip Reemtsma, steht jetzt in Köln vor Gericht, ein kräftiger 61-Jähriger, braunes T-Shirt unter dunklem Jackett, Halbglatze und Mehrtagesbart. Er soll mit Waffengewalt mehrere Geldtransporte überfallen haben. Im Falle eines Schuldspruchs durch das Landgericht droht dem 61-Jährigen für immer ein Leben hinter Gittern: Von der Einschätzung des Essener Psychiaters Dr. Stephan Roloff-Stachel hängt ab, ob für ihn Sicherheitsverwahrung angeordnet wird.
Doch zunächst einmal will die 21. Große Strafkammer in bislang angesetzten 53 Verhandlungstagen bis Ende September klären, was dran ist an den Vorwürfen, dass Drach in vier Fällen Geldtransporter überfallen und dabei zwei Wachleute durch Schüsse lebensgefährlich verletzt haben soll. Die Anklage von Staatsanwältin Anja Heimig wirft ihm daher versuchten Mord vor. Und da er bei den beiden Kölner Überfällen ein Sturmgewehr benutzt haben soll, ist neben bewaffnetem Raub auch ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz angeklagt.
Unser Reporter war vor Ort und berichtete live aus dem Gerichtssaal vom Start des Prozesses
Update, 15.42 Uhr: Der erste Verhandlungstag im Prozess gegen Thomas Drach ist beendet. Der nächste Verhandlungstag soll am 7. Februar stattfinden.
Update, 15.31 Uhr: Die Verteidiger von Thomas Drach bezweifeln, dass die Akten, die ihnen von der Staatsanwaltschaft zur Einsichtnahme übermittelt wurden, vollständig sind. Aus diesem Grund haben die Verteidiger eine dreiwöchige Aussetzung der Verhandlung beantragt. Richter Jörg Michael Bern will nun klären, wem welche Daten fehlen.
Thomas Drach will sich im Prozess nicht zu Vorwürfen äußern
Update, 14.20 Uhr: Der Kölner Anwalt Wolfgang Heer, der Mittäter W. verteidigt, begründete in diversen Anträgen unter anderem, warum er die Tonaufzeichnung der Verhandlung für wichtig hält.
Demgegenüber legten Drachs Anwälte besonderen Wert darauf, dass festgelegt wird, was aufgezeichnet wird, damit nicht etwa auch vertrauliche Gespräche mit Drach aufgenommen werden.
Für Heer war auch die Neuernennung eines Ersatzschöffen problematisch.
Zudem betonte der Anwalt, dass die Ausweise von allen Journalisten und Zuhörern gescannt und eine Sicherheitsabfrage vorgenommen wurde. Er möchte wissen, ob und wer warum von der Sitzung ausgeschlossen wurde. Aufgrund der Corona-Lage und der mangelnden Größe des Sitzungssaals konnten nicht alle Besucher in den Saal. Viele Journalisten wichen auf einen Medienarbeitsraum aus, wo es eine Audio-Übertragung gab.
Update, 13.03 Uhr: Während die Anwälte von Drach zunächst auf eine Stellungnahme verzichteten und ankündigten, dass sich Drach weder zur Person noch zur Sache äußern werde, verlasen die Anwälte des Mitangeklagten Eugen W. ein Eröffnungsstatement. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Heer hält die Anklage für: „ein dürftiges, indizielles Konstrukt, das keinen Bestand haben wird.“ Dass sein Mandant Drach kenne, ihm Autos geliehen habe und zum Zeitpunkt des Überfalls in Frankfurt gewesen sei, seien Indizien, die nichts bewiesen. Auch Eugen W. werde nichts aussagen, sein Schweigen dürfe ihm aber nicht zum Nachteil ausgelegt werden. W. sei, außer vor 13 Jahren beim Autofahren unter Drogeneinfluss in den Niederlanden, nie straffällig geworden.
Update, 12.24 Uhr: Der frühere Reemtsma-Entführer Thomas Drach will sich im Prozess gegen ihn am Kölner Landgericht nicht zu den erhobenen Vorwürfen äußern. Der 61-Jährige werde von seinem Schweigerecht Gebrauch machen und sich weder zu seiner Person noch zur Sache äußern, erklärte sein Verteidiger am Dienstag am ersten Tag des Verfahrens.
Drach-Prozess: Verlesung der Anklage hat begonnen
Update, 12.06 Uhr: Im Prozess gegen den früheren Reemtsma-Entführer Thomas Drach hat am Dienstagvormittag die Verlesung der Anklage begonnen. Kurz vor 12 Uhr begann die Staatsanwältin vor dem Landgericht Köln, die Vorwürfe gegen den 61-Jährigen vorzutragen.
Drach wird in dem Prozess unter anderem versuchter Mord, besonders schwerer Raub und Brandstiftung vorgeworfen. Es geht dabei um vier Überfälle auf Geldtransporter in Köln, Frankfurt am Main und Limburg. 2018 und 2019 sollen Drach und ein Mitangeklagter insgesamt mehr als 230.000 Euro erbeutet haben.
Drach bestreitet die Vorwürfe. Seine Anwälte sehen keinerlei stichhaltige Beweise gegen ihren Mandanten. Im Falle einer Verurteilung steht für Drach eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Raum.
Update, 11.54 Uhr: Der Prozess gegen Thomas Drach wird nach der Unterbrechung fortgesetzt. Als Richter Jörg Michael Bern die Personalien der Angeklagten feststellt, meldete sich Drach plötzlich selbst zu Wort: Er wolle Strafanzeige gegen die Staatsanwältin stellen, wegen Urkundenfälschung.
Update, 11.08 Uhr: Der Prozess gegen Thomas Drach hat sich am Dienstagmorgen zunächst verzögert. Der Anwalt des 53-jährige Niederländers W. gab vor dem Landgericht Köln an, sein Mandant habe starke Kopfschmerzen und müsse erst eine Tablette einnehmen. W. soll Drach bei zwei der drei Überfällen geholfen haben. Die Hauptverhandlung wurde daraufhin unterbrochen. Sie soll nach einer Pause fortgesetzt werden.
Schon zuvor hatte sich der geplante Start verzögert. Für den Prozess gegen den 61-jährigen Drach gelten hohe Sicherheitsvorkehrungen. Beobachter des Verfahrens wurden streng kontrolliert.
Nicht nur das führte zu Verzögerungen. Auch Drachs Verteidiger, der Kölner Rechtsanwalt Andreas Kerkhof, überzeugt davon, dass die Anklage nicht stichhaltig und sein Mandant freizusprechen ist, wurde fehlgeleitet und konnte zunächst nicht, wie verabredet, mit Thomas Drach sprechen.
Drach-Prozess verwandelt Gericht in Hochsicherheits-Zone
Update, 10.10 Uhr: Wegen der Gefährlichkeit des Angeklagten kommen auf das Landgericht und das Umfeld anstrengende Monate zu: Rings um das Justizzentrum Köln, einem Hochhaus aus den 80er Jahren im Südwesten der Stadt, patrouillieren Motorradpolizisten, in und um das Gebäude sind bewaffnete Streifen postiert und vor dem neonbeleuchteten Gerichtssaal mit der dunklen Holzvertäfelung hinter der Richterbank ist eine weitere Schleuse installiert, wo noch einmal alle Besucher und Pressevertreter abgetastet und durchsucht werden, im Nebenraum warten Sanitäter.
Warum die Kölner Kammer angesichts der Belastung für das Justizzentrum und der Umgebung nicht für einen Prozess im Hochsicherheitssaal für Terrorprozesse des Oberlandesgerichts Düsseldorf umgezogen ist, mochte die Pressestelle nicht kommentieren.
Update, 8.50 Uhr: Richter Jörg Michael Bern, 59, ist seit fast drei Jahrzehnten Richter. Der Mann mit der Halbglatze gilt als erfahren, gerade auch, was Überfälle mit Schusswaffengebrauch angeht. Er leitete den Prozess, in denen es um Schusswechsel mit einem Sondereinsatzkommando ging, genauso wie ein Verfahren, in dem es um eine Schießerei im Kölner Rocker-Milieu ging.
Drach erlangte Berühmtheit durch Reemtsma-Entführung
Traurige Berühmtheit erlangte Thomas Drach durch die Geiselnahme des Reemtsma-Erben: 1996 hatte der in Erftstadt bei Köln geborene Drach Jan Philipp Reemtsma entführt. Nach 33 Tagen ließ er sein Opfer wieder frei - gegen ein Lösegeld von 15 Millionen D-Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken. Für die Tat verurteilte das Hamburger Landgericht ihn zu vierzehneinhalb Jahren Gefängnis.
Nach seiner Entlassung 2013 setzte sich Drach ins Ausland ab. In den Jahren 2018 und 2019 beschäftigte eine Reihe von ähnlich gelagerten Überfällen auf Geldtransporter die Polizei in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Zunächst tappten die Behörden im Dunkeln, es gab sogar Spekulationen über eine Beteiligung ehemaliger RAF-Terroristen. Videoaufnahmen eines Zeugen bei einem Überfall am Flughafen Köln/Bonn brachten die Ermittler schließlich auf die entscheidende Spur. Sie führte nach Amsterdam - zu Thomas Drach. Im Februar 2021 wurde er dort festgenommen und sitzt seit seiner Auslieferung in Köln in Untersuchungshaft. (mit dpa)