Krefeld. Neun Frauen der Zeitgeschichte, eine von ihnen ist Astrid Lindgren. Das Kresch-Theater in Krefeld präsentiert das Stück „Historische Frauen“.

Ein schwedisches Volkslied erklingt und eine Frau mit zwei Haarzöpfen hüpft auf die Bühne. Kurz darauf setzt sie sich an einen kleinen Tisch und beginnt emsig auf der knallgelben Schreibmaschine zu tippen. Pling! Die Musik wird leiser, da springt sie auch schon auf und ruft: „Hej! Ich bin Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf, kurz: Pippi Langstrumpf.“ Kurze Pause. „Und ich bin Emil aus Lönneberga, ihr kennt mich als Michel.“ Außerdem ist sie Karlsson vom Dach und Ronja Räubertochter. „Und natürlich bin ich auch Astrid Anna Emilia Lindgren, geborene Ericsson, kurz: Astrid Lindgren!“

Fast jedes Kind kennt die abenteuerlustige Pippi, den ständig im Schlamassel steckenden Michel, den fleischbällchenliebenden Karlsson und die mutige Ronja. Ja, die Kinder- und Jugendbücher der schwedischen Autorin sind weltberühmt! Dagegen weiß wohl kaum jemand, wer eigentlich die Frau war, die hinter all diesen Geschichten steckt. Und aus ebenjenem Grund schlüpft die Schauspielerin Silvia Westenfelder in die Rolle der Astrid Lindgren und der ihrer wichtigsten Romanfiguren. Damit ist sie eine von insgesamt neun Schauspielerinnen des Zweiteilers „Historische Frauen“, das am kommenden Wochenende im Kresch-Theater Premiere feiert.

Neun Frauen der Zeitgeschichte

Es ist ein ungewöhnliches Konzept, geboren aus der Not heraus. „Wir haben uns gefragt, was wir in der Corona-Pandemie verantwortungsvoll tun können“, erzählt Franz Mestre. Die Idee der Leiterin Isolde Wabra fanden er und sein Kollege Helmut Wenderoth sofort genial: Auf der Bühne steht immer nur eine einzige Person! Wie das funktioniert, damit es dennoch lebhaft, spannend, mitreißend ist? Jede Schauspielerin verkörpert eine Frau der Zeitgeschichte. Darunter sind starke Persönlichkeiten wie die Friedenskämpferin Bertha von Suttner, aber auch so verstörende Figuren wie die „Erste Dame“ des Dritten Reiches Magda Goebbels. Oder eben auch so faszinierende Frauen wie Astrid Lindgren.

Astrid Lindgren hat „Pippi Langstrumpf“ geschrieben. Die erste Seite des Buchs liest Silvia Westenfelder im Kresch-Theater in Krefeld vor. Auf Schwedisch. Die deutsche Übersetzung hat sie natürlich auch parat.
Astrid Lindgren hat „Pippi Langstrumpf“ geschrieben. Die erste Seite des Buchs liest Silvia Westenfelder im Kresch-Theater in Krefeld vor. Auf Schwedisch. Die deutsche Übersetzung hat sie natürlich auch parat. © FFS | Kai Kitschenberg

Die Bücher kannte Schauspielerin Silvia Westenfelder natürlich schon vorher. Doch als sie sich gemeinsam mit Regisseur Helmut Wenderoth auf die Spurensuche begab, erlebte sie die ein oder andere Überraschung. „Als sich Astrid Lindgren die Pippi Langstrumpf-Geschichten ausgedacht hat, arbeitete sie in der Abteilung für Briefzensur des schwedischen Nachrichtendienstes“, erzählt sie. Die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges konnte sie somit schwarz auf weiß lesen. „Als Kontrapunkt dazu steht Pippi Langstrumpf, die nicht von den Eltern kontrolliert wird und trotzdem so tolle Sachen macht.“ Alles übrigens ausgedacht für Tochter Karin, die mit einer Lungenentzündung im Bett lag und sich langweilte.

20. Todestag von Astrid Lindgren

Biografische Episoden wie diese erzählt die Schauspielerin auf der Bühne, lässt aber auch immer wieder die Romanfiguren durchblitzen. Denn beides, Realität und Fiktion, sind bei Astrid Lindgren untrennbar miteinander verbunden. Die Geschichten um Michel aus Lönneberga, der übrigens seinen schwedischen Namen wegen „Emil und die Detektive“ in Deutschland nicht behalten durfte, knüpfen an ihre eigene von Geborgenheit und Freiheit geprägte Kindheit an. Beides sind zentrale Themen in ihrem Werk, beides hoffte sie mit ihren Büchern zu vermitteln. Und so erklingen während des Monologs auf der Bühne auch Originalzitate: „Wenn ich auch nur eine einzige düstere Kindheit erhellen konnte, bin ich zufrieden.“

Silvia Westenfelder schreit auf der Bühne des Kresch-Theaters in Krefeld einmal ganz laut: das ist Ronja Räubertochters Frühlingsschrei.
Silvia Westenfelder schreit auf der Bühne des Kresch-Theaters in Krefeld einmal ganz laut: das ist Ronja Räubertochters Frühlingsschrei. © FFS | Kai Kitschenberg

Dass sich Astrid Lindgren stark für Kinder engagierte, für eine gewaltfreie Erziehung plädierte, hat auch Silvia Westenfelder während ihrer Recherche fasziniert. Umso glücklicher ist sie, sich nun endlich die Haare flechten und ein rotes Tuch umbinden zu können, um die schwedische Autorin lebendig werden zu lassen. Hoffentlich bald auch wieder in Klassen, denn Schulen können sie und ihre Kolleginnen für Gastspiele buchen. Doch zunächst einmal steht sie am Freitag, 28. Januar, auf der Bühne in der Fabrik Heeder. Exakt an dem Tag, an dem vor 20 Jahren Astrid Lindgren gestorben ist. Wobei, das betont die Schauspielerin: „Durch ihre Bücher lebt sie immer weiter.“

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Das Kresch-Theater präsentiert den Zweiteiler „Historische Frauen“. Am Freitag, 28. Januar, steht der Abend unter dem Motto „Ideen und Ideale“ mit folgenden Frauen: Bertha von Suttner (Friedenskämpferin, gespielt von Claudia Schnürer), die heilige Maria („Mutter Gottes“, gespielt von Britta Weyers), Astrid Lindgren (Schriftstellerin, gespielt von Silvia Westenfelder) und Ada Lovelace Byron (Mathematikerin, gespielt von Michaela Christl).

Weiter geht’s am Samstag, 29. Januar, mit „Macht und Ohnmacht“ und diesen Personen: Elisabeth I. von England (Königin, gespielt von Barbara Feldbrugge), Gudrun Ensslin (RAF Terroristin, gespielt von Ilka Luza), Sophie Scholl (Widerstandskämpferin, gespielt von Christina Wouters), Magda Goebbels („Erste Dame“ des Dritten Reiches, gespielt von Christina Beyerhaus) und Rosa Luxemburg (Sozialistin, gespielt von Lina Maria Spieth).

Beide Veranstaltungen finden um 19 Uhr in der Studiobühne I in der Fabrik Heeder, Virchowstraße 130 in Krefeld, statt. Karten kosten für Erwachsene zwölf Euro, für Kinder/Jugendliche fünf Euro sowie für Schülergruppen vier Euro pro Person und können reserviert werden unter 02151/862626, per E-Mail an kresch@krefeld.de oder über www.kresch.de. Krefelder Kulturveranstalter und Schulen bekommen zusätzlich die Möglichkeit, sich ihr individuelles Wunschpaket „Spurensuche“ zu buchen.