Düsseldorf. Für Obdachlose ist es oft schwierig, die Corona-Impfung zu belegen. Papiere führen sie oft nicht mit sich. Ärzte und Helfer unterstützen sie.

Der Aufenthalt in der U-Bahn-Station, das Fahren mit Bus oder Bahn, das Aufwärmen in einem Café – all das wird nahezu unmöglich für obdachlose Menschen an Rhein und Ruhr. Und das trotz Impfung. Denn viele Menschen, die auf der Straße leben, verlieren ihren Impfnachweis oder haben kein Smartphone, in dem er gespeichert ist. Kurzum: Obwohl sie geimpft sind, kann ihnen der Zutritt verwehrt werden. Ein Dilemma.

„Das ist ein Riesenproblem“, bestätigt Werena Rosenke, Sprecherin und Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe im Gespräch mit der NRZ. Im Zweifel kann das dazu führen, dass die Menschen zu einem Ordnungsgeld verdonnert werden, das sie nicht bezahlen können. Die Folge: Sie müssten ihre Strafe in Haft absitzen.

Medizinischen Hilfe für Wohnungslose Düsseldorf: 50 Patienten pro Woche

Auch Alexandra Terkatz bestätigt, dass der fehlende Impfnachweis zum Problem wird. Die Ärztin behandelt diese Patienten in der Praxis der Medizinischen Hilfe für Wohnungslose Düsseldorf e.V.. Fünf Ärzte kümmern sich hier um rund 40 bis 50 Patienten pro Woche – auch ohne Krankenversicherung. Laut Statistischem Bundesamt sind 0,1 Prozent der Menschen in Deutschland nicht krankenversichert.

Möglich ist das zum einen durch Medikamenten- und Geldspenden und durch einen Zuschuss der Stadt Düsseldorf. Vor allem chronische Erkrankungen und Hautkrankheiten gehören hier zum täglichen Behandlungsspektrum.

Arzt aus Düsseldorf warnt vor weiteren harten Lockdowns

Besonders die Zeit der Lockdowns war für obdachlose Menschen hart. Orte, an denen es Mittagessen, einen heißen Kaffee oder eine Duschmöglichkeit gab, waren zum Teil geschlossen, die Lebensgrundlage wie der Verkauf von Straßenmagazinen brach weg, die Angst vor Infektionen in den Sammelschlafstellen war groß. Dr. Carsten König, der die Praxis in Düsseldorf führt, warnt gegenüber der NRZ daher vor weiteren harten Lockdowns.

Seine Praxis hat die gesamte Pandemie über die wohnungslosen Menschen behandelt, nur der Behandlungsbus ist nicht mehr durch die Stadt gefahren. Der umgebaute Wohnwagen ist zu eng, Abstände können nicht gewahrt werden. Der Bus, so Terkatz, werde nun wohl komplett eingestellt. Aber der Praxisbetrieb mit mehreren Standorten in Düsseldorf läuft weiter. Zumal auch noch obdachlose Menschen geimpft werden müssen.

Mobile Impfteams sind wichtig für die Versorgung

Eine aktuelle Umfrage der BAG Wohnungslosenhilfe unter Mitgliedseinrichtungen in ganz Deutschland ergab folgendes Bild: Über 40 Prozent der Einrichtungen berichteten in der Online-Befragung, dass nahezu alle Klienten in ihrer Einrichtung geimpft worden seien. Mehr als 50 Prozent berichten, dass ein großer Teil geimpft sei. Auch Terkatz berichtet aus Düsseldorf, dass der Einsatz von mobilen Impfteams in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, beispielsweise einem Wohnheim, sehr effektiv sei. „Für die Booster-Impfung ist der Einsatz der mobilen Impfteams ebenfalls sehr wichtig“, fordert sie. In der Praxis für Wohnungslose hingegen läuft es etwas schleppender. Von hundert Patienten fragten maximal 20 nach einer Booster-Impfung, schätzt sie.

Vor allem Obdachlose, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind, seien schwer zu erreichen, weil Sprachbarrieren hinzukommen, erklärt Rosenke von der BAG.

Appell: Räume in der kalten Jahreszeit zur Verfügung stellen

Ein weiteres Problem: „Viele denken, sie können sich nicht impfen lassen, weil sie nicht krankenversichert sind. Das stimmt nicht.“ Rosenke betont: „Es ist notwendig, dass es weiterhin die mobilen Impfteams gibt“, sagt sie zur NRZ. Den geringsten Erfolg hätte ihrer Einschätzung nach die Versorgung von Obdachlosen in Impfzentren. Dort müssten die Menschen einen Termin vereinbaren, Unterlagen mitbringen und schließlich auch dorthin kommen. Zu viele Hürden für Menschen, die kaum Geld und keine Alltagsstruktur haben.

Doch die medizinische Versorgung von Obdachlosen ist nicht das einzige Problem. Durch die Pandemie können Schlafstellen und andere Sammeleinrichtungen in der Regel weniger Plätze anbieten, weil gewisse Hygieneregeln eingehalten werden sollen.

Die BAG appelliert an die Kommunen, für die kalte Jahreszeit weitere Räume zur Verfügung zu stellen, damit ausreichend Platz vorhanden ist. Das würde verhindern, dass mehr Menschen im Winter auf der Straße schlafen und dort möglicherweise erfrieren. Laut BAG starben im vergangenen Winter 23 obdachlose Menschen den Kältetod.

Info: Hier gibt es Unterstützung für Wohnungslose

  • Die MedizinischeHilfe für Wohnungslose in Düsseldorf e.V. versorgt seit 1996 obdachlose Patienten in Düsseldorf. Wer den Verein mit Sach- oder Geldspenden unterstützen möchte, kann sich an die Praxis wenden: 0211-31 606 140.
  • Mit einer Spende von 30 bis 40 Euro können laut Praxis die Basiskosten für einen nicht versicherten Patienten in einem Quartal gedeckt werden. Weitere Infos gibt es auf der Internetseite: https://www.medhilfe-duesseldorf.de/