Düsseldorf. Jacques Tillys Plastiken fahren nicht nur auf dem Düsseldorfer Rosenmontagszug, sondern auch in England, bei Demos oder stehen am Kölner Dom.
Auf unseren neuen Bundeskanzler freut er sich schon sehr. „Eine Billardkugel, Schlitzaugen, fertig ist Olaf Scholz“, sagt Jacques Tilly. Aber noch kann er sich zurücklehnen, nachdem der Düsseldorfer Karnevalszug nun erneut verschoben worden ist – von Rosenmontag auf den 8 Mai, vom 8. Mai auf den 29. Mai. Der Meister des Wagenbaus und des bösen Humors wird dieses Mal also erst im Frühling zur politischen Höchstform auflaufen.
David steht vor einer Folienwand von Fortuna Düsseldorf und knickt Drahtwabe um Drahtwabe. Damit verpasst der Künstler der künftigen Wagenwand die Dreidimensionalität. Ob der Karneval nun früher oder später kommt – in dem ehemaligen Düsseldorfer Straßenbahndepot wird auf den Zug hin gearbeitet, gemalt und gekleistert. Und Arbeit gibt es wahrlich genug!
So mancher Rücktritt vor dem Rosenmontagszug
Doch die politischen Wagen, das Salz in der Suppe des Düsseldorfer Zugs, die baut Jacques Tilly erst kurz vor knapp. „Aktualität ist Trumpf!“, sagt er. Denn er weiß: Vor Rosenmontag kann es noch so manchen Rücktritt geben. Wie einst Ratzinger, Schavan, Wulff – ach, was kann noch alles passieren! Innerhalb eines Tages kann das Tilly-Team eine neue Lage, eine neue Personalie verbildlichen – kurzum: ein neuer Wagen in 24 Stunden.
Einen Einblick in das, was schon da ist, gab er nun 30 NRZ-Leserinnen und -Lesern bei einer Führung unter 2G-Bedingungen und mit Mund-Nasen-Schutz in seinem riesigen Düsseldorfer Wagenbauatelier. Da stehen vor allem die Gesellschaftswagen, Auftragsarbeiten also. Darunter auch der – schon fertige! – Karnevalswagen der NRZ, der, so Tilly, für einen Gesellschaftswagen schon sehr politisch ist. Das darf man getrost als kleinen Ritterschlag sehen, wenn es der Wagenbaumeister sagt. Und dieser NRZ-Wagen trifft auch seinen politischen Nerv, macht er sich doch für die freiheitlich-demokratische Grundordnung stark und sagt den „-Ismen“ den Kampf an. Ismen, das kann alles sein – vom Extremismus über den Populismus bis hin zum Faschismus.
Tilly wettert gegen Rechtsextremismus
Gegen Rechtsextremismus zum Beispiel wettert auch Tilly mit seinen politischen Karnevalswagen gern, wie er in einem kleinen Vortrag Revue passieren ließ. Ein weltweites Echo, Zustimmung wie Ablehnung, lösen sie aus. Und nach dem Zug ist alles vorbei, dann werden die meisten Wagen zerstört, Pappkameraden zertrümmert. Es sei denn, jemand hat Interesse an dem Wagen und will ihn auch in Zukunft noch zeigen.
Das brennende Känguru, das die australischen Waldbrände thematisierte, fährt noch bei so mancher Fridays-for-Future-Demo, provokante Kardinals- oder Bischofsplastiken stehen auch gerne mal vor dem Kölner Dom und Theresa May, die sich als Pappmaché-Figur mit der Brexit-Waffe die Kugel geben will, fuhr eine lange Zeit durch Großbritannien. Also doch Werke mit bleibendem Eindruck!
Dabei ist Tilly froh, für die Düsseldorfer Karnevalisten arbeiten zu dürfen. Denn „politisch zur Sache geht es nur in Düsseldorf“, ist Tilly überzeugt. Das Karnevalskomitee sei „angstfrei“. „Ich habe mit keiner Zensur zu tun“, sagt er. Und so sorgen seine Wagen für so manchen Schmerz. So sehr, dass Tilly gar Morddrohungen erhält, wie er schildert.
Sein Publikum hat Tilly an dem Abend schnell in seinen Bann gezogen. Die NRZ-Leserinnen und -Leser fragen, lachen, loben. Übrigens auch unseren Karikaturisten Thomas Plaßmann, der den Entwurf für den NRZ-Karnevalswagen gezeichnet hat. Der gefällt Karin Prochnow-Koenen „sehr gut“. Überhaupt ist sie entzückt von der Führung. „Ich war neugierig, wie das alles entsteht. Diese Fingerfertigkeit! Diese Einfälle“, sagt sie. Die Wagen, die sie sich an Rosenmontag stets im Fernsehen ansieht, wird sie nun mit anderen Augen betrachten.
Karnevalist aus Duisburg will sich Tipps holen
Volker Walk aus Duisburg will sich Tipps vom Wagenbaumeister abholen – und womöglich den einen oder anderen aus seinem Karnevalsverein zum Workshop nach Düsseldorf schicken. Er ist Teil der Karnevalsgesellschaft in Serm, der KG Südstern. Der Trupp baut seine Wagen für den Dorfumzug Jahr für Jahr in der Scheune.
Auch Werner Garus hofft noch auf seinen großen Auftritt beim Moerser Karnevalszug. Das Mitglied des Männerballetts, des alten Moerser Schlossballetts, zückt direkt ein Foto seines CO2-neutralen Gefährts: die Schnauze eines VW Käfers. CO2-neutral? Natürlich! Der Bauch des VW Käfers ist so dick – oder besser gesagt: lang –, dass gleich zwölf tanzende Fahrradfahrer darin Platz finden…