Am Niederrhein. Sie fürchtet weder Spinnen noch Schlossgeister: Antje-Britt Mählmann übernimmt ab April die künstlerische Leitung des Museums Schloss Moyland.

Es kann einen auch ein wenig gruseln vor dieser Aufgabe – die künstlerische Leitung des Museums Schloss Moyland gilt als knifflig, – daher hat die Suche nach einer neuen Schlossherrin lange gedauert. Im April 2022 wird Antje-Britt Mählmann an den Niederrhein kommen. Wir sprachen mit ihr über Spinnen, Schlossgeister und natürlich über Beuys..

Frau Dr. Mählmann, haben Sie eigentlich Angst vor Spinnen?

Überhaupt nicht. Spinnen sind eine Arzt Schutzpatron für mich. Ich habe über das Geheimnis der Spinnen im Spätwerk der franko-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois meine Doktorarbeit geschrieben. Die Spinnen haben mich immer begleitet und sie hatten auch in meinen Wohnungen immer ihren Platz. Wenn sie mich doch gestört haben, habe ich sie raus gesetzt. Ich mag Spinnen sehr gern, sie sind fleißig , bauen Netze. Und Netzwerken ist im Kulturbetrieb ja auch sehr wichtig. Spirituelle Wegbegleiter, würde Beuys vielleicht gesagt haben.

Das heißt: Sie sehen Netze als Chance und nicht die Gefahr, sich dort zu verheddern?

Nein, gar nicht. Ich bin ja selbst gut vernetzt und komme mit klaren Ideen, die ich auch umsetzen möchte. Und ich habe den Eindruck, dass alle in Vorstand, Kuratorium und im Team des Museums Schloss Moyland in die Zukunft blicken und da etwas neues bewegen wollen. Da kann das eigene Netzwerk hilfreich sein, um das Haus überregional und international besser aufzustellen und noch attraktiver zu machen.

Lübeck trauert, weil Sie gehen, denn Sie haben das Museum dort in neue Kooperation geführt. Wo wollen Sie sich in Moyland vernetzen?

Passt nicht jedem, die Hutgröße von Joseph Beuys. Hier ist eine Arbeit der Künstlerin  Elina Brotherus aus dem Jahr 2017 zu sehen:  „The Hat Is Too Big (The Joseph Beuys Hat)“, 2017, 60x45cm, aus der Serie „Meaningless Work“.  
Passt nicht jedem, die Hutgröße von Joseph Beuys. Hier ist eine Arbeit der Künstlerin Elina Brotherus aus dem Jahr 2017 zu sehen: „The Hat Is Too Big (The Joseph Beuys Hat)“, 2017, 60x45cm, aus der Serie „Meaningless Work“.   © Foto: Elina Brotherus

Das Rheinland war schon immer sehr vernetzt und innovativ. Da werde ich meine Kontakte pflegen, die ich mit meinen Erfahrungen in Düsseldorf, Bonn, Krefeld und Wuppertal ja schon habe. Für mich ist es wichtig, dass wir Kontakte auch in die Niederlande ausweiten. Die Nachbarn in den Niederlanden für den Bestand, das Schloss und auch für Park, Shop und Café zu begeistern, halte ich für wichtig. Das sind tolle, interessierte Individualreisende. Dieses Potenzial möchte ich mehr aktivieren, durch gute Ausstellungen und Programme und Kooperationen mit niederländischen Museen. Ich möchte zudem Kooperationen mit weiteren Nationen und Häusern eingehen, beispielsweise mit den USA oder Finnland.

Sie kommen aus Wilhelmshaven, haben Ihre Ausbildung und Ihre Erfahrungen auch hier im Rheinland gesammelt. Was kennen und schätzen Sie in der Region?

Ich habe lange in Wuppertal gearbeitet und dort viele Führungen gemacht. Für mich ist das Von-der-Heydt-Museum ein Ort, den ich sehr schätze. Ich habe in Düsseldorf studiert und Erfahrungen mit der Heinrich-Heine-Universität und der Kunstakademie. Diese Verbindungen wieder zu aktivieren, reizt mich sehr. Ohnehin schätze ich das dichte kulturelle Netz der Region. Das war für mich ein Grund für den Wechsel. Das Rheinland ist künstlerisch spannend. Das war so zu Zeiten von Joseph Beuys und Jörg Immendorf, zu Zeiten von Bernd und Hilla Becher, Gerhard Richter und Andreas Gursky. Und das ist es auch heute -- ein fruchtbarer Boden für Kunst und Künstler:innen.

Sind Sie dem Geist von Beuys in Düsseldorf schon begegnet?

Nein, seinem Geist bin ich nicht begegnet, aber ich habe mich viel mit ihm beschäftigt, viele Jubiläumsausstellungen und Veranstaltungen wahrgenommen. Auch den Disput um seine nationalsozialistische Vergangenheit finde ich wichtig und richtig. Mich interessiert Beuys als Bildhauer. Was sind ursprünglich Kunstwerke bei ihm? Was sind Dinge, die aus einer Performance umgewidmet werden zu einer Arbeit, die ins Museum kommt?

Bedauern Sie, dass Sie erst nach dem Jubiläum an die Beuys-Hoch- und Hofburg kommen?

Überhaupt nicht. Jubiläumsjahre sind tolle Anlässe, da machen alle etwas zum Thema. Aber vielleicht ist man zwei, drei Jahre danach freier zu Beuys zu arbeiten, wenn nicht alle etwas machen.

Welchen Ideen bringen Sie mit?

Mich interessiert immer die Sammlung eines Hauses. Ich finde es spannend, damit zu arbeiten und auch weniger bekannte Bestände neu zu bearbeiten – im Sinne eines Perspektivwechsels. Und darüber nachzudenken: Was bedeutet Beuys heute zeitgenössischen Künstlern? Was bedeuten seine Arbeiten der heutigen Gesellschaft? Deswegen möchte ich viel mit Gegenwartskünstlerinnen und -künstlern arbeiten, auch mit Blick auf Diversität und Gender-Identität im weitesten Sinne. Es soll ein ausgewogenes Programm werden. Es gibt auch Bestände in Moyland jenseits von Beuys, die lohnend zu bearbeiten sind, zum Beispiel Werke der eher unbekannten Emmy Lischke aus Wuppertal mit ihren Arbeiten aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Es gibt in Moyland auch einen frühen Mondrian und Skulpturen aus dieser Zeit.

Seit wann kennen Sie das Museum Schloss Moyland?

Nicht immer ist hier das Klima so angenehm wie an diesem Sonnentag: Außenansicht des Museums Schloss Moyland.
Nicht immer ist hier das Klima so angenehm wie an diesem Sonnentag: Außenansicht des Museums Schloss Moyland. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Mein erster Besuch dort muss zu Studienzeiten in Düsseldorf gewesen sein, so etwa 2011.

Da haben Sie gedacht: Hier werde ich künstlerische Direktorin?

Nein, sicher nicht (lacht). Für mich war die Arbeit von Museumsdirektorinnen und -direktoren immer faszinierend. Martin Roth, damals Direktor des Victoria&Albert-Museums in London, hat mal in einem Vortrag erzählt, dass er abends ab und zu durchs Haus geht und nicht fassen kann, dass er Direktor eines so tollen Museums sein darf. So ähnlich komme ich mir jetzt auch vor: Was für eine Ehre, was für ein Privileg, was für eine tolle Aufgabe.

Klingt ein wenig nach „Nachts im Museum“. Müssen wir uns vorstellen, wie Sie nachts in Moyland durch die Flure und das Depot schleichen und verzückt vor den Kunstschätze stehen?

Leider bin ich meist eher im Stechschritt unterwegs, weil ich immer viel schaffen will, wenn ich im Museum bin. Ich habe meist einen klaren Plan, das wird nicht immer ganz so besinnlich.

Wann kommen Sie an den Niederrhein? Ist Ihnen der Niederrheiner und das ihm zugeschriebene Naturell ein Begriff?

Ende März ziehe ich um. Ich bin eher ein Nordlicht, aber ich habe mich in der Region immer sehr wohl gefühlt. Ich denke, die Leute sind offen und ich werde da gut leben können. Ich freue mich, wieder etwas ländlicher zu wohnen, freue mich aber auch auf die Nähe zum Rheinland, zu Düsseldorf. Und es sind ja nur anderthalb Stunden bis Amsterdam, die Niederlande reizen mich auch privat.

Wann wird es die erste richtige Mählmann-Ausstellung auf Moyland geben?

Ich werde in die bestehende Planung sicher nicht eingreifen. Daher wird das wohl ein Jahr oder anderthalb Jahre dauern. Ich würde gern mit einer Künstlerin arbeiten, die u.a. mit Re-Performances arbeitet, die sie fotografisch festhält. Die Künstlerin heißt Elina Brotherus und sie hat eine Arbeit mit dem Titel „Kartoffellese“ und ist quasi das heutige Gegenstück zur Beuys-Performance „Kartoffeln pflanzen“ von 1977. Dieses Projekt ist noch nie gezeigt worden. Mit ihr und mit dem Zugang zum Beuys-Archiv möchte ich arbeiten und so der männlichen Künstlerikone Joseph Beuys eine heutige weibliche Position gegenüberstellen.

Frau Mählmann, wir freuen uns auf die Kartoffellese in Moyland.