Düsseldorf. Angesichts der dramatisch steigenden Corona-Fallzahlen müssen bereits jetzt Schwerstkranke verlegt und Operationen abgesagt werden, heißt es.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert erhebliche und tiefgreifende Sofortmaßnahmen gegen die rasch steigenden Corona-Fallzahlen und will eine Impfpflicht für Berufsgruppen in Krankenhäusern mittragen. Denn: „Die Lage in den deutschen Krankenhäusern ist dramatisch, wir haben bereits jetzt regionale und überregionale Verlegungen von Schwerstkranken“, so Dr. Gerald Gaß, Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft angesichts von mehr als 3100 Intensivpatienten mit Covid. Selbst wenn ab heute alle zu Hause blieben, werden in zehn Tagen mehr als 4000 Intensivbetten für Corona-Patienten benötigt, so Gaß.

Er äußerte zum Auftakt des - erneut weitgehend ins Internet verlegten – 44. Deutschen Krankenhaustages auf der Düsseldorfer Gesundheitsmesse Medica deutliche Kritik am Krisenmanagement der Politik: „Warum gibt es bis heute keinen nationalen Krisenstab? Warum melden wir Infektionen auch nach 20 Monaten immer noch in Papierform an die Gesundheitsämter? Warum dürfen Arbeitgeber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nach der Impfung fragen, die Pizzeria um die Ecke aber doch?“

Die Kliniken müssten jetzt die Kohlen aus dem Feuer holen und würden vielerorts gefragt, ob sie nicht zusätzlich die Aufgaben der geschlossenen Impfzentren übernehmen könnten. „Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation, da kann man darüber nicht lange diskutieren.“ Es sei auch problematisch, wenn der Gesetzgeber ausgerechnet in der Pandemie eine um 20 Prozent erhöhte Personalausstattung auf Intensivstationen fordere und damit die Abmeldung von Betten nötig mache.

Planbare Operationen werden wieder für Monate verschoben

Dr. Michael Weber, Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte aus Dachau bei München erläuterte: „Bereits jetzt werden planbare Operationen in vielen Bereichen wieder verschoben. Operationen am Herzen zum Beispiel für Monate - das sind keine Bagatellen.“ Die vierte Welle sei absehbar gewesen und werde bald auch die Intensivkapazitäten in Deutschland überfordern. „Deshalb müssen wir über 2G und Kontaktbeschränkungen reden. Und auch, wenn ich gebürtiger Rheinländer bin, müssen wir uns fragen, ob das die richtige Zeit für Karnevalsveranstaltungen ist.“

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Sowohl Gaß wie auch die Spitzenvertreter der Pflegeberufe, der leitenden Krankenhausärzte und der Klinikleiter machten deutlich, dass sie sich einer Impfpflicht für Gesundheitsberufe nicht entgegenstellen werden. „Wir wollen eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen und werden sie unterstützen, auch wenn wir wissen, dass wir da die ein oder andere Kollegin oder den Kollegen zu verlieren“, so Gaß. „Aber wir glauben, dass wir hier vorangehen müssen.“ Impfen sei keine Privatangelegenheit, sondern ein Akt der Solidarität. „Wir brauchen in den Kliniken auch weiter Kapazitäten für Krebskranke, Herzinfarkte, Schlaganfälle. Die Kapazitäten, um diese angemessen zu versorgen, werden jetzt von Ungeimpften in Anspruch genommen.“

„Schöpferische Pause“ für ungeimpfte Fußballer

Da hätten auch Prominente einen Vorbildfaktor. Gaß spielte dabei auf das Verhalten des stellvertretenden bayrischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger an, genauso wie auf den Impfskeptiker Nationalspieler Joshua Kimmich: „Es sollte eine schöpferische Pause auf dem Rasen geben für jene, die sich gegen die Impfung aussprechen.“ Zumal, wenn auf den Rängen, die 2G-Regel gelte.

Wie es mit der Impfbereitschaft an den Kliniken selbst aussieht, ist unklar, erst vor wenigen Tagen hatte ein Oberarzt an einem Essener Krankenhaus demonstrativ zur Schau gestellt, dass er sich nicht hat impfen lassen. Daten über die Impfquoten beim Personal gebe es nicht, so Dr. Sabine Berninger vom Deutschen Bundesverband für Pflegeberufe. Die Quote stehe und falle mit einer sorgfältigen Aufklärung und Gesprächsbereitschaft mit den Mitarbeitenden. Die fehlende Digitalisierung und die bürokratische Beschaffung von Impfstoffen erschwere derzeit auch das Boostern von Klinikpersonal, so Gerald Gaß weiter.

Der Frust an den Kliniken sei groß, so Gaß, sieben von zehn Kliniken melden einen erheblichen Personalschwund gerade auf den Intensivstationen. Viele hätten sich angesichts der Überlastung für Teilzeit entschieden oder seien auf Normalstationen gewechselt, wenn sie nicht gleich ganz hingeworfen haben.