Amsterdam/Moers. Repair Cafés gibt es in ganz Deutschland und weltweit. Angefangen hat alles ganz klein in Amsterdam, erinnert sich Gründerin Martine Postma.

Martine Postma kann sich noch genau an die „Premiere“ erinnern: „Ich dachte, vielleicht kommt niemand.“ Es ist Oktober 2009 in Amsterdam und Martine Postma ist dabei, ihre Vision für ein nachhaltigeres Zusammenleben umzusetzen. Noch ist das allererste Repair Café ein einmaliges Projekt an diesem Oktobertag, ein Ausprobieren, ob andere Menschen Postmas Vision von weniger Konsum und mehr Nachhaltigkeit teilen. Doch in kürzester Zeit wird der Begriff „Repair Café“ weltbekannt.

Schon am ersten Tag spürt Martine Postma: Der Andrang wird unerwartet groß, das Café ein „unglaublicher Erfolg“. Rund 80 Menschen kommen vorbei, um ihre Alltagsgegenstände von Freiwilligen reparieren zu lassen. Um liebgewonnene Habseligkeiten vor dem Müll zu retten und die Welt damit vor dem Müll. „Ich merkte auch, dass die Atmosphäre sehr gut war“, blickt Martine Postma zurück. „Alle waren froh über die Möglichkeit, geliebte Dinge wieder reparieren zu können.“

Repair Cafés: Initiative aus Amsterdam will weltweit für Nachhaltigkeit sorgen

Zwölf Jahre später hat die in den Niederlanden gegründete Initiative mehr als 4000 Ableger in 63 Ländern. Und es werden stets mehr. Offenbar hat Martine Postma mit ihrer Idee den Zeitgeist getroffen – damals wie heute. „Die Menschen werden sich der Klimaproblematik mehr bewusst“, so die Gründerin zu dem anhaltenden Erfolg. „Sie merken, dass sie wirklich etwas an ihrem Konsumverhalten ändern müssen, damit nicht die ganze Welt im Müll versinkt.“

Im Jahr 2009 waren Schlagwörter wie „Fridays for Future“ oder Klimakrise noch unbekannt. Doch die damalige Finanzkrise habe, so Postma, den Blick dafür geöffnet, sparsamer und genügsamer sein, länger mit Dingen auskommen. Was sie vor über zwölf Jahren in ihrer Heimatstadt beobachtet, stimmt sie selbst nachdenklich. „Es fiel mir auf, dass viele Dinge im Müll landeten, die kaum oder gar nicht kaputt waren“, so die Amsterdamerin. Weil niemand es mehr gewohnt gewesen sei, Alltagsgegenstände zu reparieren.

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„Dagegen wollte ich etwas tun“, sagt Martine Postma. „Also dachte ich: Ich will fürs Reparieren werben, damit nicht mehr so viel weggeworfen wird.“ Nach ein bisschen Nachgrübeln über das Problem war die Idee der Repair Cafés geboren. „In jeder Nachbarschaft, in jeder Familie gibt es handwerklich begabte Menschen. Wenn man die einmal pro Monat zusammenbringt, dann kann man viel reparieren und auch Wissen übers Reparieren weitergeben. Und es ist doch eine schöne Zusammenkunft in der Nachbarschaft.“

Repair Cafés expandieren zunächst nach Deutschland – dann in die ganze Welt

Wegen der zahlreichen Nachfragen nach dem zunächst einmalig angedachten Repair-Treffen packt es Marine Postma größer an und gründet eine eigene Stiftung. In einem Handbuch verrät sie, wie andere ein eigenes Repair Café einrichtet können. Schnell wird das Konzept auch im Ausland bekannt. „Zuerst haben wir Reaktionen von Menschen aus Deutschland und Belgien bekommen“, so Martine Postma. Kein Wunder: Die Idee der Repair Cafés passe gut zu Deutschland, findet die Gründerin. „Deutschland ist ein reiches Land, in dem Menschen viele Dinge besitzen, wo aber auch das Thema Klima viel Beachtung findet.“

Über 500 Repair Cafés gibt es inzwischen in den Niederlanden und in Deutschland – unter anderem in Moers. Auch am Niederrhein ist der Gedanke des Gemeinwohls zentral: Über die 2010 gegründete Nachbarschaftshilfe Moers richtet Initiator Frank Liebert fünf Jahre später das Repair Café ein. Die Idee habe zu den ehrenamtlichen Handwerksarbeiten gepasst, die die Nachbarschaftshilfe zusammen mit pensionierten Bergmännern zu diesem Zeitpunkt bereits anbot. „Wir haben von der Aktion in den Niederlanden gehört und dachten: Das ist eine gute Erweiterung.“

Kuriose Reparaturwünsche: Repair Café in Moers wird durch Bergleute unterstützt

Das einmal im Monat stattfindende Repair Café Moers ist offiziell von der niederländischen Stiftung zertifiziert. „Es kommen Menschen mit ihrem Staubsauger, Toaster, aber auch mit Tischlerarbeiten vorbei“, beschreibt Liebert die Aufgaben, die regelmäßig anfallen. Die pensionierten Bergmänner bekommen inzwischen Unterstützung durch ehrenamtlich aushelfende Fernsehtechniker, Elektriker oder Tischler.

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Doch bei aller Expertise betont Frank Liebert den ehrenamtlichen Aspekt des Repair Cafés und der Nachbarschaftshilfe: „Wir renovieren keine Wohnungen oder ähnliches, um dem Handwerk nicht ins Handwerk zu pfuschen.“ Solche Anfragen habe es durchaus schon gegeben. Wie auch den einen oder anderen kuriosen Reparaturwunsch.

Normalerweise kämen Menschen mit Staubsaugern oder Kaffeemaschinen vorbei. „Wir haben schonmal einen Rollstuhl repariert und daraus einen Rolls Royce unter den Rollstühlen gemacht“, sagt Frank Liebert. Mit Zusatzoptionen wie einer Ablage für Kleingeld etwa. Die Arbeit werde so schnell nicht ausgehen, das Repair Café in Moers sei immer ausgelastet. „Ab und an müssen wir Anfragen auf den nächsten Monat verschieben.“ Eine Ausweitung sei aber nicht geplant. Denn, so meint Frank Liebert: „Ehrenamt sollte man nicht überstrapazieren.“