An Rhein und Ruhr. Ein Team rund um den Lungenspezialisten Dr. Voshaar hat ein Punktesystem entwickelt, mit dem sich das Infektionsrisiko in Räumen messen lässt.

Der Moerser Lungenspezialist Dr. Thomas Voshaar hat mit einer Gruppe aus Medizinern, Aerosolphysikern, Virologen und Lufthygieneexperten ein Konzept zur Eindämmung von Infektionen in Innenräumen entwickelt. Der sogenannte „Lufthygiene-Check“ sei „eine praktische Handlungsanleitung für das alltägliche Leben“, so die Arbeitsgruppe. Das Ziel: Mithilfe eines Punktesystems sollen Arbeitgeber, Schulen, Kitas und Vereine das Ansteckungsrisiko in ihren Räumen eigenständig messen und gezielte Gegenmaßnahmen einleiten können.

„Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist eine wissenschaftlich unumstrittene Erkenntnis“, schreibt die Arbeitsgruppe. „Innenräume sind der zentrale Infektionsort. An der Außenluft gibt es keine relevante Ansteckungsgefahr.“ Das Risiko einer aerogenen Übertragung liege im Freien bei weniger als 0,01 Prozent im Vergleich zu geschlossenen Räumen. Die Gesellschaft für Aerosolforschung habe die wissenschaftlichen Ergebnisse zur Übertragung von SARS-CoV-2-Viren bereits im Winter 2020 zusammengefasst. Noch immer würden diese Erkenntnisse aber „zu selten in praktisches Handeln umgesetzt werden“, so der Vorwurf der Arbeitsgruppe.

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Der „Lufthygiene-Check“ soll das ändern: „Damit lassen sich Innenräume in sichere, weniger sichere und unsichere Räume klassifizieren“, schreiben die Experten. „Wir zeigen der Bevölkerung damit Perspektiven auf, auch jenseits der häufig nicht mehr zielführenden politischen Debatte.“ Dabei gehe es der Gruppe aber nicht um die Aufhebung gängiger Hygienemaßnahmen oder der 2G- beziehungsweise 3G-Regelung. Viel mehr solle den Unternehmen ein Werkzeug an die Hand gegeben werden, um Innenräume in den kalten Herbst- und Wintermonaten sicherer zu gestalten.

Infektionsrisiko: Deshalb spielt die Höhe des Raumes eine Rolle

Die Gruppe, zu der auch der Bonner Virologe Hendrik Streeck zählt, bezieht verschiedene Parameter in ihr Punktesystem ein. Neben der Anzahl der Personen, der Aufenthaltsdauer, der Lüftung und der Raumgröße sei auch die Höhe des Raumes entscheidend, da sich abgeatmete Aerosole nach oben bewegen würden. Ebenfalls wichtig: die Tragedauer und Effektivität von Masken. „Schutzschilde sind wirkungslos, da die infektiösen Aerosole dadurch nicht an der Ausbreitung im Raum gehindert werden“, so die Experten. Zudem könnten körperliche Anstrengungen und Gesang zu einer stärkeren Ausbreitung der Viren führen.

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    Eine besonders hohe Infektionsgefahr bestehe in kleinen und schlecht durchlüfteten Räumen – darunter Fahrstühle, Toiletten, kleine Aufenthaltsräume oder Busse und Bahnen. „Hier kann eine konzentrierte infektiöse Aerosolwolke längere Zeit in der Luft stehen bleiben und dann Personen anstecken, die den Raum betreten“, heißt es in dem Schreiben. Dafür müssten sich die Person, die das Virus überträgt, und die von ihr angesteckte Person noch nicht mal persönlich begegnet sein, warnen die Experten.

    Um das Infektionsrisiko zu minimieren, empfiehlt die Arbeitsgruppe deshalb eine Begrenzung der Personenzahl und Aufenthaltsdauer, eine Erhöhung der Frischluftzufuhr sowie den Einsatz von geeigneten Luftfiltergeräten. Zudem sollte im Zweifelsfall auf größere und möglichst hohe Räume ausgewichen werden. Mithilfe eines CO2-Monitors sowie eines Aerosol-Messgeräts lasse sich die Luftqualität überwachen. Die Arbeitsgruppe nennt in ihrem Papier konkrete Grenzwerte, an denen sich Mitarbeiter und Besucher orientieren können.

    >>> So funktioniert das Punktesystem in der Praxis

    Das Punktesystem unterscheidet zwischen Plus- und Minuspunkten. Ziel ist es, einen möglichst niedrigen Gesamtwert zu erzielen. Kommt auf 2,5 bis fünf Quadratmeter beispielsweise eine Person, macht das vier Pluspunkte. Eine Person auf zehn bis 20 Quadratmeter bedeutet zwei Pluspunkte. Die drei anderen Parameter sind die Raumhöhe, die Anzahl der Maskenträger im Raum sowie die Atmungsaktivität (von „normal“ und gewöhnlichem Sprechen bis hin zu körperlicher Arbeit/Sport). Pro Kategorie sind ein bis fünf, bei der Raumhöhe ein bis vier Pluspunkte möglich.

    Die Pluspunkte der oberen Tabellenhälfte werden addiert und die Minuspunkt der unteren Tabellenhälfte vom Gesamtwert abgezogen.
    Die Pluspunkte der oberen Tabellenhälfte werden addiert und die Minuspunkt der unteren Tabellenhälfte vom Gesamtwert abgezogen. © Screenshot | Lufthygiene-Check

    Die Punkte der vier Kategorien werden addiert. Der Gesamtwert kann verringert werden, wenn zum Beispiel die Aufenthaltsdauer begrenzt wird. 30 bis 120 Minuten bringen einen Minuspunkt, eine Aufenthaltsdauer von maximal fünf Minuten macht vier Minuspunkte. Zudem haben die gemessene CO2- und Aerosol-Konzentration sowie die Effektivität des Luftfilters (je nach Rate der gereinigten Luft in Kubikmetern pro Stunde) Einfluss auf den Gesamtwert. Bleibt unterm Strich weniger als ein Punkt übrig, handle es sich um ein „sehr geringes“, bei 15 bis 19 Punkten um ein „sehr hohes“ Risiko.